Scarlet Cheeks: Unschuldige Verlockung

Er­schie­nen: 10/2015
Serie: Scar­let Cheeks
Teil der Serie: 1

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, New Adult
Zu­sätz­lich: New Adult

Lo­ca­ti­on: Schweiz

Sei­ten­an­zahl: 444




Preis:
Print: 14,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Er­hält­lich bei u.a.:

und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Scarlet Cheeks: Unschuldige Verlockung


In­halts­an­ga­be

Für Irina ist es Zeit, die be­hü­te­te Ju­gend in ihrem El­tern­haus hin­ter sich zu las­sen und auf ei­ge­nen Bei­nen zu ste­hen. Sie zieht zu ihrer Cou­si­ne, in ein ab­ge­le­ge­nes Dorf im Schat­ten eines ma­jes­tä­ti­schen Ber­ges und der über­aus au­to­ri­tä­ren Her­ren Fos­ter.
Ho­te­ler­be Alain Fos­ter - at­trak­tiv, ehr­gei­zig, er­folg­reich - ist ein Frau­en­held und hält strikt an sei­nen Prin­zi­pi­en fest: keine Be­zie­hun­gen, keine Af­fä­ren mit ein­hei­mi­schen Frau­en, son­dern ein­zig und al­lein One-Night-Stands mit Tou­ris­tin­nen kom­men für ihn in­fra­ge.
Doch Alains Welt gerät aus den Fugen, nach­dem er Irina vor einem Sturz be­wahrt. Diese gott­ver­damm­te Jung­frau in Nöten weckt nicht nur sei­nen Be­schüt­zer­in­stinkt - und das un­un­ter­bro­chen! -, son­dern auch so manch ver­lo­ren ge­glaub­tes Ge­fühl, das tief in ihm schlum­mert. Nichts­des­to­trotz sträubt er sich gegen ihre Avan­cen.
Irina, ihrem Ret­ter hoff­nungs­los ver­fal­len, bit­tet in ihrer Ver­zweif­lung aus­ge­rech­net ihre Cou­si­ne, die An­ti-Alain-Be­we­gung höchst­per­sön­lich, um Hilfe ....

Teil 1 des "Scar­let Cheeks"-Zwei­tei­lers.

Über die Au­to­rin

Al­exis Kay, ge­bo­ren 1984, lebt mit ihrem Mann und den zwei Söh­nen in einer Klein­stadt im Son­nen­kan­ton, ganz im Süden der Schweiz.

Mit sech­zehn Jah­ren schrieb sie, ei­gens für sich selbst, ihren ers­ten Lie­bes­ro­man sau­ber mit Tinte ins Ar­beits­heft. Da­mals wur­den...

Wei­te­re Teile der Scar­let Cheeks Serie

Le­se­pro­be

Der Shut­tle­zug, auf wel­chen ich um­ge­stie­gen bin, er­reicht nach einer zwölf­mi­nü­ti­gen Fahrt den au­to­frei­en Kur­ort.
End­sta­ti­on! Ab hier geht’s zu Fuß wei­ter … für mich je­den­falls.
Ich ziehe mir die Jacke über, er­grei­fe den Roll­kof­fer und stei­ge aus. Die Luft, die mich emp­fängt, ist nicht sehr kühl, aber doch etwas käl­ter, als ich es aus dem Tal ge­wohnt bin, und ich bin höl­lisch froh um mei­nen beige­far­be­nen Fleece-Trench­coat. Ich atme ein … zwei­mal, drei­mal … sauge die Luft tief in meine Lun­gen und ge­ra­te ins Schwär­men. Sie ist rein … frisch … kris­tall­kla­re Berg­luft … mit einem Hauch von …...

...​Ich schnup­pe­re. Kurze, ab­ge­hack­te Atem­zü­ge. Pferd … Pferd? An­ge­wi­dert ziehe ich die Nase kraus. Pfer­de­mist.
Auf dem Um­schlag­platz herrscht reges Trei­ben. Die Elek­tro-Ta­xis, E-Bus­se und die nost­al­gi­schen Post­kut­schen der Ho­tels ste­hen für den Ab­trans­port der Tou­ris­ten und Ge­päck be­reit. Ein­zi­ge Um­welt­sün­der: Die He­li­ko­pter, die am äu­ße­ren Dorf­rand auf dem He­li­port auf einer An­hö­he zur Schau ge­stellt wer­den. Ei­gent­lich für Ret­tungs­flü­ge vor­ge­se­hen, doch wer­den sie auch für He­li-Ski­ing, Rund­flü­ge, Trans­por­te und, wer’s sich leis­ten kann, Ta­xi­flü­ge ge­nutzt.
Ich halte Aus­schau nach mei­ner Cou­si­ne. Eine über­schwäng­lich win­ken­de Blon­di­ne zieht alle Auf­merk­sam­keit auf sich. Es kann sich dabei nur um Co­rin­ne han­deln. Sie ist eine at­trak­ti­ve, schlan­ke Frau mit gro­ßen, dun­kel­blau­en Augen, hell­blon­den, lan­gen Haa­ren und be­weist mit ihrem Look mal wie­der ein Händ­chen für Mode. In einer schwar­zen, engen Stoff­ho­se, dar­un­ter blit­zen ein Paar eben­so dunk­le Keil­pumps her­vor, einem wei­ßen Top, und einem hauch­dün­nen, schwar­zen Bla­zer steht sie plötz­lich vor mir.
Beim Be­trach­ten ihres Auf­zugs ste­hen mir die Haare zu Berge. Mich friert’s.
„Irina!“ Co­rin­ne fällt mir um den Hals und drückt mir drei Küss­chen ab­wech­selnd auf die Wan­gen. „Etwas über­trie­ben, fin­dest du nicht?“, spöt­telt sie und packt in das Fleece mei­ner Jacke. Sie grinst wie ein Ho­nig­ku­chen­pferd.
„Ich bin die Kälte nicht ge­wohnt.“ Bib­bernd stehe ich vor ihr.
„Kälte? Es ist bei­na­he zwan­zig Grad warm, und du tust ge­ra­de so, als wäre es tiefs­ter Win­ter.“ Sie um­fasst den Griff mei­nes Roll­kof­fers. „Komm, wir ge­neh­mi­gen uns einen Bur­ger in Sams Bar. Dort ist es schön warm!“, zieht sie mich auf.

Hilfe! An das Kopf­stein­pflas­ter in der Bahn­hof­stra­ße konn­te ich mich gar nicht mehr er­in­nern. Wie auch, sind Stra­ßen und Wege doch im Win­ter von fest­ge­tre­te­nem Schnee be­deckt. Ich habe mich bei Co­rin­ne im Vor­hin­ein le­dig­lich er­kun­digt, ob die Stra­ßen aper, also schnee­frei sind.
Der Roll­kof­fer klap­pert über die un­ebe­nen Pflas­ter­stei­ne mit den tie­fen, zum Teil aus­ge­spül­ten Fugen und ver­ur­sacht einen Hei­den­lärm. Mann, ist das pein­lich! Co­rin­ne scheint’s nicht zu stö­ren, sie lässt ihn mun­ter wei­ter­ru­ckeln. Ich hin­ge­gen hätte den Griff längst ver­staut und würde mein Ge­päck tra­gen. Die Ein­hei­mi­schen grin­sen und ni­cken Co­rin­ne freund­lich zu, wis­send, dass der Kof­fer der pein­lich be­rühr­ten Tou­ris­tin neben ihr ge­hört.
Ei­gent­lich bin ich ja auch ein­hei­misch, glaubt man mei­nem Pass, aber ich fühle mich fremd und ver­lo­ren, etwas fehl am Platz. Wie­der­um habe ich keine Mühe damit, die Fe­ri­en­gäs­te von den Dorf­be­woh­nern zu un­ter­schei­den. Wahr­schein­lich liegt es auch daran, dass die meis­ten der hie­si­gen Tou­ris­ten Asia­ten sind. Wie Pro­zes­si­ons­rau­pen be­we­gen sie sich fort, und wir be­fin­den uns mit­ten in ihrem Zug.
Läs­sig drehe ich mich ein­mal um 360 Grad, möch­te die Um­ge­bung auf mich wir­ken las­sen und brin­ge dabei die Schar zum Sto­cken. Doch ich achte nicht auf die bösen Bli­cke der Pas­san­ten. Meine Auf­merk­sam­keit gilt ein­zig und al­lein der ver­schnei­ten Berg­ku­lis­se und dem einen, pracht­volls­ten Berg unter ihnen, dem Wahr­zei­chen des Dor­fes, dem Mat­ter­horn, des­sen Spit­ze lei­der von einer Wolke ver­deckt wird. Aber ich werde schon noch in den Ge­nuss kom­men, es in sei­ner vol­len Pracht zu be­wun­dern … bin ja jetzt für eine Weile hier oder gar für immer?
„Es ist nicht mehr weit. Nur noch fünf Mi­nu­ten“, höre ich Co­rin­ne sagen.
Gut. Ich ge­nie­ße noch­mals die Aus­sicht und er­spä­he ein ein­zel­nes ma­jes­tä­ti­sches Haus auf einer An­hö­he. Ein Pa­last mit Blick aufs ganze Dorf. Wow, stau­ne ich und bin ge­ra­de im Be­griff, Co­rin­ne zu fra­gen, was es mit dem Ge­bäu­de auf sich hat, als ich un­frei­wil­lig ge­stoppt werde. Der dünne, vier Zen­ti­me­ter hohe Ab­satz mei­nes Kit­ten Heels hat sich zwi­schen den Pflas­ter­stei­nen ein­ge­hakt. Ich ste­cke fest.
„Ver­dammt!“, flu­che ich so gar nicht la­dy­li­ke. Hätte ich doch bloß die Snea­kers an­ge­zo­gen! Doch alles Rüt­teln ist zweck­los. Es bringt mich nur noch mehr in Schwie­rig­kei­ten. Ich ge­ra­te voll­ends aus dem Gleich­ge­wicht. Plötz­lich ist es, als würde alles um mich herum in Zeit­lu­pe ab­lau­fen. Ich bin mein ei­ge­ner Be­ob­ach­ter, stehe neben mir und kann mir prak­tisch selbst dabei zu­schau­en, wie ich zur Seite kippe. Geis­tes­ge­gen­wär­tig er­greift je­mand mei­nen aus­ge­streck­ten Arm, mit wel­chem ich mich hätte ab­stüt­zen wol­len. Ich pral­le seit­wärts gegen eine star­ke, harte Män­ner­brust. Die sau­be­re Berg­luft ver­mischt sich mit Af­ters­ha­ve und einer be­tö­rend männ­li­chen Duft­no­te. Ver­stoh­len sauge ich noch mehr des herr­li­chen Aro­mas in meine Lun­gen, das meine Sinne be­rauscht und meine Knie weich wer­den lässt. Den fes­ten Stand habe ich ja oh­ne­hin schon ver­lo­ren.
„Hopp­la“, er­tönt eine tiefe, raue Stim­me und jagt einen Schau­der mei­nen Rü­cken hin­un­ter.
Wie kann ein „Hopp­la“, ein ein­fa­cher Aus­druck, den heut­zu­ta­ge kein Mensch mehr be­nutzt, nur so höl­lisch sexy rü­ber­kom­men?
Ich bli­cke, trotz Son­nen­bril­le, schüch­tern zu ihm auf. Die dunk­le Stim­me ge­hört einem at­trak­ti­ven jun­gen Mann, wel­chen ich auf Mitte bis Ende zwan­zig schät­ze. Mei­nem Ret­ter, der mich vor einer un­sanf­ten, pein­li­chen Lan­dung be­wahrt hat. Meine Un­er­fah­ren­heit und meine Schüch­tern­heit las­sen mich er­rö­ten. Au­ßer­dem ist mir meine Un­be­hol­fen­heit un­sag­bar pein­lich. So senke ich scheu mein Haupt, als er vor mich tritt.
Ver­le­gen mus­te­re ich den Schön­ling von unten bis oben. Ein Schlips­trä­ger. Der groß ge­wach­se­ne Typ trägt einen ele­gan­ten schwar­zen Anzug, ein schwar­zes Hemd und eine graue Kra­wat­te. Sein Lä­cheln wirkt ge­quält. Wahr­schein­lich habe ich ge­ra­de sein Chi aus dem Gleich­ge­wicht ge­bracht. Sträh­nen sei­nes wil­den, dun­kel­brau­nen Haa­res, wel­ches er ge­schmei­dig mit den Fin­gern durch­kämmt, fal­len ihm wie­der ins Ge­sicht. Er nimmt die fi­li­gra­ne Pi­lo­ten­bril­le ab, fal­tet sie und steckt einen Bügel in die In­nen­ta­sche sei­nes Ja­cketts. Knapp ober­halb des Knop­fes prangt ein rotes Eti­kett mit den vier gro­ßen Let­tern: H U G O – Hugo Boss.
Sein in­ter­es­sier­ter Blick wan­dert über mei­nen Kör­per, lässt mich tau­meln.
„Ist alles in Ord­nung? Haben Sie sich ver­letzt, Fräu­lein?“, er­kun­digt er sich für­sorg­lich, wäh­rend seine linke Hand mei­nen Arm immer noch fest um­schlun­gen hält.
Seine Schön­heit ver­schlägt mir wort­wört­lich die Spra­che. Durch ein Räus­pern er­hal­te ich meine Stim­me zu­rück. „Ja und nein“, ant­wor­te ich etwas zitt­rig. „Ich habe mir nicht weh­ge­tan, nur …“ Un­gern reiße ich den Blick von sei­nem hüb­schen Ge­sicht los. Ohne die Son­nen­bril­le wäre ich wohl nicht in der Lage ge­we­sen, es so lange zu be­trach­ten. Ich bli­cke zu Boden, auf mei­nen lin­ken Fuß. Mit Ru­ckeln ver­su­che ich mich zu be­frei­en, doch der Ab­satz will sich ein­fach nicht lösen und bleibt fest ver­an­kert. Hilfe!, flehe ich stumm.
So­fort er­kennt er meine miss­li­che Lage. Sein fes­ter Griff wan­dert von mei­nem Un­ter­arm zu mei­ner Hand. Seine Haut kommt mit mei­ner in Kon­takt.
Mmmmh! An­ge­nehm warm und weich. Be­stimmt sind es keine Hände, die hart an­pa­cken müs­sen. Irina! Der Typ trägt einen De­si­gner­an­zug. Der ar­bei­tet si­cher­lich nicht auf dem Bau!, flüs­tert mir meine in­ne­re Stim­me zu.
Durch das Stre­cken sei­nes Arms, wäh­rend er sich vor mir aufs Knie senkt, um mich zu er­lö­sen, tritt seine wohl nicht ge­ra­de bil­li­ge Uhr her­vor. Noch ein Be­weis dafür! Ein­fach alles an ihm schreit: TEUER! Doch ich lasse mich nicht davon blen­den und mein Blick wan­dert wie­der zu die­sem un­heim­lich at­trak­ti­ven, mar­kan­ten Ge­sicht und die­sen Augen, um­ge­ben von fei­nen Lach­fält­chen, die mich einen Au­gen­blick lang von unten her­auf an­strah­len. Meine At­mung gerät kurz ins Sto­cken.
Wel­che Au­gen­far­be er wohl hat? Durch meine Son­nen­bril­le lässt sich das nicht so genau sagen …
Mein Herz klopft wie wild, meine Hand in der sei­nen re­agiert mit einem leich­ten Pri­ckeln in den Fin­ger­spit­zen. Als er er­neut sei­nen Kopf hebt und mich an­lä­chelt, drohe ich zu zer­schmel­zen. Die Hitze, die in mir auf­steigt, bringt meine Wan­gen aber­mals zum Glü­hen, ver­leiht ihnen einen schar­lach­ro­ten Touch. Ich fühle mich fieb­rig.
„Seien Sie nicht ver­le­gen. Stö­ckel­schu­he und Kopf­stein­pflas­ter ver­tra­gen sich ein­fach nicht.“ Er zwin­kert mir zu.
Ver­dammt, er muss meine Röte be­merkt haben. Doch ir­gend­wie be­schleicht mich das Ge­fühl, dass der Frem­de mit mir flir­tet. Einen Atem­zug lang senkt er den Blick. Seine Fin­ger­spit­zen strei­cheln zärt­lich über mei­nen Fuß­rü­cken, bevor die lan­gen Fin­ger mei­nen Knö­chel um­schlie­ßen. Ich er­be­be unter der sach­ten, in­ti­men Be­rüh­rung.
Was er­laubt er sich? Wenn ich nicht ge­fan­gen ge­we­sen wäre, hätte ich ihm einen Tritt ver­passt.
Mein Zit­tern ist ihm eben­falls nicht ent­gan­gen. „Ruhig Blut …“ Mit sanf­ter Stim­me redet er auf mich ein, wie wenn er eine Stute be­sänf­ti­gen möch­te, die beim Hu­fe­aus­krat­zen bockt. In­ner­lich schnau­be ich auf­ge­bracht. Mit ge­schick­tem Ru­ckeln und einer leich­ten Dre­hung ge­lingt es ihm schluss­end­lich, mich zu be­frei­en.
Ich atme er­leich­tert auf, ver­ges­se die Em­pö­rung, die mich so­eben noch ein­zu­neh­men droh­te. „Vie­len Dank“, brin­ge ich ge­ra­de so über die Lip­pen und atme ein­mal tief durch. „Ich soll­te es ei­gent­lich bes­ser wis­sen. Dort, wo ich auf­ge­wach­sen bin, wurde jede noch so klei­ne Gasse damit ge­pflas­tert. Der Tod eines jeden Pfen­ni­gab­sat­zes. Kaum zu glau­ben, dass die Stadt zwölf Jahre lang von einer Frau re­giert wurde … Sorry. Hier habe ich wahr­lich nicht mit Kopf­stein­pflas­ter ge­rech­net.“ Ich be­den­ke mei­nen Hel­den mit einem scheu­en Lä­cheln, denn die­ser plötz­li­che Re­de­fluss, mein Mit­tei­lungs­drang, über­rascht mich.
Der hüb­sche Mann zu mei­nen Füßen rich­tet sich wie­der auf, glät­tet sou­ve­rän sei­nen Anzug und zupft die Ärmel zu­recht. Erst jetzt fällt mein Blick auf den Husky, der ruhig neben sei­nem Herr­chen sitzt. Wow, ein Pracht­ex­em­plar! Wie sein Be­sit­zer!, denke ich mir schmun­zelnd. Mit einer ein­zi­gen ge­schmei­di­gen Be­we­gung er­hebt sich der Hund, schrei­tet auf mich zu und be­ginnt an mei­nen Fin­gern zu le­cken. Ich zucke zu­rück. Es ist ein an­mu­ti­ges, gro­ßes Tier, wel­ches mir Re­spekt ein­flößt. Mein Ret­ter be­merkt meine Un­be­hag­lich­keit und ruft den Husky streng zu­rück.
Hmmm. Wie hat er ihn ge­nannt? Sein Name klingt … nach Whis­key.
„Sorry.“ Mit einem ver­le­ge­nen, doch un­ver­schäm­ten Grin­sen ent­schul­digt er sich und streicht sich hek­tisch mit einer Hand durchs Haar. „Ei­gent­lich ist er Frem­den ge­gen­über eher scheu.“
Sein Haar. Am liebs­ten würde ich auch gleich zu­lan­gen. Ob es sich so weich an­fühlt, wie es aus­sieht?
Ein un­wi­der­steh­li­ches Lä­cheln um­spielt sei­nen Mund.
Sein Mund, seine vol­len Lip­pen. Hier stel­le ich mir die­sel­be Frage. Wie würde es sich an­füh­len, von ihm ge­küsst zu wer­den? Wie würde er schme­cken? Würde sein Drei­ta­ge­bart pik­sen? Meine Haut sich röten, wenn er mit sei­nem Mund quä­lend lang­sam mei­nen Kör­per er­kun­det? Plötz­lich ver­spü­re ich die­ses lust­vol­le Zie­hen in mei­nem Un­ter­leib. Eine in die­sem Aus­maß noch nie da­ge­we­se­ne Sehn­sucht, wie sie in einer ab­ge­schwäch­ten Form nur auf­tritt, wenn ich diese ver­teu­fel­ten ero­ti­schen Ro­ma­ne lese. Meine Re­ak­ti­on auf ihn er­schreckt mich, und als ich mich dabei er­tap­pe, wie ich ihn mit of­fe­nem Mund an­schmach­te, pres­se ich has­tig meine Lip­pen fest auf­ein­an­der.
Wäh­rend er sei­nem Husky kurz über das sam­tig wei­che Fell strei­chelt, er­grei­fe ich die güns­ti­ge Ge­le­gen­heit, Ado­nis noch ein letz­tes Mal ge­nau­er unter die Lupe zu neh­men, ohne die­sen ge­trüb­ten Braun­ton. Ich hebe vor­sich­tig meine Son­nen­bril­le an.
Als hätte er nur dar­auf ge­war­tet, dass ich meine Augen ent­blö­ße, tref­fen sich un­se­re Bli­cke. Das Herz in mei­ner Brust be­ginnt zu flat­tern und droht aus­zu­bre­chen. Der Frem­de zieht mich in sei­nen Bann. Seine Augen wir­ken zwar kalt, was wohl un­wei­ger­lich auf die Farbe der Iris zu­rück­zu­füh­ren ist, aber sie sind wun­der­schön. Sie strah­len in einem sat­ten, küh­len Blau­ton und sind mei­nen sehr ähn­lich.
Mei­ner Au­gen­far­be ohne die läs­ti­gen far­bi­gen Kon­takt­lin­sen!, däm­mert es mir und ich lasse au­gen­blick­lich die Son­nen­bril­le wie­der auf die Nase sin­ken. Nicht ge­ra­de ein flirt­för­dern­der Schach­zug, aber ein Schutz­schild gegen die Au­to­ri­tät, die mir so plötz­lich ent­ge­gen­schlägt. Da liegt ein Aus­druck in sei­nen Augen. Ich be­mer­ke das Krib­beln auf mei­ner Haut und wie sich die Här­chen auf mei­nen Armen auf­rich­ten. Trotz­dem ver­su­che ich mir ein­zu­re­den, dass es be­stimmt auf die un­ge­wohn­te Tem­pe­ra­tur zu­rück­zu­füh­ren ist und nicht auf das plötz­lich so un­heim­lich selbst­si­che­re Auf­tre­ten die­ses Man­nes, das ich als eine Art Schutz­me­cha­nis­mus deute. Eine Maske.
Der Va­ter-Toch­ter-Tag vor fünf Jah­ren kommt mir wie­der in den Sinn. Ich durf­te mei­nen Paps zur Ar­beit be­glei­ten und konn­te mit an­se­hen, wie er einen Sol­da­ten al­lein mit sei­nem stren­gen Blick ent­waff­net hat. So­fern man ein vor­lau­tes, schmut­zi­ges Mund­werk als Waffe be­zeich­nen konn­te …
Das Klin­geln sei­nes Han­dys reißt mich aus mei­nen Ge­dan­ken. Haben wir uns die ganze Zeit nur an­ge­starrt? Als wäre die Zeit ein­ge­fro­ren! Aber nein. Die Men­schen­schar um uns ist nicht ste­hen ge­blie­ben. Nur wir beide sind er­starrt und ern­ten ein miss­mu­ti­ges Mur­ren der vor­bei­ge­hen­den Pas­san­ten.
„Ihr Handy.“
Der Schön­ling sieht mich ent­geis­tert an.
„Ihr Handy klin­gelt“, ver­su­che ich noch ein­mal zu ihm durch­zu­drin­gen und schen­ke ihm ein Lä­cheln.
Er tas­tet sich ab und zieht sein Smart­pho­ne aus der Brus­t­in­nen­ta­sche sei­nes Sak­kos. „Fos­ter … Ver­dammt!“, er­tönt es in einem her­ri­schen, ge­nerv­ten Ton­fall, als er den Anruf ent­ge­gen­nimmt, und es ist, als wäre ich mit einem Kübel kal­ten Was­sers über­gos­sen wor­den. Mein Mund klappt auf. Der äu­ße­re Schein trügt eben doch manch­mal.
„Irina? Irina. Wo bist du?“ Ir­gend­wo in der Men­schen­men­ge ver­neh­me ich Co­rin­nes Rufen.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.