Süße Verführung
von Mona Vara

Er­schie­nen: 03/2009

Genre: His­to­ri­cal Ro­mance, Ro­man­tic Come­dy
Zu­sätz­lich: His­to­ri­cal, Va­nil­la

Lo­ca­ti­on: Eng­land, Sus­sex

Sei­ten­an­zahl: 456 (Über­grö­ße)

Hör­pro­be: Rein­hö­ren

Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-385-9
ebook: 978-3-86495-386-6

Preis:
Print: 14,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Er­hält­lich bei u.a.:

und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Süße Verführung


In­halts­an­ga­be

Die Schot­tin So­phie McIn­tosh hat ihrem Vater schon so man­ches Mal graue Haare ge­kos­tet. Als sie gleich ein gan­zes Berg­werk ein­stür­zen lässt, platzt ihm der Kra­gen! So­phie wird straf­wei­se für ei­ni­ge Mo­na­te nach Süd­eng­land zur stren­gen Fa­mi­lie ihrer Mut­ter ver­bannt.

Doch auch dort steckt sie rasch Hals über Kopf in neuem Ärger: Auf der Suche nach Geis­tern im ver­fal­le­nen "Ma­ri­an Manor" kommt sie einer ganz rea­len Schmugg­ler­ban­de auf die Schli­che, die von Cap­tain Jo­na­than Hend­ricks an­ge­führt wird. So­phie ent­deckt, dass nicht nur ihr Vet­ter Mit­glied der Bande ist, son­dern of­fen­bar auch der un­durch­sich­ti­ge Wüst­ling Lord Ed­ward, der zu So­phies Unmut immer wie­der ihren Weg kreuzt.

Als sie sich auf ihrer Suche nach den Schmugg­lern ver­klei­det wäh­rend einer der Or­gi­en, die von Cap­tain Hend­ricks im "Ma­ri­an Manor" ab­ge­hal­ten wer­den, ein­schleicht, wird So­phie ent­tarnt. Der eben­falls an­we­sen­de Lord Ed­ward er­klärt die ver­dutz­te So­phie kur­zer­hand zu sei­ner Ver­lob­ten, und ehe So­phie weiß, wie ihr ge­schieht, ist aus ihr Lady Har­ring­ton ge­wor­den.
Es dau­ert nicht lange, und So­phie be­fin­det sich in einem ver­wir­ren­den Stru­del aus Ge­fahr, Liebe und süßer Ver­füh­rung ...

Ein ro­man­ti­scher, hu­mor­vol­ler und aben­teu­er­li­cher Re­gen­cy-Ro­man.

Neu­auf­la­ge.

Über die Au­to­rin

Mona Vara schrieb jah­re­lang er­folg­reich ero­ti­sche Lie­bes­ro­ma­ne. Das  Wich­tigs­te beim Schrei­ben war für sie, Fi­gu­ren zum Leben zu er­we­cken, ihnen ganz spe­zi­fi­sche Ei­gen­schaf­ten und Cha­rak­te­re zu geben und ihre Ge­füh­le und Er­leb­nis­se auf eine Art aus­zu­drü­cken, die sie nicht nur...

Wei­te­re Bü­cher der Au­to­rin

Le­se­pro­be

Szene 1

Ed­ward Har­ring­ton hatte die­ses Mal ohne be­son­de­re Ab­sicht den Weg ge­nom­men, der an dem alten Ma­ri­an Manor vor­über­führ­te, und er woll­te schon vor­bei­rei­ten, als er das Schnau­ben eines Pfer­des hörte. Er lenk­te sei­nen Hengst um eine Baum­grup­pe auf das Haus zu und be­merk­te tat­säch­lich eine brau­ne Stute, die etwas vom Haus ent­fernt an einem Pfahl an­ge­bun­den war. Und einen Mo­ment spä­ter wurde sein In­ter­es­se auch schon wie ma­gisch von einem run­den Hin­tern in ob­szön engen Hosen an­ge­zo­gen, die so ge­schnit­ten waren, dass sich die Ba­cken und sogar die Kerbe da­zwi­schen deut­lich ab­zeich­ne­ten.
Der Be­sit­zer so­wohl des Hin­terns als auch...

...​der Hosen knie­te vor einem of­fe­nen Kel­ler­fens­ter und späh­te an­ge­regt hin­ein. Die Jacke war etwas hoch­ge­rutscht, und als der Junge den Kopf hin und her be­weg­te und den Hals streck­te, um bes­ser sehen zu kön­nen, gin­gen seine Hüf­ten auf äu­ßerst pro­vo­kan­te Art und Weise mit.
Ed­ward be­weg­te sich un­be­hag­lich im Sat­tel, als er sich be­wusst wurde, was er da tat: Er gaff­te ge­nie­ße­risch den Hin­tern eines Jun­gen an. Er sah ver­le­gen weg, blick­te aber gleich wie­der hin. Was zum Teu­fel hatte der Knabe beim Kel­ler­fens­ter ver­lo­ren? Aus­ge­rech­net bei die­sem Haus?
Er stieg ab, band sei­nen Hengst au­ßer­halb des Zauns an und be­trat den Gar­ten. Die zart­glied­ri­ge Stute sah ihm ent­ge­gen, schnaub­te leise, aber Ed­ward strich ihr im Vor­über­ge­hen über die Nüs­tern und den Hals. Sie schüt­tel­te die Mähne, ver­hielt sich je­doch ruhig, und Ed­ward blieb mit in die Hüf­ten ge­stemm­ten Hän­den hin­ter dem Kerl­chen ste­hen, des­sen Hin­tern bei nä­he­rer Be­trach­tung noch mehr an Um­fang und Reiz ge­wann. Ed­ward schüt­tel­te über sich selbst den Kopf, als in ihm der ir­ri­tie­ren­de Drang ent­stand, seine Hände auf die­sen ihm ent­ge­gen­ge­streck­ten Kör­per­teil zu legen und dar­über­zu­strei­cheln.
Jetzt er­klang ein un­ter­drück­ter Fluch in einer un­be­kann­ten Spra­che und mit hel­ler Stim­me aus­ge­sto­ßen. Noch ein zwei­ter, dem Ton­fall nach zu ur­tei­len, noch herz­haf­te­rer. Ed­ward über­leg­te noch, wo er ähn­li­che Flü­che schon ge­hört hatte, als der Junge ein wenig zu­rück­rutsch­te. Sein Kopf, der bis­her im Kel­ler­fens­ter ge­steckt hatte, kam zum Vor­schein. Er trug eine Kappe, die, als er sich zu­rück­zog, am Fens­ter­rah­men hän­gen­blieb und neben ihm zu Boden fiel. Lan­ges, hell­brau­nes Haar quoll dar­un­ter her­vor, floss über die Schul­tern und den Rü­cken. Ein aber­ma­li­ger Fluch, dann stopf­ten zwei un­ge­dul­di­ge Hände das dich­te Haar wie­der unter die Kappe und zogen diese so fest über den Kopf, dass sie bis über die Ohren reich­te.
Ed­ward hatte zu­erst über­rascht und dann mit Er­leich­te­rung zu­ge­se­hen. Nun wuss­te er, was an dem Hin­tern nicht stimm­te. Er ge­hör­te einem Mäd­chen! Er grins­te. Diese Pracht in engen Hosen war also weib­li­chen Ur­sprungs. Höchst be­ru­hi­gend, dass sein Ge­schmack nicht durch die vol­len For­men ir­re­ge­lei­tet wor­den war. Ver­mut­lich war sie ir­gend­ei­ne Far­mer­toch­ter aus der Um­ge­bung. Viel­leicht auch eines der Lieb­chen der Kerle, die sich hier – meis­tens nachts – her­um­trie­ben.
Es konn­te ihm gleich­gül­tig sein, was die­ses Kind­chen hier mach­te, aber diese Kehr­sei­te war ein­fach zu ver­lo­ckend, um sich um­zu­dre­hen, auf das Pferd zu stei­gen und weg­zu­rei­ten. Ed­ward hob schon die Hand, um sie ge­nuss­voll klat­schend auf eine die­ser Ba­cken zu plat­zie­ren, als er mit fro­her Vor­ah­nung be­merk­te, dass sich die­ser rei­zen­de Hin­tern rück­wärts in seine Rich­tung be­weg­te. Er hob einen Fuß leicht an. Nur noch ein knap­per Schritt. Noch eine Hand­breit … und dann stieß der Hin­tern an sei­ner Stie­fel­spit­ze an. Genau mit der Ho­sen­naht.
Der dar­auf­fol­gen­de Schrei hätte Tote zum Leben er­we­cken kön­nen. Er er­schreck­te die brau­ne Stute, die zur Seite tän­zel­te, und ließ sogar Ed­ward zu­sam­men­zu­cken. Aber der An­blick, wie die Klei­ne wie von der Ta­ran­tel ge­sto­chen wie­der nach vorne schoss, sich dabei dreh­te, hin­ten­über­pur­zel­te, auf die­sem süßen Hin­tern noch pa­nisch ei­ni­ge Schrit­te weg­rutsch­te, und wie sich dabei ihre Jacke öff­ne­te, war nicht schlecht. Ed­wards Blick blieb ei­ni­ge Herz­schlä­ge lang an zwei run­den, sich er­freu­lich deut­lich ab­zeich­nen­den For­men ruhen, bis er dem Mäd­chen wie­der ins Ge­sicht sah. Er be­schloss das Spiel noch ein wenig aus­zu­deh­nen.
„Hallo, Ben­gel­chen“, mein­te er gut ge­launt. „Wor­auf hast du es ab­ge­se­hen? Mar­me­la­de oder Schin­ken?“ Er für sei­nen Teil ten­dier­te in die­sem Mo­ment sin­ni­ger­wei­se eher zu Schin­ken.
Sie rang nach Atem, ihr Busen wogte unter dem dün­nen Her­ren­hemd, und die schö­nen Augen waren weit auf­ge­ris­sen.
Er beug­te sich zu ihr und hielt ihr die Hand hin. „So haben mein Bru­der und ich uns immer als Kin­der an­ge­schli­chen, wenn wir aus­spio­nie­ren woll­ten, ob die Luft auf dem Weg zur Vor­rats­kam­mer rein war.“
Sie sah ohne sich zu rüh­ren auf seine Hand. Er nick­te ihr auf­mun­ternd zu. „Ich helfe dir beim Auf­ste­hen.“
Sie mach­te eine ab­weh­ren­de Be­we­gung, aber Ed­ward griff ein­fach nach ihrem Arm, hielt sie fest, ob­wohl sie sich los­rei­ßen woll­te, und zog sie hoch. Als sie dann stand, fiel es ihm schwer, sie wie­der los­zu­las­sen. Seine Hand glitt ab­wärts, bis er nur noch ihre Fin­ger hielt. Er be­trach­te­te sie. Erdig waren sie jetzt, die Fin­ger­nä­gel schmut­zig wie bei einem Jun­gen. Aber schmal und schlank; sehr weich die Haut, als er spie­le­risch und zärt­lich zu­gleich mit sei­nem Dau­men dar­über­strei­chel­te.
„Einer von uns hat immer auf­ge­passt, und der an­de­re ist in die Vor­rats­kam­mer ge­stürmt und hat mit­ge­hen las­sen, was unter die Jacke pass­te“, sprach er wei­ter. „Lass mal sehen, was du ver­steckt hast. Er hob die Jacke an und be­trach­te­te wohl­ge­fäl­lig den An­blick dar­un­ter.
Sie ent­riss ihm en­er­gisch ihre Hand, sprang einen Schritt zu­rück und zog sich die Jacke vor dem Kör­per zu­sam­men. „Was …“, fing sie an. Sie war zwar immer noch er­schro­cken, aber in den fun­keln­den Augen er­kann­te Ed­ward den auf­kei­men­den Ärger.
So leicht kam sie ihm nicht davon.
„Du bist si­cher schmut­zig ge­wor­den, Klei­ner.“ Er nahm sie an den Schul­tern und dreh­te sie, ehe sie vor Über­ra­schung noch auf die Idee kam sich zur Wehr zu set­zen, herum, bis sie ihm den Rü­cken zu­wand­te. Kein Gen­tle­man wäre auf die Idee ge­kom­men, einer Dame dabei be­hilf­lich zu sein, Erd­krü­mel von ihrer Kehr­sei­te zu put­zen, aber zum einen war die­ser fal­sche Ben­gel be­stimmt keine Dame, und zum an­de­ren schrie diese au­ßer­ge­wöhn­li­che Ge­le­gen­heit ge­ra­de­zu da­nach, sich die­sen Le­cker­bis­sen nicht ent­ge­hen zu las­sen.
Sie hielt vor Ver­blüf­fung einen Mo­ment lang still, als Ed­wards Hand ge­nie­ße­risch Be­kannt­schaft mit ihrem Hin­ter­teil mach­te, dann sprang sie einen Satz nach vorn, fuhr herum und fun­kel­te ihn, ihren Hin­tern mit bei­den Hän­den be­de­ckend, böse an. „Was fällt Ihnen ein!?“
Er hob un­schul­dig die Hände. „Ich woll­te dir nur hel­fen, wie­der sau­ber zu wer­den, Ben­gel­chen.“
Fest und rund. Ge­nau­so hatte er es sich ge­dacht, und ge­nau­so lieb­te er es auch. Per­fekt. Lud dazu ein, den stö­ren­den Stoff zu ent­fer­nen und die­ses Hin­ter­teil mit Hän­den und Mund in Be­sitz zu neh­men. Er war selbst über­rascht über die Hef­tig­keit, mit der ihn das Ver­lan­gen da­nach pack­te und ihm die Hitze vor allem in seine in­tims­ten Kör­per­tei­le trieb.
Aber warum sich be­herr­schen? Ein Mäd­chen, das in sol­cher Klei­dung her­um­lief, war be­stimmt kein Kind von Trau­rig­keit. Er ver­such­te ihr Alter zu schät­zen. Zwan­zig? Viel­leicht ein Jahr jün­ger oder älter.
Sie hatte sich in der Zwi­schen­zeit von dem Schre­cken er­holt. „Wer sind Sie denn über­haupt?! Was fällt Ihnen ein, mir hier auf­zu­lau­ern und mich … mich ab­zu­tät­scheln!!! Ich bin kein Junge!“
Ed­ward tat über­rascht. „Ach nein? Lass mich nach­schau­en.“
„Nein!“ Sie woll­te zu ihrem Pferd, aber er fing sie ein und dreh­te sie herum, so­dass sie wie­der mit dem Rü­cken zu ihm stand.
„Nicht so schnell. So haben wir nicht ge­wet­tet. Zu­erst wirst du mir sagen, was du hier zu su­chen hast.“
Sie war über­ra­schend kräf­tig, aber Ed­ward wuss­te, wie man mit der­ben Ker­len um­ging, ganz zu schwei­gen von einem schlan­ken Mäd­chen, das ihm ge­ra­de bis zur Nase reich­te. Er war immer mehr und mehr davon über­zeugt, dass sie zu Jo­na­than Hend­ricks Bande ge­hör­te.
„Das geht Sie einen … einen … nichts an! Und nun las­sen Sie mich so­fort los!“ Jetzt klang etwas Panik mit.
„Ich tue dir nichts“, be­schwich­tig­te er sie. Ein hys­te­ri­sches Frau­en­zim­mer, das Zeter und Mor­dio schrie war nicht das, was ihm vor­schweb­te. Er woll­te ja nicht viel von ihr. Nur die­sen run­den Hin­tern etwas spü­ren, noch ein­mal dar­über­strei­cheln und dann als Drauf­ga­be diese vol­len Lip­pen küs­sen.
Er fass­te nach ihren Hand­ge­len­ken, bog sie nach vorn und fes­sel­te sie zu­gleich mit sei­nem Arm, wäh­rend er sie mit dem Rü­cken eng an seine Brust press­te. Das Mäd­chen fühl­te sich wirk­lich gut an. Weich und rund an den rich­ti­gen Stel­len. Seine freie Hand tas­te­te sich auf­wärts, um­fass­te eine die­ser Brüs­te, mas­sier­te sie. Sie trug nur ein leich­tes Mie­der unter dem Her­ren­hemd, und er konn­te die Run­dung und die Er­he­bung in der Mitte fast so leicht er­tas­ten, als wäre sie nackt ge­we­sen. „Tat­säch­lich … ein Mäd­chen.“
„So­fort los­las­sen! Ver­schwin­den Sie!“ Sie zap­pel­te wie ver­rückt, ver­such­te zu tre­ten.
Er zog sie noch etwas enger, neig­te den Kopf, ließ sie sei­nen Atem an ihrer Wange und ihrem Hals und seine wach­sen­de Er­re­gung an ihrem Hin­ter­teil spü­ren. „Her­aus mit der Spra­che, was hast du hier ver­lo­ren? Woll­test du ein­bre­chen?“ Der runde Hin­tern press­te sich an sei­nen Un­ter­leib. Das war nicht schlecht. Zu scha­de, dass es nicht seine Art war, ein­fach über sol­che Mäd­chen her­zu­fal­len. Die Vor­stel­lung, ihr zu be­feh­len, sich mit den Hän­den an der Mauer ab­zu­stüt­zen, und ihr dann lang­sam diese Hose hin­un­ter­zu­zie­hen, hatte etwas für sich. „Nun, re­dest du oder soll ich erst …“
Ihre Ant­wort be­stand aus einem wil­den Fau­chen. „Was geht Sie das an?! Und hören Sie ge­fäl­ligst auf, mich zu duzen! Sie … Sie Wi­der­ling. Sie ab­scheu­li­cher …“
„Bin ich denn wirk­lich so ab­scheu­lich …?“
Sie er­starr­te, als er sich noch enger an sie dräng­te, sich an ihr rieb. Und dann wurde sie plötz­lich in sei­nen Armen schlaff. Ihr Kopf fiel nach vorn, und ihre Knie gaben nach.
Ed­ward fass­te sie er­schro­cken fes­ter, als sie in sich zu­sam­men­sank. Ohn­mäch­tig! Das hatte er nicht er­war­tet! Er ließ ihre Hand­ge­len­ke los, woll­te sie her­um­dre­hen, sie unter den Knien fas­sen, um sie hoch­zu­he­ben und zu einem sau­be­ren Ra­sen­stück zu tra­gen, als sie, kaum dass sie frei war, mit einem Mal wie­der le­ben­dig wurde. Im nächs­ten Mo­ment wir­bel­te sie herum, er fühl­te eine klei­ne Faust in sei­nem Magen, eine an­de­re an sei­nem Kinn, und dann wurde er so kräf­tig zu­rück­ge­sto­ßen, dass er tau­mel­te.
Halb be­nom­men – mehr vor Über­ra­schung als von den Schlä­gen – sah er ihr nach, als sie zu ihrem Pferd stürm­te, die Zügel löste und auf­sprang. Sie wen­de­te ihr Pferd, starr­te ihn dro­hend an und zisch­te: „Lauf mir nie wie­der über den Weg, du dre­cki­ger Sas­se­nach!“
Als er in ihre fun­keln­den Augen sah, dach­te er schon, sie würde ver­su­chen ihn nie­der­zu­rei­ten, aber da ließ sie ihre Stute eine ele­gan­te Kehrt­wen­dung auf der Hin­ter­hand ma­chen und ga­lop­pier­te durch das of­fe­ne Tor und den Wald­weg ent­lang.
Ed­ward sah zu sei­nem Hengst, der un­ru­hig den Kopf zu­rück­warf und sich los­zu­rei­ßen ver­such­te. Se­kun­den­lang über­leg­te er, ob er ihr nach­rei­ten soll­te, aber dann zog er nur sei­nen Reit­an­zug zu­recht, rieb sich sein Kinn und trat zu dem Fens­ter, durch das sie ge­schaut hatte. Er zog es wie­der zu, ging zu sei­nem Pferd und stieg eben­falls auf. Dann ritt er lang­sam davon.
Sas­se­nach. Ed­ward lach­te leise. Er hatte tat­säch­lich eine Schot­tin beim Ein­bre­chen er­wischt. Und sie hatte ihn rein­ge­legt, ihm sogar Faust­schlä­ge ver­passt. So ein klei­nes Luder. Ed­ward grins­te, als er aber­mals nach sei­nem Kinn tas­te­te. Das Mäd­chen ge­fiel ihm, und er hatte nicht vor, es auf die­sem einen Tref­fen be­ru­hen zu las­sen. Jetzt muss­te er sich nur noch um­hö­ren, wo sich zur­zeit eine Schot­tin in East­bourne auf­hielt. Die Klei­ne war kein Bau­ern­mäd­chen, das war ihm jetzt klar. Dazu war das Pferd zu kost­bar und ihre Aus­spra­che trotz aller … nun … Deut­lich­keit und mit­samt dem klei­nen Ak­zent zu ge­wählt.
Ed­ward be­gann leise zu pfei­fen, als er lang­sam den Weg ent­lan­gritt, auf dem sie da­von­ge­stürmt war. Das konn­te eine in­ter­es­san­te Be­kannt­schaft wer­den.

Szene 2

„Ihr soll­tet von dort ver­schwin­den“, sagte Ed­ward ver­är­gert. „Sie wird wie­der hin­rei­ten. Die Fuß- und Wa­gen­spu­ren haben sie miss­trau­isch ge­macht.“
Jo­na­than zog eine Gri­mas­se. „Die­ser Narr Henry ist of­fen­bar nicht in der Lage, sie davon ab­zu­hal­ten. Das kann aber äu­ßerst un­ge­sund für sie wer­den.“ Er schlen­der­te an Ed­ward vor­bei, dann sagte er über die Schul­ter: „Wirst du wirk­lich mit Sir Wins­ton dar­über spre­chen?“ Als Ed­ward nicht ant­wor­te­te, wand­te er sich um.
Ed­ward er­wi­der­te kalt sei­nen Blick. „Das kommt dar­auf an, Jo­na­than. Ich bin nicht Teil dei­nes Spie­les und ich werde keine Rück­sicht dar­auf neh­men.“ Er ging an Cap­tain Hend­ricks vor­bei und be­trat den Ball­saal. Er hatte ge­se­hen, dass Au­gus­ta Bai­ley sich zu So­phie ge­stellt hatte, auf sie ein­sprach, und wie diese ab­weh­rend beide Hände hob und vor Schreck ihren Fä­cher fal­len ließ. Dann kam noch Lady Eli­sa­beth hinzu.
Seine Augen wur­den schmal. Was ging denn da wie­der vor?
„Mrs. Sum­mers wäre be­stimmt ganz ent­zückt, ein schot­ti­sches Lied zu hören“, hörte er Au­gus­ta in einem süß­li­chen Ton sagen, als er un­auf­fäl­lig näher kam.
„Eine wirk­lich be­zau­bern­de Idee, meine Liebe“, misch­te sich Lady Eli­sa­beth ein. Sie wand­te sich an Mrs. Sum­mers, und Ed­ward konn­te dem Ge­spräch ent­neh­men, dass So­phies Ge­sangs­ein­la­ge so gut wie be­schlos­sen wurde.
So­phie war auf­ge­sprun­gen und zerr­te an dem Kleid ihrer Cou­si­ne, um ihre Auf­merk­sam­keit zu er­lan­gen. „Ich werde nicht sin­gen“, flüs­ter­te sie ent­setzt. „Au­gus­ta, hör bitte auf damit! Das kommt über­haupt nicht in Frage.“
„Sei nicht so ängst­lich! Was soll denn schon pas­sie­ren?“
„Dass die Leute fort­lau­fen“, ächz­te So­phie. „Ich habe es dir schon ge­sagt: ich kann nicht sin­gen!“
„Ach was!“, fiel jetzt Lady Eli­sa­beth ein. Sie mach­te eine en­er­gi­sche Be­we­gung. „Nimm dich zu­sam­men. So schlecht kann deine Aus­bil­dung auch wie­der nicht ge­we­sen sein. Viel er­war­tet man zwar nicht, aber du wirst ja hof­fent­lich noch ein paar Töne an­ein­an­der­rei­hen kön­nen. Au­ßer­dem habe ich Mrs. Deck­field ge­sagt, dass du ein schot­ti­sches Lied sin­gen wirst, und Mrs. Sum­mers freut sich schon dar­auf. Du weißt ja, dass sie mit einem Schot­ten ver­hei­ra­tet war.“
Au­gus­ta ließ ihren Blick ab­fäl­lig über So­phie schwei­fen. „Es ist nur scha­de, dass du dein an­de­res Kleid rui­niert hast. So siehst du etwas arm­se­lig aus.“
„Ich habe mein Kleid nicht rui­niert!“, be­gehr­te So­phie auf. „Zu­min­dest ist es nicht von selbst hän­gen ge­blie­ben und zer­ris­sen! Du bist drauf­ge­tre­ten! Du hast das ab­sicht­lich ge­macht!“
„Wie kannst du dich un­ter­ste­hen!“ Au­gus­ta fuhr So­phie böse an, woll­te noch etwas hin­zu­fü­gen, aber in die­sem Mo­ment spiel­te die Ka­pel­le einen Tusch, und alle sahen auf die Gast­ge­be­rin, die in die Mitte des Rau­mes trat. Au­gus­ta ge­sell­te sich mit einem strah­len­den Lä­cheln zu ihr und zog die wi­der­stre­ben­de und blas­se So­phie mit sich.
„Miss Au­gus­ta Bai­ley wird mei­ner Mut­ter und mei­nem ver­stor­be­nen Vater zu Ehren nun ein ganz be­son­de­res Stück auf dem Kla­vier spie­len“, ver­kün­de­te Mrs. Deck­field freu­dig. „Ein schot­ti­sches Volks­lied, zu dem Miss So­phie McIn­tosh sie be­glei­ten wird.“ Sie klatsch­te in die Hände, die an­de­ren An­we­sen­den taten es ihr nach, und alle Augen rich­te­ten sich teils er­war­tungs­voll, teils ge­lang­weilt auf So­phie und Au­gus­ta. Au­gus­ta tat sehr wich­tig, such­te in den No­ten­blät­tern, wäh­rend So­phie wie er­starrt da­ne­ben­stand und ängst­lich in die Menge guck­te.
Ed­wards Blick hatte das ver­schreck­te, blei­che Ge­sicht der klei­nen Schot­tin kei­nen Mo­ment los­ge­las­sen. Des­halb also die­ses alte Kleid­chen. Er zwei­fel­te kei­nen Au­gen­blick daran, dass Au­gus­ta Bai­ley durch­aus in der Lage ge­we­sen war, dem Mal­heur etwas nach­zu­hel­fen. Er trat neben So­phie, die sich lang­sam aus der Er­star­rung löste und ver­zwei­felt nach allen Sei­ten sah – of­fen­bar auf der Suche nach einem Flucht­weg.
Er beug­te sich ein wenig zu ihr, als alle Augen und die ge­sam­te Auf­merk­sam­keit auf Au­gus­ta ge­rich­tet waren. „Was ist denn?“ Ed­ward hatte nur eine un­be­stimm­te Ah­nung, wes­halb er sich ein­misch­te. Es war wohl so eine Art Rit­ter­lich­keit. Viel­leicht ein vä­ter­li­ches Ge­fühl, das … nein, nicht vä­ter­lich. Das am al­ler­we­nigs­ten.
„Ich soll sin­gen!“
„Und?“
„Ich kann das aber doch nicht!“ Ed­ward hätte bei dem ver­zwei­fel­ten Ton ge­grinst, hät­ten nicht schon Trä­nen in den gro­ßen Augen ge­stan­den. Das Mäd­chen war wirk­lich eine selt­sa­me Mi­schung aus Keck­heit und Ängst­lich­keit. „Au­ßer­dem sieht mich dann jeder an. Und die­ses Kleid ist so alt und gar nicht an­ge­mes­sen.“ Sie sah an sich herab. „Au­gus­ta hat … mein Ball­kleid hat beim Ein­stei­gen in die Kut­sche einen Riss be­kom­men, und ich muss­te mich um­zie­hen.“
Ed­ward lä­chel­te sie auf­mun­ternd an. „Das sieht doch sehr hübsch aus. Hüb­scher als die auf­ge­putz­ten Roben der meis­ten an­de­ren Damen.“ Zu­min­dest war in sei­nen Augen der In­halt des Klei­des den meis­ten an­de­ren weit über­le­gen. „Sie kön­nen mir ruhig glau­ben, Ben­gel­chen. Hm.“ Er rieb sich das Kinn. „Es scheint so, als müss­ten wir uns etwas ein­fal­len las­sen.“
„Sie wol­len mir hel­fen?“ Ihr Blick wurde hoff­nungs­voll.
„Ja, las­sen Sie mich nach­den­ken.“ Viele Mög­lich­kei­ten, So­phie heil aus die­ser Si­tua­ti­on zu be­kom­men, ohne die Gast­ge­be­rin zu bla­mie­ren, gab es ver­mut­lich nicht.
So­phie be­gann zu zap­peln, dabei ängst­lich zu Au­gus­ta hin­über­schie­lend, die von einer der äl­te­ren Damen in ein Ge­spräch über No­ten­schrif­ten ge­zo­gen wor­den war. „So den­ken Sie doch schnel­ler. Sie wird jeden Mo­ment an­fan­gen zu spie­len.“
„Drän­gen Sie mich nicht so“, wies er sie zu­recht. „Au­ßer­dem …“, sie tat ihm leid, aber er konn­te es sich nicht ver­knei­fen, sie nicht doch zu ne­cken. Sie war so rei­zend in ihrer Em­pö­rung. Sein Blick glitt von ihrem leicht ge­öff­ne­ten Mund über ihren Hals und zu ihrem ver­hüll­ten De­kol­leté und wie­der zu­rück, blieb an den Lip­pen hän­gen. „Au­ßer­dem hat das na­tür­lich sei­nen Preis.“
„Preis?!“
Er tat, als würde er über­le­gen. „Viel­leicht einen Kuss. Ja, das ist an­ge­mes­sen: einen Kuss für meine Hilfe.“
Der köst­li­che Busen hob sich. „Das … das kommt ja nicht in Frage! Sie sind ein …“
„Ein Gen­tle­man, ich weiß. Mein An­ge­bot ist sehr groß­zü­gig – ich hätte auch zwei ver­lan­gen kön­nen. Also, ent­schei­den Sie sich. Aber tun Sie es leise, die Leute sehen schon her.“
So­phie blick­te halb zor­nig, halb ängst­lich um sich. Ihr Mie­nen­spiel ent­zück­te Ed­ward. „Gut“, stieß sie end­lich her­vor. „Brin­gen wir es hin­ter uns.“ Sie holte tief Luft und hob ihm das Ge­sicht ent­ge­gen, Augen und Lip­pen fest zu­sam­men­ge­knif­fen.
Ed­ward hatte Mühe, seine Über­ra­schung zu ver­ber­gen. Die­ses Mäd­chen er­staun­te ihn immer wie­der. Er hätte sei­nen bes­ten Port­wein dar­auf ver­wet­tet, dass sie ent­rüs­tet ab­lehn­te. Dass sie zu­stimm­te, löste eine un­er­war­te­te Re­ak­ti­on in sei­nem Kör­per aus, die in sei­nem Kopf be­gann und in sei­nem Schritt en­de­te. Er sah fas­zi­niert auf die zu­sam­men­ge­press­ten Lip­pen. Wie gerne wäre er jetzt mit ihr al­lei­ne ge­we­sen. Er konn­te es kaum er­war­ten, diese Lip­pen mit sei­nen zu er­wei­chen, so lange und zart dar­über zu strei­cheln, bis sie den grim­mi­gen Aus­druck ver­lo­ren, und sie dann be­däch­tig und ge­nuss­voll mit sei­ner Zunge zu öff­nen, bis sie ihm er­laub­te, sie tie­fer zu kos­ten. Der Wunsch stieg in ihm hoch, sie dann noch wei­ter zu er­for­schen. Bei ihrem Mund zu be­gin­nen und sich mit den Lip­pen hin­un­ter­zu­ar­bei­ten, über diese vom Tuch ver­deck­ten Brüs­te, bis ganz nach unten. Ihm wurde heiß bei dem Ge­dan­ken. Er at­me­te tief durch und wisch­te sich über die Stirn. Schweiß­per­len. Er ließ sich viel zu sehr gehen.
„Nicht hier, So­phie. Das wäre nicht an­ge­mes­sen.“ Wahr­haf­tig nicht. „Den Zeit­punkt werde ich be­stim­men.“ Und er würde ihn aus­kos­ten, da konn­te sie si­cher sein. So­phie mach­te die Augen wie­der auf. Sie wirk­te er­leich­tert und … ent­täuscht?
„Jetzt müs­sen wir uns um Ihr Pro­blem küm­mern“, stell­te Ed­ward mit ge­spiel­ter Nüch­tern­heit fest. „Kön­nen Sie tan­zen?“
„Das wis­sen Sie doch.“ So­phie wurde lang­sam un­ge­dul­dig. Die Zeit ver­rann, Au­gus­tas Fin­ger hin­gen dro­hend über den Kla­vier­tas­ten, und die­ser Mensch hatte immer noch keine Lö­sung. Es war selt­sam, dass sie sich trotz­dem si­che­rer fühl­te, seit er neben ihr stand. Aus­ge­rech­net bei einem Mann, der nichts an­de­res im Kopf hatte, als an ihr her­um­zu­tät­scheln und sie sogar mit einem Kuss zu er­pres­sen.
„Nein, nicht diese eng­li­schen Ball­tän­ze“, mein­te er ruhig. „Einen schot­ti­schen Tanz.“
So­phie blin­zel­te ver­wirrt. „Ja, na­tür­lich.“
„Wes­halb tan­zen Sie dann nicht, an­statt zu sin­gen?“
Sie sah ihn mit of­fe­nem Mund an. „Ja … geht das denn?“
„Lady Sum­mers würde oh­ne­hin kaum etwas ver­ste­hen, wenn Sie sin­gen. Und Ihrer Cou­si­ne Au­gus­ta kann es schließ­lich gleich­gül­tig sein, ob sie Sie zum Tanz oder zum Ge­sang be­glei­tet.“
„Aber dazu brau­che ich zu­min­dest eine zwei­te Per­son, die mit mir tanzt.“
„Die Sie hier­mit vor sich sehen. War­ten Sie, das haben wir gleich.“ Er wand­te sich um und setz­te sein char­man­tes­tes Lä­cheln auf. „La­dies und Gen­tle­men, wie mir Miss So­phie so­eben ge­stan­den hat, ist sie heute lei­der stimm­lich in­dis­po­niert. Des­halb habe ich vor­ge­schla­gen, dass sie statt­des­sen, um un­se­re ver­ehr­te Mrs. Sum­mers“, er ver­neig­te sich vor der alten Dame, die die Hand hin­ter das Ohr ge­legt hatte und freu­dig er­regt her­über­sah, „zu ehren, einen ech­ten schot­ti­schen Tanz dar­bie­tet. Und ich habe das Ver­gnü­gen, sie dabei be­glei­ten zu dür­fen.“
Er ver­neig­te sich leicht vor So­phie. „Darf ich bit­ten?“
Die an­de­ren Gäste hat­ten die Tanz­flä­che ge­räumt, und So­phies Lip­pen zuck­ten, als er sie wei­ter in die Mitte des Rau­mes führ­te. „In­dis­po­niert? Sagt man hier­zu­lan­de so dazu, wenn je­mand schreit wie ein hei­se­rer Esel?“
Ed­ward konn­te nicht an­ders. Er warf den Kopf zu­rück und lach­te. Die­ser Abend mach­te ihm wahr­haf­tig Spaß. Er fühl­te sich wie­der jung und über­mü­tig, als wären die ver­gan­ge­nen Jahre, James Tod und die Um­stän­de, die dazu ge­führt hat­ten, aus­ge­löscht. Er wisch­te sich noch die Lach­trä­nen aus dem Au­gen­win­kel, als Au­gus­ta schon in die Tas­ten griff. Der Ve­he­menz nach zu ur­tei­len war sie wü­tend. Aber das war ihm im Mo­ment gleich­gül­tig. Er würde sich spä­ter op­fern, mit Au­gus­ta tan­zen und sie be­schwich­ti­gen. Die Aus­sicht auf einen Kuss von So­phies Lip­pen war sogar das wert.

Szene 3

Als Henry in die Kut­sche stei­gen woll­te, stand So­phie neben ihm.
„Du gehst noch aus?“
„Zu einer … einem F… Fest“, kam es zö­gernd.
So­phie run­zel­te die Stirn. Nie­mand hatte ihr von einem Fest er­zählt. Üb­li­cher­wei­se hätte Tante Eli­sa­beth eben­falls eine Ein­la­dung er­hal­ten müs­sen, wie bei allen Ver­an­stal­tun­gen in die­ser Stadt. Von denen es oh­ne­hin nur we­ni­ge gab, da East­bourne zwar den Sta­tus eines ge­pfleg­ten Ba­de­or­tes in­ne­hat­te, sich die meis­ten Fest­lich­kei­ten je­doch in Brigh­ton ab­spiel­ten, wo der Prinz­re­gent weil­te, wenn er sich in Sus­sex auf­hielt.
„B… bei Cap­tain Hend­ricks. Es ist wirk­lich nur ein Fest, sonst nichts“, setz­te Henry hinzu.
Nun wun­der­te sich So­phie nicht, dass Tante Eli­sa­beth keine Ein­la­dung er­hal­ten hatte. Pirat Hend­ricks be­weg­te sich na­tür­lich in an­de­ren Krei­sen. So­phie er­kann­te je­doch auch so­fort die Mög­lich­keit, die sich ihr hier bot. Bei einem Fest konn­te sie be­stimmt un­auf­fäl­lig mit Hend­ricks spre­chen. Vor sei­nen Gäs­ten konn­te er sie weder be­dro­hen, noch sonst einen Skan­dal aus­lö­sen.
Henry staun­te nicht schlecht, als er in die Kut­sche stieg und be­merk­te, dass hin­ter ihm Röcke ra­schel­ten. Dann er­fass­te ihn ein zar­ter Duft, und ein ent­schlos­se­nes Paar Hände schob ihn wei­ter, als er mit­ten in der Kut­schen­tür stock­te und über die Schul­ter zu­rück­sah.
„Lass mich rein, Henry.“
„Was willst du denn?“ Er moch­te seine Base, be­wun­der­te sogar ihre Ent­schlos­sen­heit, aber die Ver­an­stal­tung zu der er ge­la­den – oder eher be­foh­len wor­den war – war nichts für eine junge, un­ver­hei­ra­te­te Frau. Und schon gar nicht für diese! Er würde So­phie nur in Ge­fahr brin­gen.
„Ich fahre mit!“
„Nein! Das ist nur etwas für Män­ner. Cap­tain Hend­ricks lädt manch­mal …“ Er be­en­de­te den Satz nicht, da es ihm ge­lun­gen war, So­phie weg­zu­drän­gen und die Kut­schen­tür vor ihrer Nase zu­zu­schla­gen. Er hielt innen den Griff fest, wäh­rend sie drau­ßen zerr­te. „Kut­scher! Los geht’s!“ Hek­tisch klopf­te er mit sei­nem Stock gegen das Dach der Kut­sche, die Pfer­de zogen an, er sah durch das Fens­ter, dass So­phie los­las­sen muss­te und zwei Schrit­te zur Seite stol­per­te. Er sank er­leich­tert in den Sitz zu­rück. Das hätte ihm ge­ra­de noch ge­fehlt! So­phie bei einer von Jo­na­than Hend­ricks Or­gi­en!
So­phie sah der ab­fah­ren­den Kut­sche grim­mig nach, dann öff­ne­te sie den Mund, um Henry etwas nach­zu­brül­len, aber am Ende über­leg­te sie es sich an­ders. Sie hob ihre Röcke und rann­te los. Als die Kut­sche um die Ecke der Stra­ße bog und lang­sa­mer wurde, ge­lang es ihr, einen der Hal­te­grif­fe zu er­wi­schen, an denen sich die hin­ten ste­hen­den La­kai­en fest­hiel­ten. Ein Sprung, sie zog sich hoch, ver­fing sich mit ihren Rö­cken, es gab ein un­schö­nes Ge­räusch, als der Saum riss, aber dann war sie oben und klam­mer­te sich fest. Sie at­me­te schnel­ler, zit­ter­te ein biss­chen vor Auf­re­gung, aber jener an­de­re, dunk­le Teil von ihr – der­je­ni­ge, der in alten Berg­wer­ken nach Gold such­te und Schmugg­ler be­lausch­te – ju­bel­te laut auf.
Sie fuh­ren die Haupt­stra­ße ent­lang, dann bogen sie in eine schmä­le­re Stra­ße ein, und end­lich rum­pel­te die Kut­sche über einen Feld­weg und durch einen Wald. So­phie merk­te, wie ihre Knie mit der Zeit durch die un­ge­wohn­te Hal­tung und den un­ebe­nen Boden zu beben be­gan­nen. Sie woll­te wahr­lich nicht mit den La­kai­en tau­schen, die sonst hin­ten stan­den und durch­ge­schüt­telt wur­den.
Als die Kut­sche dann je­doch in einen Weg ein­bog, der So­phie nur zu be­kannt war, be­gann ihr die Sache un­heim­lich zu wer­den. Sie kamen an der Stel­le vor­bei, wo sie Ro­sa­lind ein wenig ab­seits an­ge­bun­den ge­habt hatte. Wo Har­ring­ton sie ge­küsst hatte. So­phies Herz schlug schnel­ler – sie konn­te nur nicht sagen, ob es aus Angst war oder auf­grund der Er­in­ne­rung an seine Lip­pen, sei­nen Atem, sei­nen Kör­per. Sie leck­te sich über die Lip­pen, als wäre da noch sein Ge­schmack. War es wirk­lich Lord Ed­ward ge­we­sen? Sie schluck­te, klam­mer­te sich fes­ter an die Hal­te­grif­fe, weil ihr plötz­lich schwind­lig wurde.
Durch­at­men. Das nütz­te ihr noch jedes Mal. Auch jetzt half es. So­phie konn­te wie­der leich­ter den­ken. Sie waren also zu ihrem Haus un­ter­wegs. Kein Wun­der, dass Henry nicht ge­wollt hatte, dass sie mit­kam. Die Kut­sche nä­her­te sich Ma­ri­an Manor. Nur noch ein­hun­dert Meter. Was soll­te sie nur tun? Ab­sprin­gen und sich ver­ste­cken? Sie waren zwei­fel­los nicht zu einer Ge­sell­schaft un­ter­wegs, wie Henry das be­haup­tet hatte, son­dern zu einem Schmugg­ler­tref­fen!
Sie hatte je­doch zu lange ge­zö­gert. Die Kut­sche rum­pel­te auf das Ei­sen­tor zu, fuhr hin­durch. Jetzt konn­te sie nicht mehr ab­sprin­gen und sich in die Bü­sche schla­gen. La­ter­nen brann­ten am Park­tor. An­de­re Kut­schen war­te­ten, Kut­scher und La­kai­en stan­den herum. War es tat­säch­lich eine Fest­lich­keit?
Als sie hiel­ten, konn­te So­phie einen Aus­ruf der Über­ra­schung nicht un­ter­drü­cken. Wie ver­än­dert doch das Haus aus­sah! Alle Fens­ter waren hell er­leuch­tet, Fa­ckeln und Lam­pen war­fen wilde Schat­ten auf Hof und die Fas­sa­de. Zwei Die­ner stan­den neben dem Ein­gang.
Henry traf bei­na­he der Schlag, als er aus der Kut­sche stieg und sich So­phie ge­gen­über sah, die eben­falls ab­ge­sprun­gen war. „So­phie … was tust du hier?!“
Sie strich sich ihre Röcke glatt, fuhr durch ihre zer­zaus­ten Lo­cken, und als ihr Blick auf Henry traf, mach­te er einen Schritt zu­rück. Die fun­keln­den Augen, die zu­sam­men­ge­press­ten Lip­pen ver­hie­ßen nichts Gutes. So­phie war zwar noch ein wenig klei­ner als er und von zar­ter Sta­tur, aber jetzt war sie ein­schüch­ternd. Sie trat knapp auf Henry zu, die Augen blitz­ten selbst noch im Fa­ckel­licht, so dass Henry in sich zu­sam­menk­roch. Am liebs­ten wäre er wie­der in die Kut­sche ge­stie­gen und ver­schwun­den.
„So­phie …“
„Sei still!“ Sie warf ihm einen durch­drin­gen­den Blick zu, dann dreh­te sie auf der Stel­le um und schritt in der Ma­nier eines Sol­da­ten, der zum An­griff über­ging, auf das Haus zu.
„W… wo willst du hin?“, rief Henry ent­setzt aus, als sie schon fast die Stu­fen er­reicht hatte, die zum Ein­gang des Hau­ses führ­ten.
„Ein Wört­chen mit dei­nem Freund Hend­ricks reden“, rief sie über die Schul­ter zu­rück. „Die Ge­le­gen­heit ist güns­tig! Und wenn ich schon mal hier bin …!“
„So­phie!“ Die­ses Mal er­reich­te Hen­rys Be­fehls­ton eine Ge­walt, die ihn selbst er­schreck­te. „Du bleibst in der Kut­sche und fährst wie­der zu­rück. Schluss jetzt!“ Im Grun­de woll­te er nicht kom­men, aber es blieb ihm nichts übrig. Jo­na­than Hend­ricks hatte ihm eine ganz be­stimm­te Auf­ga­be zu­ge­teilt. Er soll­te mit einem Mit­tels­mann spre­chen und einen Brief wei­ter­lei­ten.
So­phie mar­schier­te un­be­irrt wei­ter. Den Kut­schen und La­kai­en nach zu ur­tei­len, hiel­ten sich tat­säch­lich nicht nur Schmugg­ler hier auf, son­dern auch an­de­re Gäste aus East­bourne und der Um­ge­bung. Sie hatte ein oder zwei Wap­pen er­kannt. Dies war tat­säch­lich eine her­vor­ra­gen­de Ge­le­gen­heit, mit Cap­tain Hend­ricks zu spre­chen und Druck auf ihn aus­zu­üben. Sie war wü­tend genug, um – zu­min­dest für die nächs­ten Mi­nu­ten – ihre Angst und jede Art von Be­den­ken weit von sich zu schie­ben.
„Bist du ver­rückt? Du kannst da nicht rein! So­phie! Das ist nichts für dich! Bleib hier! So­phieee!“ Aber seine Base war be­reits an der Tür, ging hoch­er­ho­be­nen Haup­tes an den bei­den Wa­chen vor­bei und war auch schon drin­nen. Henry sah sich zu­erst Hilfe su­chend um, dann rann­te er ihr nach.
Drin­nen sah sich So­phie einem Die­ner ge­gen­über. Als er sich ihr in den Weg stell­te, fun­kel­te sie ihn dro­hend an. „Mein Name ist So­phie McIn­tosh“, sagte sie un­heil­ver­kün­dend. „Und“, ließ sie den wenig ver­trau­ens­er­we­cken­den Mann fer­ner wis­sen, „ich wün­sche Cap­tain Hend­ricks zu spre­chen. Und das auf der Stel­le!“
Henry woll­te sie wie­der hin­aus­zer­ren. „So­phie, du bringst uns beide in Teu­fels Küche!“
„Das hast du selbst schon getan. Und jetzt wer­den wir sehen, dass wir dich wie­der raus­ho­len. Hör auf zu jam­mern.“ So­phie be­müh­te sich, keine Schwä­che zu zei­gen. So­eben war sie noch wü­tend ge­we­sen, aber nun, als sie in der Halle stand, war ihr selbst reich­lich mul­mig zu­mu­te. Aber sie hatte von ihrem Vater ge­lernt, un­an­ge­neh­me Dinge so­fort zu er­le­di­gen und nicht lange zu über­le­gen. Alle McIn­toshs hiel­ten es so. Au­ßer­dem hatte es kei­nen Sinn, jetzt, wo sie schon ein­mal hier war, wie­der feige um­zu­dre­hen und da­von­zu­lau­fen. Im­mer­hin war sie auch die recht­mä­ßi­ge Ei­gen­tü­me­rin die­ses Hau­ses.
„War­ten Sie hier.“ Der But­ler, oder was immer er war, ging davon. Eine der Türen in der Halle öff­ne­te sich. Eine kaum be­klei­de­te Frau er­schien, ki­cher­te, blick­te zu­rück, ki­cher­te aber­mals und lief dann quer durch die Halle wei­ter. Ein völ­lig nack­ter Mann tauch­te hin­ter ihr auf, sah sich wild um und lief dann der Frau nach. Sein er­reg­tes Glied stand empor und wipp­te im Rhyth­mus sei­nes Schrit­tes. „Gleich habe ich dich!“
So­phie starr­te mit of­fe­nem Mund hin­ter­her, bis zu­erst die Frau und dann auch die mus­ku­lö­sen Hin­ter­ba­cken des Man­nes hin­ter einer wei­te­ren Tür ver­schwun­den waren.
„So­phie, wir gehen“, zisch­te Henry. Er woll­te sie fort­zer­ren. Aber So­phie mach­te sich los. Ihre Neu­gier war er­wacht.
„Was … war das?“
„Das ist die Art, wie Cap­tain Hend­ricks seine Feste fei­ert. Glau­be mir, So­phie, das ist nichts für dich.“
„Ja, aber …“ So­phie nä­her­te sich der Tür, durch die die bei­den ge­kom­men waren. Sie stand jetzt weit offen, drin­nen sah man aben­teu­er­lich ver­klei­de­te oder viel­mehr ent­klei­de­te Ge­stal­ten. So­phie riss die Augen auf. Hier ging es ja wil­der zu als zur Paa­rungs­zeit auf der Kuh­wei­de, wenn der Stier los­ge­las­sen wurde! So­phie war zwar in ge­wis­ser Weise be­hü­tet, aber doch in einer na­tür­li­chen Um­ge­bung auf­ge­wach­sen. Sie hatte ge­se­hen, wie Stu­ten ge­deckt wur­den, was die Hunde trie­ben, wie der Hahn auf der Henne saß. Und sie hatte ein­mal einen Knecht und eine der Mägde im Stall … Aber noch nie hatte sie einen gan­zen Hau­fen Men­schen ge­se­hen, die sich ge­gen­sei­tig strei­chel­ten, sich rie­ben, küss­ten und ihre Ge­schlechts­tei­le zur Schau stell­ten! So­phie wuss­te, dass es Zeit war, sich ab­zu­wen­den, aber sie konn­te nicht an­ders als hin­star­ren.
„So­phie!“ Henry pack­te sie in sei­ner Ver­zweif­lung um die Tail­le, woll­te sie mit­schlep­pen, aber da …
„Guten Abend, Henry.“
Henry fuhr herum und riss So­phie mit sich. Vor ihnen, nur zwei Schrit­te ent­fernt, stand Jo­na­than Hend­ricks. Henry ge­lang es, die Tür zu dem Raum zu­zu­schla­gen. Aber es wäre nicht mehr nötig ge­we­sen, denn So­phies Auf­merk­sam­keit wand­te sich voll Cap­tain Hend­ricks zu.