Eiskalte Rache - Herzklopfen und Leidenschaft

Er­schie­nen: 06/2021

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Ro­man­tic Thrill
Zu­sätz­lich: Wes­tern Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Mon­ta­na


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-512-9
ebook: 978-3-86495-513-6

Preis:
Print: 13,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Eiskalte Rache - Herzklopfen und Leidenschaft


In­halts­an­ga­be

Betty ist die be­lieb­te, stets fröh­li­che Kell­ne­rin im Re­stau­rant Green Cast­le in Sil­ver Hill, Mon­ta­na. Als ihre beste Freun­din ver­ge­wal­tigt und er­mor­det auf­ge­fun­den wird, bricht ihre heile Welt zu­sam­men. Aus tie­fer Trau­er wird Hass, sie will das Ver­bre­chen an ihrer Freun­din rä­chen.

Mit­tels Han­dy­fo­tos und Vi­de­os macht sich Betty auf die Suche nach dem Mör­der.

Der ehe­ma­li­ge Sol­dat Dylan ist Stamm­gast im Re­stau­rant Green Cast­le. Als die Kell­ne­rin Betty auf ei­ge­ne Faust den Mör­der ihrer Freun­din su­chen will und sich dafür in Le­bens­ge­fahr be­gibt, muss er sich aus dem dunk­len Schlei­er sei­ner schlim­men Er­in­ne­run­gen kämp­fen, um sie zu be­schüt­zen, denn der Mord hat an­schei­nend mit sei­ner Ver­gan­gen­heit zu tun ...

Über die Au­to­rin

Sa­ra-Ma­ria Lukas (alias Sa­bi­ne Bruns) war ge­bür­ti­ge Bre­me­rin und lebte mit ihrem Part­ner und di­ver­sen Vier­bei­nern in einem win­zi­gen Dorf zwi­schen Ham­burg und Bre­men. Die Ver­bun­den­heit zur Natur, sowie die Liebe zum Meer und der nord­deut­schen Le­bens­art be­stimm­ten ihren All­tag...

Wei­te­re Bü­cher der Au­to­rin

Le­se­pro­be

„Kannst du mich zu Kel­lers Werk­statt mit­neh­men?“, frag­te Betty, wäh­rend sie ihre Jacke anzog.
He­le­na dreh­te den Kopf. „Klar, kein Pro­blem. Hat dein Auto mal wie­der ver­sagt?“
Betty stöhn­te. „Ja, es sprang ges­tern nicht mehr an. Sie muss­ten es auf einen An­hän­ger laden, um es in die Werk­statt zu brin­gen. Mein Dad hat mich heute Mor­gen her­ge­fah­ren.“
Sie schlen­der­ten zum Hin­ter­ein­gang, wink­ten Jos­hua in der Küche einen Ab­schieds­gruß zu und ver­lie­ßen das Ge­bäu­de.
Es nie­sel­te und hef­ti­ger Wind blies um die Haus­ecke herum.
„Mein Wagen steht da hin­ten“, sagte He­le­na und zeig­te nach rechts. Aus­ge­rech­net bei so blö­dem Wet­ter...

...​hatte sie ihren Kombi am äu­ßers­ten Rand des Park­plat­zes ab­ge­stellt.
„War hier vorne nichts frei?“, frag­te Betty, zog flu­chend die dünne Jeans­ja­cke fest um ihren Ober­kör­per zu­sam­men und klapp­te den Kra­gen hoch.
„Nein, als ich kam, war der Truck mit der Ge­trän­ke­lie­fe­rung da und blo­ckier­te sämt­li­che Park­plät­ze vor dem Ein­gang.“
Betty stöhn­te bei einem Blick in den grau­en Him­mel. „Hat der liebe Gott ver­ges­sen, dass wir Früh­ling haben?“
He­le­na lach­te. „Das Wet­ter rich­tet sich nicht nach dei­ner Klei­dung, son­dern deine Klei­dung soll­te sich nach dem Wet­ter rich­ten.“
Sie lie­fen los und Betty ver­dreh­te die Augen. „Du re­dest wie meine Mut­ter.“
„Ich bin eine Mut­ter, Schätz­chen.“
Als sie end­lich im Auto saßen, dreh­te He­le­na die Hei­zung voll auf, und kurz nach­dem sie den Park­platz ver­las­sen hat­ten, blies be­reits warme Luft durch die Be­lüf­tungs­rit­zen.
Sie fuh­ren die Main­s­treet ent­lang.
Trotz des mie­sen Wet­ters stan­den ei­ni­ge Far­mer und Rin­der­züch­ter vor dem Postof­fice und un­ter­hiel­ten sich. Die kann­ten kein schlech­tes Wet­ter, denn unter ihren Cow­boy­hü­ten war das Ge­sicht immer tro­cken. Ty­pisch Mon­ta­na, dach­te Betty und er­in­ner­te sich an eine Reise nach New York. Die Stadt­men­schen dort hat­ten sich bei ein­set­zen­dem Nie­sel­re­gen be­nom­men, als ob faust­gro­ße Ha­gel­kör­ner vom Him­mel ge­fal­len wären. Jeff und sie hat­ten in einem Star­bucks ge­ses­sen und sich köst­lich dar­über amü­siert, wie sich die Man­hat­ta­ner Yup­pies aus Angst, ein paar Was­ser­trop­fen ab­zu­be­kom­men, pa­nisch unter die Dä­cher von Haus­ein­gän­gen flüch­te­ten oder sich die Ak­ten­ta­schen über die Köpfe hiel­ten. Drei Jahre war das schon her. Da­mals war sie mit Jeff noch glück­lich ge­we­sen.
Bis zur Werk­statt war es nicht weit.
In Sil­ver Hill gab es genau zwei Adres­sen, um ein Auto re­pa­rie­ren zu las­sen: eine für neu­wer­ti­ge Fahr­zeu­ge und die Ga­ra­ge von Ben­ja­min Kel­ler am Stadt­rand. Hier tra­fen sich Leute, die alte Autos fuh­ren, bei denen die Re­pa­ra­tu­ren nicht teuer sein soll­ten. Hier konn­te man ge­brauch­te Er­satz­tei­le aus Schrott­au­tos su­chen, wenn neue für den ei­ge­nen Geld­beu­tel zu teuer waren. Und zu Ben kamen die Ju­gend­li­chen, wenn sie ihren ers­ten Pick-up kau­fen woll­ten, aber nur eine Hand­voll Dol­lar zu­sam­men­krat­zen konn­ten, denn bei ihm durf­te man in Raten be­zah­len und nach Fei­er­abend selbst am ge­lieb­ten Ve­hi­kel her­um­schrau­ben.
Ben Kel­ler war be­kannt dafür, Wun­der zu voll­brin­gen. In sei­ner Ga­ra­ge wurde jedes Auto wie­der zum Leben er­weckt, auch eins, das ei­gent­lich nicht mehr zu re­pa­rie­ren war, wie Bet­tys ur­al­ter Klein­wa­gen.
He­le­na ließ sie vor dem gro­ßen Tor aus­stei­gen und fuhr wei­ter.
Zum Glück hatte der Regen etwas nach­ge­las­sen und es nie­sel­te nur noch, als Betty den Hof über­quer­te. Um die Werk­statt herum stan­den, neben Sta­peln von Au­to­rei­fen, aus­ge­bau­ten Türen und Mo­tor­hau­ben, un­zäh­li­ge fahr­be­rei­te oder halb aus­ein­an­der­ge­schraub­te Autos. Betty ver­such­te, die Werk­statt zu er­rei­chen, ohne mit ihren dün­nen Schu­hen in eine Pfüt­ze zu tre­ten.
Vor der rie­si­gen Halle, di­rekt neben dem hohen Ein­fahrts­tor, stand ein ehe­mals wei­ßer, jetzt rost­fle­cki­ger Bü­ro­con­tai­ner mit gro­ßen Fens­tern an der Längs­sei­te. Drin­nen war das grel­le Ne­on­licht ein­ge­schal­tet, so­dass Betty schon von Wei­tem den wei­ßen Haar­kranz er­kann­te, der Ben Kel­lers Halb­glat­ze umgab. Er saß an einem Schreib­tisch, auf dem sich jede Menge Pa­pie­re rund um einen ge­öff­ne­ten Lap­top sta­pel­ten, und hielt ein Handy an sein Ohr. Als Betty sich nä­her­te, be­deu­te­te er ihr mit aus­la­den­den Ges­ten, in Rich­tung Werk­statt wei­ter­zu­ge­hen. Sie stöhn­te ge­nervt. Das konn­te nur be­deu­ten, dass sich Dylan Wist­ler, Bens ein­zi­ger An­ge­stell­ter, um ihr Auto küm­mer­te, und dass es noch nicht fer­tig re­pa­riert war. Sie würde in der kal­ten Werk­statt war­ten müs­sen und dabei bis auf die Kno­chen durch­frie­ren. Au­ßer­dem würde sie sich lang­wei­len, denn es wäre ein Wun­der, wenn sich zwi­schen ihnen eine nette Plau­de­rei ent­wi­ckeln würde.
Der Typ moch­te sie nicht. Zu­min­dest fühl­te es sich in sei­ner Ge­gen­wart so für sie an. Egal, ob sie ihn im Re­stau­rant be­dien­te, was recht häu­fig vor­kam, denn er war Stamm­gast, oder ob sie sich ir­gend­wo an­ders be­geg­ne­ten, Dylan be­han­del­te sie stets so her­ab­las­send, dass es in ihrem Magen vor lau­ter Wut bro­del­te. Der Typ war ein ar­ro­gan­ter, dick­fäl­li­ger, un­höf­li­cher Chau­vi­nist und ver­mut­lich auch ein Ver­bre­cher. Ei­ni­ge Leute er­zähl­ten, er hätte schon im Knast ge­ses­sen, an­de­re be­haup­te­ten, er wäre ein Mör­der, der aber man­gels Be­wei­sen frei­ge­spro­chen wor­den wäre, und wie­der an­de­re sag­ten, er hätte als Sol­dat in Af­gha­nis­tan seine Ka­me­ra­den ver­ra­ten.
Si­cher war je­doch nur, dass Dylan Wist­ler ein un­an­ge­neh­mer Zeit­ge­nos­se ohne Freun­des­kreis war.
Betty be­müh­te sich stets, zu allen Kun­den im Re­stau­rant freund­lich zu sein, auch zu ihm, egal was die Leute über ihn sag­ten. Doch er dank­te es ihr nur mit mür­ri­scher Ein­sil­big­keit und arm­se­li­gen Trink­gel­dern. Und nun muss­te sie ihm ver­mut­lich auch noch dank­bar dafür sein, dass er das Wun­der voll­brach­te, ihr schrott­rei­fes Ve­hi­kel wie­der zum Leben zu er­we­cken.
In der Mitte der Halle blieb sie ste­hen und sah sich um. Hin­ten links schep­per­te etwas, ihr Blick zuck­te dort­hin, und rich­tig, da stand ihr Auto mit ge­öff­ne­ter Mo­tor­hau­be. Dylans be­ein­dru­ckend brei­ter und kräf­tig wir­ken­der Kör­per steck­te in einem fle­cki­gen Ar­beits­over­all. Dar­un­ter trug er nur ein grau­es T-Shirt. Seine mus­kel­be­pack­ten und mit häss­li­chen Tat­toos ge­schmück­ten Arme waren nackt. Und das bei der Kälte!
Er lehn­te über dem Kot­flü­gel und von sei­nem Kopf war nur das kurze schwar­ze Haar zu sehen.
Betty schlen­der­te näher. „Hi.“
Ge­fühl­te Stun­den spä­ter hob er kurz den Kopf und warf ihr einen Sei­ten­blick zu. „Hi“, sagte er und
ar­bei­te­te so­fort wei­ter.
„Was hat er denn?“, frag­te Betty.
„Licht­ma­schi­ne“, mur­mel­te er mit sei­nem tie­fen Bass, ohne noch ein­mal den Kopf zu heben.
„Er hat aber nicht nur kein Licht ge­macht. Er woll­te gar nicht fah­ren.“
Sein Kopf zuck­te hoch. Er starr­te sie an, als wäre sie ein Tier im Zoo. Betty klim­per­te über­trie­ben mit den Wim­pern und grins­te breit. „Rein­ge­fal­len. Soll­te ein Witz sein. Ich bin gar nicht so blöd, wie ich aus­se­he.“
„Ha. Ha.“
Sein Ge­sicht ver­schwand wie­der in den In­ne­rei­en ihres Autos.
Oh Mann. Sie soll­te die Scher­ze wohl lie­ber las­sen. Die­ser Kerl ver­stand kei­nen Spaß. Ver­mut­lich kann­te er nicht mal die Be­deu­tung des Wor­tes. Viel­leicht stimm­te es, was die Leute über ihn sag­ten, und er war wirk­lich ein ent­las­se­ner Straf­tä­ter oder hatte in Gu­an­ta­na­mo Ge­fan­ge­ne ge­fol­tert.
Un­will­kür­lich lief ihr ein fie­ser Schau­er über den Rü­cken und sie zog die Jacke fes­ter um ihren Ober­kör­per.
Dylan be­ach­te­te sie nicht. Er holte sich ver­schie­de­ne Schlüs­sel aus sei­ner Werk­zeug­kis­te und ar­bei­te­te in aller Ruhe wei­ter.
Ob das wohl noch lange dau­er­te? Sie könn­te ihn ja fra­gen, aber der Drang, ihn an­zu­spre­chen, war un­ge­fähr so aus­ge­prägt wie der Wunsch, mit einer Klo­bürs­te Small Talk zu hal­ten.
Ihr Handy piep­te. Sie holte es aus der Ja­cken­ta­sche. Auf dem Dis­play leuch­te­te eine Text­nach­richt von Cal­lie. Wo bleibst du?
Sie sah auf. „Ähm … wie lange brauchst du noch?“
„Gleich fer­tig.“
„Okay, dann gehe ich schon mal nach vorne ins Büro, um zu be­zah­len. Du kannst ja viel­leicht Be­scheid …“
Er rich­te­te sich zu sei­ner vol­len Größe auf, ließ die Mo­tor­hau­be zu­fal­len und Betty wich un­will­kür­lich einen Schritt zu­rück.
„Ist schon be­zahlt“, mur­mel­te er, wäh­rend er sein Werk­zeug zu­sam­men­pack­te. „Schlüs­sel steckt.“
„Was?“
Er dreh­te sich zu ihr um und kam einen Schritt näher. Sie muss­te zu ihm auf­bli­cken und sah im Ne­on­licht der Werk­statt seine brau­nen Augen im un­ra­sier­ten Ge­sicht blit­zen. „Der Zünd­schlüs­sel steckt im Schloss“, sagte er be­tont lang­sam und über­deut­lich, als hätte er es mit einem be­son­ders dum­men Ex­em­plar eines Mit­men­schen zu tun. „Du musst ihn nur um­dre­hen, dann kannst du los­fah­ren und brauchst dich auch in Zu­kunft nicht um die Warn­lich­ter im Cock­pit zu küm­mern, denn die Rech­nun­gen zahlt ja Daddy. Da kommt es nicht dar­auf an, wie hoch sie wer­den.“
Was für eine Frech­heit! Wie re­spekt­los! Die­ser ar­ro­gan­te Arsch! Sie stemm­te die Fäus­te in die Tail­le und zog stink­sau­er die Au­gen­brau­en zu­sam­men. „Wenn ich zu den Gäs­ten im Re­stau­rant so un­freund­lich wäre wie du zu den Kun­den die­ser Werk­statt, wäre ich schon längst ge­feu­ert wor­den“, zisch­te sie.
„Ich werde hier fürs Ar­bei­ten be­zahlt, nicht fürs Small-Talk-Hal­ten.“
Er dreh­te sich um und schlen­der­te davon.

Ben schritt durch das große Tor in die Halle und kam auf sie zu. „Ist Bet­tys Auto fer­tig?“, frag­te er mit Blick auf Dylan, der nick­te und schon die Heck­klap­pe eines an­de­ren Wa­gens öff­ne­te.
Ben nä­her­te sich Betty. „Spä­tes­tens nächs­tes Jahr musst du über eine Neu­an­schaf­fung nach­den­ken, bei dei­ner Kiste ist näm­lich der Boden fast durch­ge­ros­tet. Noch mal schwei­ßen geht nicht.“
Sie seufz­te. „Ich weiß. Ver­mut­lich werde ich dann auf den Luxus eines ei­ge­nen fahr­ba­ren Un­ter­sat­zes erst mal ver­zich­ten müs­sen, mein Spar­schwein ist ge­ra­de ziem­lich leer.“
„Ich dach­te, du brauchst ein Auto, um zur Ar­beit zu fah­ren?“
„Ab nächs­ter Woche nicht mehr. Ich ziehe zu­sam­men mit Cal­lie White in eine Woh­nung in der Ar­ling­ton Street, gleich hin­ter dem Postof­fice. Von da aus kann ich zu Fuß ins Green Cast­le lau­fen.“

Dylan hob das Re­ser­ve­rad aus dem Kof­fer­raum, lehn­te es an die Wand und wisch­te sich die Hände an einem alten Tuch ab. Gleich­gül­tig sah er zu, wie die blon­de Tussi aus dem Green Cast­le mit Ben noch ei­ni­ge Worte wech­sel­te, dann in ihr Auto stieg, den Motor an­ließ und aus der Werk­statt fuhr.

„Ich bin den Rest des Tages un­ter­wegs“, rief Ben und wand­te sich Rich­tung Hal­len­tür.
Dylan nick­te und hob für ein knap­pes Win­ken die Hand. „Alles klar. Wenn ich hier die neuen Rei­fen auf­ge­zo­gen habe, baue ich in Wal­ters Kiste noch die Kupp­lung ein. Ich habe ihm ver­spro­chen, dass er den Wagen mor­gen früh zu­rück­be­kommt.“
„Das dau­ert doch Stun­den!“
„Das Ge­trie­be ist schon raus und ich habe heute so­wie­so nichts mehr vor.“
„Wie du meinst. Schließ ab, wenn du gehst.“
„Na­tür­lich, mache ich doch immer.“
„Stimmt. Was rede ich …“ Ben stieg in sein Auto und Dylan schmun­zel­te.
Er moch­te den alten Hau­de­gen. Ben war viel mehr für ihn als nur ein Boss. Er hatte ihm den Job ge­ge­ben, ohne viele Fra­gen zu stel­len, und war so­fort damit ein­ver­stan­den ge­we­sen, dass Dylan sei­nen alten Trai­ler auf dem Ge­län­de der Werk­statt ab­stell­te, um darin zu woh­nen. Ben war der Ein­zi­ge im Ort, dem voll­kom­men egal war, was man über ihn, seine Werk­statt oder sei­nen An­ge­stell­ten re­de­te. Gäbe es bloß mehr Men­schen die­ser Sorte auf der Welt.
Dylan mach­te sich an die Ar­beit, froh, auch den Rest des Tages be­schäf­tigt und damit von sei­ner dunk­len Ge­dan­ken­welt ab­ge­lenkt zu sein.
Das Mo­to­ren­ge­räusch wurde lei­ser, als Ben den Hof ver­ließ, und in der Halle brei­te­te sich herr­li­che Stil­le aus. Dylan at­me­te tief durch. Der Job in der Werk­statt hatte ihm das Leben ge­ret­tet. Wenn Ben ihn vor vier Jah­ren nicht ein­ge­stellt hätte, wäre er in­zwi­schen tot. Er hätte sich um­ge­bracht, weil er die stän­dig krei­sen­den Ge­dan­ken in sei­nem Kopf nicht mehr aus­ge­hal­ten hätte. Wäh­rend der Schrau­be­rei an den Autos fand sein Ge­hirn Ruhe, und das ret­te­te ihn.
Na­tür­lich quäl­ten ihn die Er­in­ne­run­gen in den Näch­ten wei­ter, und falls er doch mal ein­schlief, mu­tier­ten sie zu fie­sen Alb­träu­men. Sie ver­blass­ten nicht, sie wür­den nie ver­blas­sen. Sie wür­den bis zu sei­nem letz­ten Atem­zug Be­stand­teil sei­nes Le­bens sein. Damit hatte er sich längst ab­ge­fun­den.
Wenn er ar­bei­te­te, konn­te er auf­at­men; so­bald er nichts mehr hatte, um sich ab­zu­len­ken, stürz­ten die Bil­der aus der Ver­gan­gen­heit wie­der auf ihn ein und mach­ten ihm das Atmen schwer.
Die Nach­rich­ten aus Af­gha­nis­tan im Radio und Fern­se­hen und die Gleich­gül­tig­keit sei­ner Mit­men­schen über das, was dort tag­täg­lich ge­schah, ver­bit­ter­ten ihn zu­sätz­lich. Er muss­te jeden Tag auf­pas­sen, dass der Hass nicht die Schwel­le der Selbst­be­herr­schung über­schritt.
Bevor er an­ge­fan­gen hatte, in Bens Werk­statt zu ar­bei­ten, war es ihm nicht ge­lun­gen, seine Wut zu be­herr­schen. Er hatte sich jeden Abend in Bars und Knei­pen her­um­ge­trie­ben, fla­schen­wei­se Whis­key ge­trun­ken und Streit ge­sucht, um sich mit Ge­nuss zu prü­geln. Das war nun, seit er bei Ben ar­bei­te­te und wohn­te, vor­bei. Al­ler­dings er­trug er es wei­ter­hin auf eine selt­sa­me ma­so­chis­tisch an­mu­ten­de Weise, von sei­nen ehe­ma­li­gen Ka­me­ra­den gestalkt zu wer­den. Er emp­fand die stän­di­gen An­ru­fe und das Be­schat­tet­wer­den fast als eine ge­rech­te Stra­fe für seine Ver­ge­hen. Auch ihre wie­der­hol­ten Ver­su­che, ihm Ver­bre­chen in die Schu­he zu schie­ben und Ge­rüch­te über ihn zu ver­brei­ten, igno­rier­te er. Mehr­mals war er um­ge­zo­gen, um vor ihnen Ruhe zu haben, doch sie tauch­ten stets nach einer Weile auch an den neuen Orten auf. Viel­leicht hätte er sei­nen Namen än­dern müs­sen, um wirk­lich un­ter­tau­chen zu kön­nen.
Vor zwei Jah­ren hat­ten sie ihn in Sil­ver Hill ent­deckt. Aber von hier wür­den sie ihn nicht ver­trei­ben. Er hatte von den Spiel­chen die Schnau­ze voll. Hier woll­te er blei­ben, egal, was den Arsch­lö­chern ein­fiel, um ihre Ra­che­ge­lüs­te zu stil­len. Zum Glück hielt Ben zu ihm. Als der She­riff zum ers­ten Mal in der Werk­statt auf­tauch­te, weil eine junge Frau aus einem der Nach­bar­or­te Dylan wegen an­geb­li­cher se­xu­el­ler Be­läs­ti­gung an­ge­zeigt hatte, hatte Ben ihm, ohne mit der Wim­per zu zu­cken, ein Alibi ge­ge­ben.
Als Dylan sich hin­ter­her bei ihm be­dan­ken woll­te, hatte Ben nur ab­ge­wun­ken. „Ich weiß, dass du nachts nicht in ir­gend­wel­chen Clubs un­ter­wegs bist. Das konn­te nur Bull­s­hit sein.“
Wenig spä­ter be­schul­dig­te man ihn, ein Auto auf­ge­bro­chen zu haben, und auch da gab Ben ihm das not­wen­di­ge Alibi. Seit­dem war Ruhe. Trü­ge­ri­sche Ruhe, denn seine Ex-Ka­me­ra­den war­te­ten nur auf eine Ge­le­gen­heit, ihn er­neut in Schwie­rig­kei­ten zu brin­gen. Dylan sah dem in­zwi­schen ge­las­se­ner ent­ge­gen. Der Job in der Werk­statt und die Freund­schaft zu Ben hat­ten ihm ge­hol­fen, sich zu fan­gen und sich in sei­nem Leben ei­ni­ger­ma­ßen ein­zu­rich­ten. Nach­mit­ta­ge wie die­ser, wenn keine Leute da waren und er in Ruhe an einem Motor her­um­bas­t­eln konn­te, waren ihm die liebs­ten.
Sein Handy klin­gel­te und er zog es aus der Ho­sen­ta­sche. Auf dem Dis­play stand un­be­kann­te Num­mer. Also mal wie­der einer der üb­li­chen Droh­an­ru­fe. Er soll­te sie igno­rie­ren, doch das tat er nicht. Ja, viel­leicht war es sogar so, dass er sich dem nicht ent­zie­hen woll­te, er woll­te die An­ru­fe als per­sön­li­che Stra­fe für sein Ver­sa­gen wäh­rend sei­ner Zeit als Sol­dat er­dul­den.
Er hielt sich das Handy ans Ohr. „Ja.“
„Wist­ler, du miese Ratte, wir haben dich im Vi­sier. Nimm deine Aus­sa­gen zu­rück oder …“
„Was, oder?“
„Oder du schau­felst dir dein ei­ge­nes Grab. Un­se­re Ge­duld ist am Ende.“
„Ihr fei­gen Schwei­ne traut euch doch nicht mal in meine Nähe.“
„Wir sind in dei­ner Nähe. Immer. Rech­ne jeden Mo­ment mit un­se­rem Be­such, Ver­rä­ter.“
„Ich werde euch ge­büh­rend emp­fan­gen und wie räu­di­ge Krö­ten zer­tre­ten.“
Der An­ru­fer lach­te. „Du kriegst viel­leicht einen oder zwei, aber nie­mals uns alle. Vor­her trifft dich die Kugel, die schon lange für dich re­ser­viert ist.“
„Wor­auf war­tet ihr noch? Kommt her! Ich bin al­lei­ne hier, es gibt keine Zeu­gen, ihr könnt mich jetzt ab­knal­len. Die Adres­se habt ihr ja … Oder nervt ihr mich etwa mit lee­ren Dro­hun­gen? Ich warte auf euch! Lasst es uns ein für alle Mal klä­ren!“
Es klick­te. Der Mist­kä­fer hatte auf­ge­legt. Wer aus der Trup­pe war es die­ses Mal ge­we­sen? Brian? Sam? Der Stim­me nach hätte es auch Carl Har­ris höchst­per­sön­lich ge­we­sen sein kön­nen. Egal. Sie waren alle nur feige Hunde.
Wut­schnau­bend pfef­fer­te er das Handy in seine Werk­zeug­kis­te.
Hin­ter ihm war ein Ge­räusch zu hören.
Ohne nach­zu­den­ken, griff er nach dem erst­bes­ten zur Ver­tei­di­gung ge­eig­ne­ten Ge­gen­stand in sei­nem Blick­feld. Es war ein schwe­rer Ham­mer, der auf der Werk­bank lag. Er hob ihn über den Kopf und dreh­te sich um.
„Nein!“, kreisch­te eine helle Stim­me und Schu­he klap­per­ten auf dem Be­ton­bo­den.
Die Kell­ne­rin aus dem Green Cast­le starr­te ihn aus tel­ler­gro­ßen Augen an und hielt ab­weh­rend die Hände vor ihre Brust.
„Fuck! Was schleichst du hier herum?“, brüll­te er, ließ den Arm sin­ken und warf den Ham­mer zu­rück auf die Werk­bank, wo er mit einem dump­fen Knall lan­de­te.
Sie zuck­te zu­sam­men, trat hek­tisch einen Schritt nach hin­ten und knick­te dabei um.
„Ich bin nicht ge­schli­chen, ich bin ganz nor­mal ge­gan­gen!“, fauch­te sie.
„Was willst du?“
„Ich habe mein Te­le­fon hier lie­gen ge­las­sen.“
„Dann hol es und ver­schwin­de!“ Er wen­de­te sich ab und mach­te sich an die Ar­beit, ohne das Weib noch län­ger zu be­ach­ten.