Carolina Cold Fury-Team: Marek

Ori­gi­nal­ti­tel: Marek: A Cold Fury Ho­ckey Novel
Über­set­zer: San­dra Mar­tin

Er­schie­nen: 01/2025
Serie: Ca­ro­li­na Cold Fu­ry-Team
Teil der Serie: 11

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance
Zu­sätz­lich: Se­cond Chan­ce, Se­cret Baby / Un­wan­ted Pregnan­cy

Lo­ca­ti­on: USA, Ca­ro­li­na, Ral­eigh


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-748-2
ebook: 978-3-86495-749-9

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Carolina Cold Fury-Team: Marek


In­halts­an­ga­be

Als der hei­ßes­te Jung­star der Ca­ro­li­na Cold Fury von einer ex­plo­si­ven Nach­richt über­rum­pelt wird, ist das Spiel weit mehr als nur ein Wett­kampf auf dem Eis – es wird zu einem lei­den­schaft­li­chen Tanz der Ge­füh­le, der alles ver­än­dert.

Marek Fa­bri­tis hat ge­lernt, in der Arena un­barm­her­zig zu kämp­fen und Schlä­ge aus­zu­tei­len. Doch als er von einer an­ony­men E-Mail er­fährt, dass er eine drei­jäh­ri­ge Toch­ter hat, von deren Exis­tenz er nichts wuss­te, trifft ihn die Nach­richt wie ein eis­kal­ter Schlag. Seine Ex-Freun­din hielt es nie für nötig, ihm von Lilly zu er­zäh­len. Ent­schlos­sen, sich nicht das Wich­tigs­te in sei­nem Leben neh­men zu las­sen, kehrt Marek zu­rück – doch seine Rück­kehr ist mehr als ein Fa­mi­li­en­be­such. Es ist der Be­ginn eines ge­fähr­li­chen Spiels, bei dem er alles ris­kie­ren könn­te – und nicht nur das Herz der Frau, die er nie ganz ver­ges­sen konn­te.

Einst ließ Gra­cen Moore Marek gehen, damit er in der NHL Kar­rie­re ma­chen konn­te. Seit­dem hat sie Marek nie aus dem Her­zen las­sen kön­nen, aber sie wuss­te, dass ihre Ent­schei­dung, ihn zu ver­las­sen und ihm die Wahr­heit vor­zu­ent­hal­ten, den ul­ti­ma­ti­ven Preis for­dern könn­te. Nun ist sie be­reit, sich ihrer Ver­gan­gen­heit zu stel­len, auch wenn es be­deu­tet, ihre ganze Welt auf den Kopf zu stel­len. Die Fun­ken, die zwi­schen ihr und Marek immer noch flie­gen, kön­nen nicht ein­fach ge­löscht wer­den. Doch wird ihre Liebe rei­chen, um die schmerz­haf­ten Wun­den der Ver­gan­gen­heit zu hei­len? Oder wird die Wahr­heit das Eis zwi­schen ihnen end­gül­tig zum Schmel­zen brin­gen?

Das Match um Liebe, Lei­den­schaft und das, was wirk­lich zählt, ist er­öff­net – und könn­te alles ver­än­dern.

Ein letz­tes, hei­ßes Spiel – die New York Times- und USA To­day-Best­sel­ler­au­to­rin Sa­wy­er Ben­nett lässt die Ca­ro­li­na Cold Fury zum al­ler­letz­ten Mal aufs Eis gehen und ver­führt die Her­zen zu einem ex­plo­si­ven Fi­na­le vol­ler Lei­den­schaft und un­wi­der­steh­li­cher Liebe!

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Ca­ro­li­na Cold Fu­ry-Team Serie

Le­se­pro­be

Marek

So­bald ich höre, wie die Haus­tür hin­ter Reed und sei­nem vor­lau­ten Mund­werk ins Schloss fällt, wende ich mich Gra­cen zu. Ich koche vor Wut, nach­dem Reed sich be­mü­ßigt ge­fühlt hat, mir die Le­vi­ten zu lesen, als wäre er mein Vater. Einem na­tür­li­chen In­stinkt fol­gend, rich­te ich diese Wut auf Gra­cen, denn, seien wir ehr­lich … sie ist ein leich­tes Ziel. Viel­leicht macht mich das zu einem Arsch­loch – aber das ist mir egal.
Nichts­des­to­trotz klin­gen mir Reeds Worte, die er mir ge­ra­de auf mei­ner Ve­ran­da ent­ge­gen­ge­schleu­dert hat, noch in den Ohren.
„Ich hoffe, du bist nicht hier, um mir...

...​ins Ge­wis­sen zu reden“, sagte ich zu ihm, als wir aus dem Haus tra­ten, wäh­rend Josie di­rekt auf Gra­cen zu­ging.
„Genau des­halb bin ich hier“, ant­wor­te­te Reed in ru­hi­gem Ton­fall. „Du musst diese Wut los­las­sen, Bru­der.“
„Das ist nicht so leicht“, knur­re ich und lehne mich zu ihm vor. „Du weißt schon, im­mer­hin hat sie mir mein Kind über drei ver­damm­te Jahre lang vor­ent­hal­ten.“
Reed zeig­te je­doch kein Mit­ge­fühl. „Finde dich damit ab“, er­wi­der­te er. „Es ist nun ein­mal pas­siert. Ak­zep­tie­re es, denn wenn du dich wei­ter so ab­wei­send ver­hältst, ver­letzt du Lilly da­durch nur.“
Ich wich vor ihm zu­rück, als hätte er mir eine Faust ins Ge­sicht ge­rammt. „Ich würde ihr nie weh­tun.“
„Tust du ihrer Mut­ter weh, dann tust du auch ihr weh“, sagte Reed leise.
Plötz­lich fühl­te ich mich wie ein klei­ner Junge. Ich schüt­tel­te ver­nei­nend den Kopf. „Ich würde sie nie spü­ren las­sen, dass ich einen Groll gegen ihre Mut­ter hege.“
„Sie hat es be­reits ge­spürt“, ent­geg­ne­te Reed. Für den Bruch­teil einer Se­kun­de hass­te ich ihn, denn er hatte recht. „Die Art und Weise, wie du Gra­cen schi­ka­nierst und igno­rierst, spricht Bände. Kin­der sind sehr auf­merk­sam. Und da wir ge­ra­de dar­über spre­chen… Was emp­fin­dest du ei­gent­lich für Gra­cen? Es war ziem­lich ge­wagt, sie und Lilly hier­her zu brin­gen und in dei­nem Haus ein­zu­quar­tie­ren.“
Bei den Wor­ten ver­steif­te ich mich au­gen­blick­lich. „Es war die ein­zi­ge Mög­lich­keit für mich, Zeit mit Lilly zu ver­brin­gen.“
„Das stimmt nicht“, ent­geg­ne­te Reed mit einem bla­sier­ten Grin­sen. „Du hät­test sie dort be­su­chen oder hier in einem an­de­ren Haus un­ter­brin­gen kön­nen. Wahr­schein­lich wäre das sogar bes­ser ge­we­sen, denn du scheinst es kaum er­tra­gen zu kön­nen, in Gra­cens Nähe zu sein.“
Herr­gott, ins­ge­heim ver­fluch­te ich Reed für seine Worte. Aber ich würde ihm ge­gen­über nicht zu­ge­ben, dass Gra­cen immer noch einen Platz in mei­nem Her­zen hatte. In den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren habe ich hin und wie­der an sie ge­dacht.
Ich hatte ein schlech­tes Ge­wis­sen, weil ich ihr das Herz ge­bro­chen habe.
Viel­leicht ver­hal­te ich mich des­halb so ab­wei­send. So­lan­ge ich wü­tend auf sie sein kann, fühle ich mich nicht so schul­dig.
Aber meine Schuld­ge­füh­le flam­men jedes Mal wie­der auf, wenn Gra­cen mich daran er­in­nert, dass ich mich von ihr ge­trennt habe, weil ich keine Ver­ant­wor­tung über­neh­men woll­te. Meine Pro­fi­kar­rie­re und meine Frei­heit waren mir wich­ti­ger. Ich woll­te mir keine Ge­dan­ken um Gra­cen ma­chen müs­sen, woll­te keine Ver­pflich­tun­gen haben und mich von der Liebe ab­len­ken las­sen. Ich war ehr­lich zu ihr, denn sie hatte es ver­dient, die Wahr­heit zu hören. Fünf Jahre lang war sie nicht nur meine Freun­din und Ge­lieb­te ge­we­sen, son­dern auch meine Ver­trau­te. Ich hatte ihr alles er­zäh­len kön­nen und sie nie an­ge­lo­gen. Nie­mals hätte ich er­war­tet, dass sie sich un­se­re Tren­nung so sehr zu Her­zen neh­men würde und von mir glau­ben könn­te, ich hätte sie wäh­rend der Schwan­ger­schaft nicht un­ter­stützt, wenn ich davon ge­wusst hätte. Es ist, als würde sie mich nicht wirk­lich ken­nen.
Ver­dammt, das Ganze ist ein ein­zi­ges Durch­ein­an­der.
Ich habe Reed ver­si­chert, dass ich ges­tern Abend mit Gra­cen ge­spro­chen habe und mich un­ein­ge­schränkt auf Lilly kon­zen­trie­ren und sie ken­nen­ler­nen will. Das schien ihn etwas zu be­sänf­ti­gen, aber ich weiß, dass er nach wie vor skep­tisch ist.
Doch das ist mir egal, denn ich bin immer noch wü­tend auf ihn. Zum einen mischt er sich in meine An­ge­le­gen­hei­ten ein, und zum an­de­ren hatte er recht mit sei­ner Mei­nung über mich. Die Stim­mung zwi­schen uns war also etwas an­ge­spannt, als er und Josie gin­gen.
Gra­cen nimmt einen Schluck Kaf­fee. Ich weiß, dass sie mir nur aus­wei­chen will, aber ich star­re sie un­auf­hör­lich an. Dann be­geg­net sie end­lich mei­nem Blick, und ich zeige mit einem Ni­cken auf Lilly.
Ein pa­ni­scher Aus­druck huscht über Gra­cens Ge­sicht. Für einen Mo­ment be­fürch­te ich schon, dass sie einen Rück­zie­her ma­chen könn­te, weil sie glaubt, ich wäre kein guter Um­gang für Lilly. Doch dann schenkt sie mir ein fast mu­ti­ges Lä­cheln und kommt auf mich zu.
Sie bleibt di­rekt vor mir ste­hen, beugt sich vor und flüs­tert: „Ich muss zu­ge­ben, dass ich keine Ah­nung habe, was ich zu ihr sagen soll. Ich weiß, wie wü­tend du auf mich bist, weil ich dich im Dun­keln ge­las­sen habe. Um ehr­lich zu sein habe ich Angst, dass Lilly ge­nau­so re­agie­ren könn­te.“
Für einen kur­zen glanz­vol­len Mo­ment lasse ich mei­nen Zorn von mir ab­fal­len und emp­fin­de Mit­ge­fühl für Gra­cen. Ganz gleich, wie wü­tend ich auf sie bin, ich will nicht, dass Lilly schlecht über ihre Mut­ter denkt. So­sehr ich mir auch eine Be­zie­hung zu mei­ner Toch­ter wün­sche, würde ich nie­mals die Liebe un­ter­bin­den oder schmä­lern wol­len, die sie für Gra­cen emp­fin­det.
Ohne nach­zu­den­ken plap­pe­re ich ein­fach drauf­los. „Sag ihr, dass ich un­ter­wegs war und noch nicht die Mög­lich­keit hatte, sie ken­nen­zu­ler­nen. Oder so etwas in der Art.“
Gra­cen reißt über­rascht die Augen auf, als sie hört, dass ich be­reit bin, die Schuld auf mich zu neh­men. Ins­ge­heim würde ich das Ge­sag­te am liebs­ten zu­rück­neh­men. Doch Gra­cen geht oh­ne­hin nicht auf mein An­ge­bot ein und schüt­telt en­er­gisch den Kopf. Dann starrt sie mich fins­ter an. „Ich werde sie nicht an­lü­gen. Das alles ist meine Schuld, also werde ich sie auch tra­gen. Ich bin nur … Ich will ein­fach nur die rich­ti­gen Worte fin­den.“
„Und was sind die rich­ti­gen Worte, Gra­cie?“, frage ich leise und bin selbst ver­blüfft, weil ich sie, ohne nach­zu­den­ken, mit ihrem Spitz­na­men an­ge­re­det habe. Außer mir hat nie­mand sie je Gra­cie ge­nannt.
„Ich weiß es nicht“, mur­melt sie. „Sie hat nie nach ihrem Vater ge­fragt und schien immer damit zu­frie­den zu sein, ihre Mut­ter und ihre Groß­el­tern zu haben, die sie ver­göt­tern. Ich bin mir nicht ein­mal si­cher, ob die tra­di­tio­nel­le Rol­len­ver­tei­lung einer Fa­mi­lie über­haupt ver­steht.“
„Du machst Witze“, ent­fährt es mir er­staunt.
Gra­cen zuckt mit den Schul­tern. „Ich wohne bei Mom und Dad. Sie pas­sen auf Lilly auf, wenn ich bei der Ar­beit bin. Zu an­de­ren Kin­dern hat sie nicht viel Kon­takt, außer zu ihren Cou­sins, denn meine Schwes­ter Be­ver­ly be­sucht uns ab und an. Aber Bev wurde ge­schie­den, bevor Lilly ge­bo­ren wurde, und so hat Lilly auch von ihrer Seite keine Er­fah­rung mit einer Va­ter­fi­gur.“
Das ist ein­leuch­tend. In ihrem Alter kann sie wohl kaum etwas ver­ste­hen, was sie nicht er­lebt hat. Dabei kommt mir ein Ge­dan­ke. „Weiß sie über­haupt, was ein Vater ist?“
Gra­cen nickt. „Ich denke schon. Ich meine … sie weiß, dass ihr Groß­va­ter mein Vater ist. Aber sie hat nie nach ihrem Vater ge­fragt. Und nun ja … mit Owen …“
„Ver­dammt“, flu­che ich leise und wende mich von ihr ab. So­fort werde ich er­neut von Wut ge­packt. Sie woll­te meine Toch­ter von einem an­de­ren Mann groß­zie­hen las­sen.
„Es tut mir leid“, mur­melt sie.
„Eine Ent­schul­di­gung ist nicht ein­mal an­nä­hernd gut genug“, blaf­fe ich, wobei ich dar­auf achte, meine Stim­me nicht zu er­he­ben. Am liebs­ten würde ich sie an­schrei­en.
Gra­cen seufzt, doch dann strafft sie die Schul­tern und be­geg­net wie­der mei­nem Blick. „Du darfst nicht so ein furcht­er­re­gen­des und wü­ten­des Ge­sicht ma­chen, wenn du dich mit mir und dei­ner Toch­ter zu­sam­men­set­zen willst. Ich will nicht, dass sie Angst vor dir hat.“
So­fort ver­flüch­tigt sich meine Wut, als mir klar wird, wie wich­tig es ist, dass Lilly einen guten Ein­druck von mir ge­winnt. Reed hatte recht. Ich darf meine ne­ga­ti­ven Ge­füh­le für Gra­cen nicht in Lil­lys Ge­gen­wart zur Schau stel­len. Es wäre schänd­lich, sie noch mehr durch­ein­an­der­zu­brin­gen. Das kann ich ihr nicht antun, denn das arme Mäd­chen wird auch so schon ver­wirrt genug sein.
So­bald ich meine Wut unter Kon­trol­le ge­bracht habe, ver­krampft sich mir vor Angst der Magen. Ich wette, Gra­cen kann mir meine Be­klom­men­heit deut­lich an­mer­ken. Sie hat den­sel­ben Aus­druck im Ge­sicht.
Sie wen­det sich ab, greift nach der Fern­be­die­nung und schal­tet den Fern­se­her aus.
„Hey“, jam­mert Lilly und dreht sich zu ihrer Mut­ter um. „Ich habe mir ge­ra­de Paw Pa­trol an­ge­schaut.“
„Du kannst es dir spä­ter an­se­hen“, sagt Gra­cen mit fes­ter, be­stimm­ter Stim­me, in der gleich­zei­tig ein zärt­li­cher Un­ter­ton mit­schwingt. Das ist be­ein­dru­ckend und muss eine müt­ter­li­che Gabe sein.
Ich habe die Be­zie­hung zwi­schen Mut­ter und Toch­ter bis­her nur am Rande be­ob­ach­ten kön­nen, aber ich habe fest­ge­stellt, dass Lilly ein lie­bes Kind ist. Na­tür­lich gibt es auch bei ihr Mo­men­te, in denen ihr Tem­pe­ra­ment die Ober­hand ge­winnt, doch sie ist immer leicht zu be­ru­hi­gen. Gra­cen ist eine wahre Meis­te­rin darin, Lilly nach einem Wut­an­fall auf an­de­re Ge­dan­ken und wie­der zum La­chen zu brin­gen.
„Okay, Mommy“, sagt Lilly mit ho­nigs­ü­ßer Stim­me. Ob­wohl ich die­ses Kind über­haupt nicht kenne, be­rührt es mein Herz auf selt­sa­me und ur­sprüng­li­che Weise.
„Komm ins Wohn­zim­mer, Schatz“, for­dert Gra­cen ihre Toch­ter mit einer Geste auf. „Marek und ich möch­ten mit dir reden.“
Lilly springt von ihrem Stuhl auf und kommt mit kind­lich be­schwing­ten Schrit­ten auf uns zu. Meine Füße füh­len sich an wie Blei, als ich Gra­cen ins Wohn­zim­mer folge. Sie setzt sich in einen Ses­sel am Fens­ter, von dem aus man einen Blick auf den Gar­ten hat. Lilly klet­tert un­ge­fragt auf den Schoß ihrer Mut­ter, wäh­rend ich mich auf die Couch auf der ge­gen­über­lie­gen­den Seite des Wohn­be­reichs setze. Zwi­schen uns steht eine ge­pols­ter­te Ot­to­ma­ne, die ich als eine Art Puf­fer be­nut­ze, weil ich Lilly nicht ein­schüch­tern möch­te.
Nach­dem Lilly auf ihrem klei­nen Hin­tern her­um­ge­rutscht ist und es sich auf Gra­cens Schoß be­quem ge­macht hat, wirft sie mir einen ver­stoh­le­nen Blick zu. Ich be­mü­he mich um ein be­ru­hi­gen­des Lä­cheln, doch es fühlt sich selt­sam an. Lilly blickt so­fort zu ihrer Mut­ter auf, und ich be­fürch­te schon, dass meine Gri­mas­se zu gru­se­lig war.
„Lilly, Schatz“, sagt Gra­cen leise. Das Zit­tern in ihrer Stim­me ist nicht zu über­hö­ren. Sie hat eine Hei­den­angst, und ich wünsch­te, ich könn­te sie be­ru­hi­gen, aber ich weiß nicht, wie. Im Grun­de will ich ihr nicht hel­fen, denn sie hat sich diese Grube selbst ge­gra­ben, und ich emp­fin­de Ge­nug­tu­ung dabei, sie darin ste­cken zu las­sen. Ich bin wirk­lich ein kran­ker Mist­kerl. „Du weißt, dass wir hier in Mareks Haus woh­nen, nicht wahr?“
Lilly nickt und spitzt die Lip­pen, wäh­rend sie ihre Mut­ter ver­trau­ens­voll an­starrt.
„Nun“, fährt Gra­cen zö­ger­lich fort. „Viel­leicht ist das für dich schwer zu ver­ste­hen, aber Marek ist dein Daddy.“
Lilly dreht mir lang­sam den Kopf zu, und ich kann sehen, dass sie die Worte ihrer Mut­ter nicht ver­ar­bei­ten kann. Mein Herz fühlt sich an, als würde es mir jeden Mo­ment aus der Brust sprin­gen.
„Er ist dein Daddy, so wie ich deine Mommy bin“, fährt Gra­cen fort. „So wie dein Opa mein Daddy ist, ist Marek auch dein Daddy.“
Lilly starrt Gra­cen schwei­gend an, dann wen­det sie sich wie­der mir zu. Ich nicke zur Be­stä­ti­gung und frage mich, ob sie es nun ver­stan­den hat. Auf jeden Fall hält sie sich viel bes­ser, als ich es je könn­te.
Gra­cen zieht Lilly an sich und schlingt schüt­zend einen Arm um ihren Rü­cken. „Weißt du, Marek und ich waren frü­her sehr enge Freun­de. Wir haben dich aus ganz viel Liebe zu­sam­men er­schaf­fen. Also ist er dein Daddy und ich bin deine Mommy.“
Ver­dammt. Ich muss schlu­cken, als die Emo­tio­nen mich zu über­wäl­ti­gen dro­hen. Wir haben dich aus ganz viel Liebe er­schaf­fen.
Ich beiße die Zähne zu­sam­men und ver­su­che, die Ge­füh­le zu un­ter­drü­cken, die auf mich ein­stür­men. Plötz­lich er­in­ne­re ich mich daran, wie sehr Gra­cen und ich uns ge­liebt haben.
Ich be­ob­ach­te Lilly und wapp­ne mich für die Fra­gen, die sie ihrer Mut­ter mög­li­cher­wei­se stel­len wird.
Wo war er die ganze Zeit?
Warum hast du es mir nicht schon frü­her er­zählt?
Wer­den wir für immer hier leben?
Wird er jetzt für immer mein Daddy sein?
Liebt er mich?
Doch dann über­rascht sie mich, als sie Gra­cen ein­dring­lich an­starrt und fragt: „Wirst du ihn hei­ra­ten?“
Statt mich Hilfe su­chend an­zu­se­hen, ant­wor­tet Gra­cen wie aus der Pis­to­le ge­schos­sen. „Nein, Schatz. Dein Daddy und ich sind nur Freun­de, die dich sehr lieb haben. Wir wer­den uns beide um dich küm­mern und dir hel­fen, zu einem gro­ßen Mäd­chen her­an­zu­wach­sen. Ich weiß, dass das alles schwer zu ver­ste­hen ist, und es tut mir leid, dass du jetzt erst davon er­fährst. Mommy hätte es dir schon vor lan­ger Zeit er­zäh­len sol­len, und es war falsch von mir …“
Ich kann mir das nicht län­ger mit an­hö­ren, also schnei­de ich Gra­cen das Wort ab. Zum ers­ten Mal, seit wir uns mit Lilly zu­sam­men­ge­setzt haben, er­he­be ich meine Stim­me und rufe ihren Namen, um ihre Auf­merk­sam­keit zu er­re­gen: „Lilly.“
Sie wen­det sich mir zu. Mit ihren blau­en Augen, die mei­nen so ähn­lich sind, starrt sie mich ver­wirrt an. Da ich noch nie ein erns­tes Ge­spräch mit einem Klein­kind ge­führt habe, habe ich keine Ah­nung, ob ich ihr das Rich­ti­ge sage, aber ich ver­su­che es trotz­dem. „Es tut mir leid, dass ich vor­her nicht für dich da war. Ich muss­te gehen und habe dich und deine Mommy wegen mei­nes Jobs zu­rück­ge­las­sen. Doch jetzt sind wir wie­der ver­eint, und ich werde ein guter Dad sein. Ver­spro­chen.“
Gra­cen blickt aus dem Fens­ter und strei­chelt Lilly über den Rü­cken.
„Deine Mommy und ich müs­sen uns auch erst ein­mal an die Si­tua­ti­on ge­wöh­nen“, fahre ich fort. Ich gehe davon aus, dass sie nur etwa die Hälf­te mei­ner Worte ver­steht, nichts­des­to­trotz muss ich sie los­wer­den. „Aber wir wol­len, dass du glück­lich bist, und wer­den alles dafür tun.“
In mei­ner Fan­ta­sie un­ter­ma­le ich die­sen Mo­ment mit dra­ma­ti­scher Musik, und Lilly springt von Gra­cens Schoß und wirft sich in meine Arme. Bis zu die­sem Zeit­punkt war mir nicht be­wusst, dass ich mich nach so etwas sehn­te. Fast klingt die Me­lo­die in mei­nen Ohren, doch sie wird jäh un­ter­bro­chen, als die Nadel buch­stäb­lich über die Schall­plat­te kratzt.
Lilly wen­det sich Gra­cen zu, die ihrer Toch­ter ein strah­len­des Lä­cheln schenkt, das je­doch ihre Augen nicht ganz er­reicht.
„Mommy … kann ich jetzt wie­der Paw Pa­trol gu­cken?“, fragt Lilly.
Mir fällt die Kinn­la­de her­un­ter. Im Ernst? Das Kind hat ge­ra­de her­aus­ge­fun­den, dass es einen Vater hat, der nicht die­ser Mist­kerl Owen ist, und sie will Paw Pa­trol schau­en?
„Klar, Schatz“, ant­wor­tet Gra­cen und steht aus dem Ses­sel auf. Sie setzt Lilly hin­ein und greift nach der Fern­be­die­nung, um den Fern­se­her ein­zu­schal­ten.
Ich stehe von der Couch auf und sehe zu, wie Lilly sich in eine al­ber­ne Sen­dung ver­tieft, in der Hunde Feu­er­wehr­au­tos fah­ren und Hub­schrau­ber flie­gen.
Gra­cen will an mir vor­bei in Rich­tung Küche gehen, aber ich packe sie am Ell­bo­gen und ziehe sie ins Ne­ben­zim­mer.
„Was zum Teu­fel“, be­gin­ne ich, doch dann wird mir klar, dass Lilly mich wahr­schein­lich hören kann, ob­wohl ich mich um einen ge­dämpf­ten Ton­fall be­mü­he.
Ich führe Gra­cen in mein Schlaf­zim­mer und schlie­ße die Tür.
„Was zum Teu­fel?“, wie­der­ho­le ich, dies­mal etwas lau­ter. „Du er­laubst ihr, fern­zu­se­hen? Was ist, wenn sie Fra­gen hat? Was ist, wenn sie nicht ver­steht, was wir ihr ge­ra­de er­zählt haben? Hat sie über­haupt be­grif­fen, dass ich ihr Vater bin?“
Mir sträu­ben sich die Na­cken­haa­re, als Gra­cen mich mit einem mit­lei­di­gen Aus­druck mus­tert. „Marek, sie ver­steht es nicht. Wahr­schein­lich konn­te sie nur ein Mi­ni­mum von dem ver­ar­bei­ten, was wir ihr er­zählt haben. Wenn und falls sie Fra­gen hat, wird sie sie stel­len, und dann müs­sen wir be­reit sein, sie ihr zu be­ant­wor­ten.“
„Wenn sie nur ein Mi­ni­mum ver­stan­den hat, müs­sen wir …“
Gra­cen ent­zieht sich mei­nem Griff. Ich habe gar nicht be­merkt, dass ich sie fest­hielt, und wei­che über­rascht zu­rück. Doch sie er­greift meine Hand und um sie be­ru­hi­gend zu drü­cken.
„Das Ge­spräch mit ihr ist nicht be­en­det. Aber das wirst du noch ler­nen“, er­klärt sie in einem ge­dul­di­gen, müt­ter­li­chen Ton­fall. „Drei­jäh­ri­ge haben die Auf­merk­sam­keits­span­ne eines Gold­fischs, und ihre sprach­li­che Kom­pe­tenz ist ru­di­men­tär. Wahr­schein­lich haben wir ge­ra­de zwan­zig Wör­ter be­nutzt, die Lilly nicht ver­ar­bei­ten konn­te. Unter an­de­rem das Wort ‚Daddy‘. Das Kon­zept müs­sen wir ihr erst be­greif­lich ma­chen, so­wohl durch Worte als auch durch Taten. Sie wird dich viel­leicht wei­ter­hin mit dei­nem Vor­na­men an­spre­chen, aber du musst sie jedes Mal kor­ri­gie­ren und dazu brin­gen, dich Daddy zu nen­nen. Oder was du sonst be­vor­zugst.“
„Daddy klingt gut“, er­wi­de­re ich schroff, ob­wohl ich weiß, dass sie recht hat. Aber wie könn­te es an­ders sein? Sie ist schon viel län­ger Lil­lys Mut­ter, als ich der Vater des Mäd­chens bin. Und im Grun­de bin ich erst seit fünf Mi­nu­ten ihr Daddy.
„Marek“, sagt Gra­cen und drückt noch ein­mal meine Hand, bevor sie sie los­lässt. „Lilly ist sehr in­tel­li­gent und wiss­be­gie­rig. Sie wird es frü­her oder spä­ter be­grei­fen. Und dann wird sie wei­te­re Fra­gen haben, die wir be­ant­wor­ten wer­den. Ich gebe dir den Rat, deine Toch­ter ken­nen­zu­ler­nen. Ver­brin­ge so viel Zeit wie mög­lich mit ihr. So­bald die Sai­son be­ginnt, wirst du ziem­lich be­schäf­tigt sein.“
Ich nicke schwei­gend und über­le­ge, wie ich mich Lilly nä­hern soll. Ich wünsch­te, ich hätte Lilly und Gra­cen vor­her mehr Be­ach­tung ge­schenkt, denn nun bin ich mir nicht si­cher, wie ich mit mei­ner Toch­ter um­ge­hen soll.
„Oh, und Marek“, fügt Gra­cen leise hinzu.
„Ja?“
„Er­zähl ihr nicht noch ein­mal, dass du uns wegen dei­nes Jobs ver­las­sen hast. Wage es nicht, auch nur einen Bruch­teil der Schuld auf dich zu neh­men, falls sie wis­sen will, wo du drei­ein­halb Jahre lang ge­we­sen bist. Auf diese Frage muss ich ihr eine Ant­wort geben.“
Ich habe keine Ge­le­gen­heit, etwas zu er­wi­dern, denn Gra­cen macht auf dem Ab­satz kehrt und ver­lässt mein Schlaf­zim­mer. Und ich fühle mich völ­lig al­lein, hilf­los und habe keine Ah­nung, was ich jetzt tun soll.