Arizona Vengeance Eishockey-Team: Riggs

Ori­gi­nal­ti­tel: Riggs (Ari­zo­na Ven­ge­an­ce, Book #11)
Über­set­zer: L.O. Sum­mers

Er­schie­nen: 03/2023
Serie: Ari­zo­na Ven­ge­an­ce Eis­ho­ckey-Team
Teil der Serie: 11

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Ari­zo­na, Pho­enix


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-612-6
ebook: 978-3-86495-613-3

Preis:
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ebook: 6,99 €[D]

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Arizona Vengeance Eishockey-Team: Riggs


In­halts­an­ga­be

Riggs Na­deau ist der Ein­zel­gän­ger des Ari­zo­na Ven­ge­an­ce-Teams und gibt auf dem Eis alles. Eine schö­ne Un­be­kann­te wird je­doch bald Chaos in sei­ner struk­tu­rier­ten Welt zu stif­ten.

Als pro­fes­sio­nel­ler Eis­ho­ckey­spie­ler den­ken die Leute, dass ich ein auf­re­gen­des Leben führe. Ober­fläch­lich be­trach­tet haben sie wohl recht. Aber sie ken­nen weder die Schre­cken mei­ner Kind­heit, noch den wah­ren Grund, warum ich das Sor­ge­recht für meine sieb­zehn­jäh­ri­ge Schwes­ter Ja­nel­le habe. Und genau so mag ich es. Sie hal­ten mich ver­mut­lich sogar für einen Mist­kerl, aber das ist in Ord­nung. Sie ken­nen mich nicht, und sie müs­sen mich auch nicht ken­nen.

Um Ja­nel­le dabei zu hel­fen, sich in Pho­enix ein­zu­le­ben und Ärger in der Schu­le zu ver­mei­den, ver­mit­te­le ich ihr einen Job bei Clar­ke's Cor­ner, einer Buch­hand­lung, die der Le­bens­ge­fähr­tin eines Team­kol­le­gen ge­hört. Dort freun­det sie sich mit Ve­ro­ni­ca Wood­ley an, einer ex­trem ner­vi­gen, ar­ro­gan­ten, geld­hung­ri­gen ge­schie­de­nen Frau, die ich nicht in die Nähe mei­ner Schwes­ter sehen möch­te. Ja­nel­le be­steht dar­auf, dass ich in Bezug auf Ve­ro­ni­ca völ­lig falsch liege, aber ich wei­ge­re mich, das zu ak­zep­tie­ren. Ve­ro­ni­ca ist tabu für mich.

Durch eine Reihe von Er­eig­nis­sen be­gin­ne ich, Ve­ro­ni­ca als das zu sehen, was sie wirk­lich ist – eine er­staun­li­che Frau, die durch die Hölle ge­gan­gen ist, um noch stär­ker dar­aus her­vor­zu­ge­hen. Ich muss zu­ge­ben, wir sind uns mehr als ähn­lich und die An­zie­hung zwi­schen uns brennt heiß.

Viel­leicht lag ich falsch, als ich mich für un­fä­hig hielt, je­man­den zu lie­ben - aber wenn die Ver­gan­gen­heit mich heim­sucht, kann ich dann der Mann sein, den Ve­ro­ni­ca und Ja­nel­le ver­die­nen?

Ab­schluss­band der Ari­zo­na Ven­ge­an­ce-Rei­he. 

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Ari­zo­na Ven­ge­an­ce Eis­ho­ckey-Team Serie

Le­se­pro­be

Riggs

Manch­mal ist es ät­zend, um zwei Uhr mor­gens von einer lan­gen Reise zu­rück­zu­kom­men, vor allem, wenn man den Zeit­un­ter­schied be­rück­sich­tigt. Aber in die­sem Fall bin ich froh, dass sie sich ent­schlos­sen haben, den Rück­flug di­rekt nach dem gest­ri­gen Spiel in Pitts­burgh zu bu­chen. Ur­sprüng­lich woll­ten wir am nächs­ten Mor­gen ab­rei­sen, aber die Ver­ant­wort­li­chen haben be­schlos­sen, das Flug­zeug so­fort in die Luft und uns nach Hause zu brin­gen.
Das Ven­ge­an­ce-Flug­zeug ist mit be­que­men Sit­zen aus­ge­stat­tet, so­dass sich jeder Spie­ler in eine voll­stän­dig zu­rück­ge­lehn­te Po­si­ti­on be­ge­ben kann, um wäh­rend des Flu­ges zu schla­fen.
Ich konn­te nicht schla­fen.
Ja­nel­le hat mir ge­schrie­ben, was...

...​mit Mrs. Blair pas­siert ist. Ob­wohl sie mir ver­si­chert hat, dass sie bei die­ser Frau, Ve­ro­ni­ca, in guten Hän­den sei und dass sie bei ihr über­nach­ten würde, habe ich mir nichts an­de­res als Sor­gen ge­macht.
Ich kenne diese Frau über­haupt nicht und Ja­nel­le ist erst sieb­zehn. Sie kann keine der­ar­ti­gen Ent­schei­dun­gen tref­fen. Erst nach­dem Aaron für die Frau ge­bürgt hat, habe ich mich ein wenig be­ru­higt, aber ich werde mich trotz­dem so lange sor­gen, bis ich mit ei­ge­nen Augen sehen kann, dass es mei­ner Schwes­ter gut geht.
Mrs. Blairs un­glück­li­cher Knö­chel­bruch hat sich er­eig­net, wäh­rend ich bei einem Spiel ge­we­sen bin. Ich habe mich zwar damit ab­ge­fun­den, dass Ja­nel­le von einem wild­frem­den Men­schen über­wacht wird, aber es ist mir nie in den Sinn ge­kom­men, einen Plan B in petto haben zu müs­sen. Dies wäre einer der Fälle, in denen Baden mir unter die Nase rei­ben würde: „Siehst du, wenn du Be­zie­hun­gen in­ner­halb des Teams hät­test, wäre je­mand ein­ge­sprun­gen und hätte auf Ja­nel­le auf­ge­passt, wäh­rend du weg warst.“
Ich weiß, dass ich mir wahr­schein­lich nicht so viele Ge­dan­ken dar­über ma­chen soll­te. Sie ist fast acht­zehn und hat jah­re­lang für sich selbst ge­sorgt. Aber in An­be­tracht ihrer Le­bens­um­stän­de zu Hause ist sie auch etwas zer­brech­lich, und mir ge­fällt der Ge­dan­ke nicht, dass sie im Mo­ment al­lein ist.
Ich gebe zu, dass Ba­dens Vor­trag dar­über, ein bes­se­res Team­mit­glied zu sein, viel­leicht das Beste für mich war. Er hat si­cher­lich die prak­ti­sche Um­set­zung von guten Be­zie­hun­gen zu mei­nen Team­kol­le­gen ver­stärkt. Aber da ich auf der an­de­ren Seite des Lan­des war und nichts an­de­res tun konn­te, als Ja­nel­les und Aa­rons Worte zu ak­zep­tie­ren, dass meine Schwes­ter bei Ve­ro­ni­ca in Si­cher­heit wäre, habe ich die Dinge so ak­zep­tie­ren müs­sen, wie sie sind.
Es ist kurz nach zwei Uhr mor­gens, als ich zur Tür mei­ner Ei­gen­tums­woh­nung stap­fe. Ich hasse es, in der In­nen­stadt zu leben, und ich hasse es, in einer Ei­gen­tums­woh­nung zu woh­nen. Ich hasse Städ­te im All­ge­mei­nen, aber ich schät­ze, das liegt daran, dass ich in mei­nen prä­gen­den Jah­ren als Junge vom Land an einer zwei­spu­ri­gen Stra­ße mit­ten im Nir­gend­wo auf­ge­wach­sen bin. Das hat mich dazu ge­bracht, mei­nen Frei­raum zu lie­ben. Als pro­fes­sio­nel­ler Eis­ho­ckey­spie­ler bin ich zwar an eine Groß­stadt ge­bun­den, aber ich möch­te auf kei­nen Fall mit­ten in einer Stadt leben. In San Diego hatte ich genau aus die­sem Grund ein Haus gut fünf­und­vier­zig Mi­nu­ten au­ßer­halb der Stadt.
Als ich zu den Ven­ge­an­ce ge­wech­selt war und fast gleich­zei­tig das Sor­ge­recht für Ja­nel­le über­nahm, hatte ich keine Zeit mehr, vor un­se­rem Umzug nach einem Haus zu su­chen. Auf Emp­feh­lung ei­ni­ger an­de­rer Spie­ler habe ich eine Woh­nung in die­sem Ge­bäu­de für ein Jahr ge­mie­tet, um in der Nähe des Sta­di­ons zu sein. Der Bonus ist, dass es in der Nähe einer sehr an­ge­se­he­nen Pri­vat­schu­le liegt, die Ja­nel­le be­sucht.
Aber nach die­ser Sai­son werde ich mir ein Haus su­chen. Ja­nel­le wird voll­jäh­rig sein, aber sie kann gern bei mir blei­ben. Na­tür­lich werde ich alles tun, was ich kann, damit sie an einem guten Col­le­ge un­ter­kommt. Da un­se­re Mut­ter je­doch nichts un­ter­nom­men hat, um Ja­nel­le zu er­mu­ti­gen, sich Ge­dan­ken über das Leben nach der High­school zu ma­chen, ist sie mit den Be­wer­bun­gen für das Col­le­ge in Ver­zug. Glück­li­cher­wei­se ar­bei­tet der Be­ra­ter an ihrer neuen Schu­le mit ihr daran, die­sen Rück­stand auf­zu­ho­len.
Ich ste­cke den Schlüs­sel ins Schloss, be­tre­te müde das Foyer und lasse meine Sport­ta­sche leise auf den Boden glei­ten. Ich schal­te die Alarm­an­la­ge aus und stel­le sie wie­der scharf, nach­dem ich die Tür ge­schlos­sen habe.
Ich drehe mich um, mache einen Schritt in den Wohn­be­reich und blei­be ste­hen, bevor ich scho­ckiert einen Schritt zu­rück­tre­te. Die ganze Woh­nung ist eine Ex­plo­si­on aus Rot, Grün, Sil­ber und Gold. Mein Ge­hirn kann gar nicht ver­ar­bei­ten, was ich sehe, und für eine Se­kun­de be­fürch­te ich, dass ich in der Woh­nung eines an­de­ren stehe.
Aber das ist al­bern. Ich habe mei­nen ei­ge­nen Schlüs­sel be­nutzt, um hin­ein­zu­kom­men.
All­mäh­lich er­ken­ne ich meine Möbel wie­der, und ja, das ist meine Woh­nung, die mit Weih­nachts­de­ko ge­schmückt ist. Und ich spre­che nicht von ein biss­chen Schnick­schnack hier und da. Fast jeder Qua­drat­zen­ti­me­ter ist mit etwas Fest­li­chem, Glän­zen­dem oder Blin­ken­dem ge­schmückt. In der Ecke steht ein gro­ßer Weih­nachts­baum mit fun­keln­den Lich­tern, die Zwei­ge sind mit Ku­geln be­hängt. Die roten Pflan­zen, die es zu Weih­nach­ten gibt, sind über­all ver­teilt. Rings­um ste­hen und hän­gen Schnee­män­ner, Weih­nachts­män­ner, Elfen, Ren­tie­re, Gnome, Engel, Leb­ku­chen­män­ner und Lich­ter­ket­ten. Es ist, als hätte je­mand den Nord­pol hier­her­trans­por­tiert, ihn auf­ge­schnit­ten und ihn in mei­ner Woh­nung aus­blu­ten las­sen.
Das ist viel zu viel, und ich habe keine Ah­nung, wie oder warum das pas­siert ist.
„Was zur Hölle?“, schimp­fe ich.
Ein lei­ser Auf­schrei kommt von der Couch, und es ver­blüfft mich, eine Frau mit schläf­ri­gem Blick auf­ste­hen zu sehen, die sich um­sieht.
Ich habe sie vor­her nicht be­merkt, weil, na ja, ich vom Weih­nachts­schmuck ge­blen­det ge­we­sen bin.
Aber ja, da ist eine Frau, die ich nicht kenne und die auf mei­ner Couch schläft.
Noch ein­mal: Bin ich in der rich­ti­gen Woh­nung?
Ich schaue mich wie ver­rückt um und ver­su­che, an all den Far­ben vor­bei­zu­se­hen, dann schaue ich wie­der zu der Frau.
Sie ist auf­fal­lend schön. Viel­leicht ist das ein Traum.
Aber dann be­mer­ke ich, dass sie eines mei­ner T-Shirts trägt, und ich weiß, dass ich hier de­fi­ni­tiv rich­tig bin und sie nicht hier­her­ge­hört.
Ihre Augen, ein fast leuch­ten­des Grün, bli­cken in meine. Sie hat gold­blon­des Haar, das zer­zaust ist, und sie sieht sehr ver­wirrt aus. Of­fen­sicht­lich habe ich sie aus einem tie­fen Schlum­mer ge­weckt.
„Du hast mich zu Tode er­schreckt“, sagt sie schließ­lich, wäh­rend sie sich an den Hals fasst.
Mein Blick schweift wie­der durch den Raum, und ich ver­zie­he das Ge­sicht beim An­blick der Weih­nachts­ex­plo­si­on, bevor ich zu ihr zu­rück­bli­cke. „Was zum Teu­fel ist hier pas­siert?“
Das Ver­schwom­me­ne in ihren Augen ver­schwin­det und Ver­är­ge­rung blitzt in ihren schö­nen Zügen auf. Sie stemmt die Hände in die Hüf­ten und macht sich nicht die Mühe, auf meine Frage zu ant­wor­ten, son­dern sagt: „Ich bin üb­ri­gens Ve­ro­ni­ca.“
„Das habe ich mir ge­dacht“, sage ich tro­cken.
Ihre Augen blit­zen wie­der auf, mehr als nur ge­reizt über meine Ant­wort, und aus ir­gend­ei­nem selt­sa­men Grund finde ich eine sub­ti­le Be­frie­di­gung darin, sie zu ver­är­gern. Ich weiß nicht, warum es mir ein per­ver­ses Ver­gnü­gen be­rei­tet, aber ich schie­be es dar­auf, dass ich er­schöpft und völ­lig über­rum­pelt bin.
Ve­ro­ni­cas Stim­me ist zu­cker­süß, ge­spickt mit bei­ßen­dem Sar­kas­mus. „Nun, es ist mir ein ab­so­lu­tes Ver­gnü­gen, dich ken­nen­zu­ler­nen. Du musst Riggs sein, der Bru­der von Ja­nel­le.“
Ich mache mir nicht die Mühe, ihr etwas zu be­stä­ti­gen, von dem sie of­fen­sicht­lich weiß, dass es der Wahr­heit ent­spricht. Statt­des­sen stre­cke ich meine Hand in Rich­tung des Bau­mes aus, dem of­fen­sicht­lichs­ten Sym­bol für alles, was in mei­ner Woh­nung in die­sem Mo­ment nicht stimmt. „Ich frage noch ein­mal … Was zur Hölle ist hier pas­siert?“
Ihre Ge­sichts­zü­ge ver­än­dern sich, und es ist nicht nur die Ge­reizt­heit, die ihren schö­nen Ge­sichts­aus­druck trübt, son­dern pure Rage. Das ist ganz si­cher nichts, was mir ein per­ver­ses Ver­gnü­gen be­rei­tet, denn ihrem Ge­sichts­aus­druck nach zu ur­tei­len, be­fürch­te ich, dass ich ein sehr ge­fähr­li­ches Tier an­ge­stupst haben könn­te.
Sie macht einen mu­ti­gen Schritt nach vorn und zeigt mit dem Fin­ger auf mich. „Ich habe es auf mich ge­nom­men, zu de­ko­rie­ren, weil du eine sieb­zehn­jäh­ri­ge Schwes­ter hast, die ein schö­nes Weih­nach­ten ver­dient. Mor­gen ist Hei­lig­abend, ver­dammt noch mal, und du hat­test nicht ein­mal eine ver­damm­te Weih­nachts­ker­ze hier. Du weißt wirk­lich, wie man die Fei­er­ta­ge zu etwas Be­son­de­rem macht, Mr. Na­deau.“
Ich zucke zu­sam­men – ihre Worte haben eine ab­so­lu­te phy­si­sche Kraft in sich. Aber wie kann sie es wagen, über mich zu ur­tei­len, wenn sie mich nicht kennt und meine Schwes­ter ganz si­cher nicht so gut wie ich? „Warum, ver­fickt, glaubst du, dass meine Schwes­ter das will?“
Wie­der lä­chelt sie, und es scheint süß zu sein, aber ich ver­mu­te, wenn sie einen Eis­ho­ckey­schlä­ger in der Hand hätte, würde sie ihn mir über den Schä­del zie­hen. „Weil ich in den letz­ten drei Tagen wohl mehr mit ihr ge­spro­chen habe als du in den letz­ten sechs Mo­na­ten.“
Sie klim­pert mit den Wim­pern, um ihre Sti­che­lei­en zu un­ter­strei­chen, und bringt damit mein Blut zum Ko­chen.
„Was ist denn hier los?“, fragt Ja­nel­le vom Ende des Flurs aus, und mein Blick fällt auf sie, wäh­rend Ve­ro­ni­ca sich um­dreht.
Schlaf­trun­ken reibt sich Ja­nel­le die Augen, bevor sie mich an­schaut. „Warum bist du schon zu Hause? Ich dach­te, du kämst erst gegen Mit­tag?“
Ich möch­te sie fra­gen, wie sie und diese Ve­ro­ni­ca es ge­schafft haben, all diese Dinge zu kau­fen, und wann sie Zeit hat­ten, zu de­ko­rie­ren. Ich will wis­sen, warum Ve­ro­ni­ca eines mei­ner T-Shirts trägt und auf mei­ner Couch schläft. Eben­so in­ter­es­siert mich, wie ich meine Schwes­ter und das, was sie so drin­gend braucht, so falsch ein­schät­zen konn­te, dass ich Weih­nach­ten völ­lig un­be­ach­tet hätte vor­bei­ge­hen las­sen. Ich muss wis­sen, wie ver­flucht schlecht ich mich um meine Schwes­ter küm­me­re.
Aber meine Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen, die of­fen­sicht­lich jetzt im Schein­wer­fer­licht ste­hen, ist nichts, was ich im Mo­ment tun möch­te, also sage ich nur: „Das Team hat be­schlos­sen, nach dem Spiel in Pitts­burgh ab­zu­rei­sen. Ich habe mir nicht die Mühe ge­macht, an­zu­ru­fen oder zu schrei­ben, weil ich an­ge­nom­men habe, dass du bei Ve­ro­ni­ca über­nach­test.“
In mei­ner Stim­me schwingt ein ge­wis­ser Vor­wurf mit, nicht weil Ja­nel­le hier ist, son­dern weil sie zu­ge­las­sen hat, dass sich diese Frem­de in mei­ner Woh­nung zu schaf­fen macht. Aber Ja­nel­le scheint nicht ver­är­gert zu sein. Statt­des­sen stürmt sie durch den Raum, mar­schiert di­rekt auf mich zu und nimmt meine Hand.
Ich werde nach vorn ge­zo­gen und zum Weih­nachts­baum ge­zerrt. „Ist das nicht toll? Sieh dir all den Schmuck an, den wir haben.“
Ja­nel­le er­klärt mir jeden ein­zel­nen Baum­schmuck, den sie für den Baum aus­ge­sucht hat. Jedes Teil hat eine Be­deu­tung, und ich bin sprach­los, dass sie sich so viele Ge­dan­ken über diese An­schaf­fun­gen ge­macht hat. Sie führt mich durch den ge­sam­ten Wohn­be­reich und zeigt mir jede ein­zel­ne De­ko­ra­ti­on. Sie nimmt es nicht wahr, aber ich schon, dass Ve­ro­ni­ca in den Flur schlüpft und uns al­lein lässt.
Ich komme nicht umhin, zu be­mer­ken, dass mein T-Shirt zwar viel ver­deckt, aber nicht ihre lan­gen Beine. Zwar habe ich be­schlos­sen, sie nicht zu mögen, aber ich bin auch ein Mann und weiß die sexy Rück­an­sicht einer Frau zu schät­zen.
Als sie weg ist, un­ter­bre­che ich Ja­nel­les über­schwäng­li­che Prä­sen­ta­ti­on un­se­rer neu ein­ge­rich­te­ten Woh­nung und frage: „Warum seid ihr hier? Warum hat sie mein T-Shirt an? Wie habt ihr all das Zeug ge­kauft?“
Ja­nel­les Ge­sicht, das zuvor vor Freu­de ge­strahlt hat, ver­zieht sich, als sie mur­melt: „Weil sie woll­te, dass ich ein schö­nes Weih­nach­ten habe.“
„Fuck.“ Ich stoße einen ent­schul­di­gen­den Fluch aus und ziehe meine Schwes­ter so­fort in eine feste Um­ar­mung. Sie er­schrickt bei der plötz­li­chen Be­we­gung und der in­ten­si­ven Zur­schau­stel­lung von Zu­nei­gung.
Ich drü­cke meine Lip­pen auf ihren Kopf, bevor ich sie be­ru­hi­ge. „Ich bin ein Arsch­loch. Ich hätte mit dir zu­sam­men de­ko­rie­ren sol­len.“
Das be­sänf­tigt sie und sie kommt wie­der ins Schwär­men. „Ve­ro­ni­ca ist su­per­cool. Ich dach­te, es würde dir nichts aus­ma­chen.“
Ich schütt­le den Kopf. „Na­tür­lich macht es mir nichts aus“, sage ich und ziehe sie in eine wei­te­re Um­ar­mung. „Die Woh­nung sieht toll aus. Ich werde ihr das Geld zu­rück­er­stat­ten.“
„Mach dir keine Mühe“, ent­geg­net Ve­ro­ni­ca kühl hin­ter uns, und wir dre­hen uns beide zu ihr um, wobei ich meine Schwes­ter los­las­se.
Ve­ro­ni­ca hat nicht mehr mein T-Shirt an, son­dern ein sehr schö­nes Kleid. Ihr Haar ist nicht mehr ganz so ver­wu­schelt, und ich ver­mu­te, dass sie mit den Fin­gern durch ihre Haare ge­fah­ren ist. Sie hält High Heels in der Hand, und wäh­rend sie Ja­nel­le lie­be­voll an­lä­chelt, stützt sie sich, um das Gleich­ge­wicht zu hal­ten, mit einer Hand auf der Couch ab und schlüpft in einen Schuh und dann in den an­de­ren.
Gott. Sie hat wirk­lich tolle Beine.
Ja­nel­le stößt mir mit dem Ell­bo­gen in die Rip­pen, was mich dazu ver­an­lasst, zäh­ne­knir­schend zu sagen: „Die Woh­nung sieht toll aus.“
Ve­ro­ni­cas Lä­cheln ist aus­drucks­los und reicht nicht bis zu ihren Augen. „Danke.“
Aus die­sem Aus­tausch geht her­vor, dass wir uns kein biss­chen mögen.
Egal, ich bin nicht dar­auf aus, Freun­de zu fin­den. Zu­min­dest nicht au­ßer­halb mei­nes Teams, das de­fi­ni­tiv Prio­ri­tät haben muss.
Ve­ro­ni­ca geht zu mei­ner Schwes­ter und zieht sie in eine Um­ar­mung. Als sie zu­rück­tritt, lässt sie ihre Hände auf Ja­nel­les Schul­tern lie­gen und sieht ihr in die Augen.
„Wir ba­cken ein an­de­res Mal Kekse, okay?“
Ja­nel­le nickt und lä­chelt.
„Wir sehen uns über­mor­gen bei der Ar­beit. Wenn du eine Mit­fahr­ge­le­gen­heit brauchst, ruf mich an.“
Ja­nel­le nickt er­neut. „Das werde ich.“
„Ich werde sie mit zur Ar­beit neh­men kön­nen“, sage ich und habe das Ge­fühl, dass ich ab­sicht­lich aus die­sem Ge­spräch aus­ge­schlos­sen werde.
Ve­ro­ni­ca be­stä­tigt meine Worte nicht, son­dern geht um mich herum ins Foyer. Sie hebt eine Hand­ta­sche auf, die ich vor­her nicht be­merkt habe, schaut noch ein­mal über die Schul­ter zu Ja­nel­le und wirft ihr einen Luft­kuss zu.
„Bis spä­ter, Klei­nes. Und jetzt schlaf wei­ter.“
Ich will ver­dammt sein, wenn mich ihr In­ter­es­se und ihre Für­sor­ge für meine Schwes­ter nicht ner­ven. Ich ver­ste­he noch nicht mal, warum das so ist, denn ich soll­te Ja­nel­le nie­mals die Für­sor­ge oder Zu­nei­gung von je­mand an­de­rem miss­gön­nen.
Viel­leicht liegt es daran, dass diese Frau sich so ver­hält, wie ich mich mei­ner Schwes­ter ge­gen­über ver­hal­ten soll­te.
Der Schein­wer­fer strahlt mich ge­ra­de wie­der ziem­lich stark an.
Wie auch immer, ich mag diese Frau de­fi­ni­tiv nicht und bin froh, dass sie weg ist.

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