Pittsburgh Titans: Hendrix

Ori­gi­nal­ti­tel: Hen­d­rix: A Pitts­burgh Ti­tans Novel
Über­set­zer: San­dra Mar­tin

Er­schie­nen: 09/2023
Serie: Pitts­burgh Ti­tans
Teil der Serie: 7

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Pitts­burgh


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-646-1
ebook: 978-3-86495-647-8

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Pittsburgh Titans: Hendrix


In­halts­an­ga­be

Hen­d­rix Ba­te­man ist einer der drei Spie­ler, die nicht im ver­un­glück­ten Flug­zeug der Pitts­burgh Ti­tans saßen. Seit­dem ist er ent­schlos­sen, das Beste aus sei­nem Leben zu ma­chen. Aber das be­deu­tet nicht, dass er nicht unter sei­nen un­sicht­ba­ren Nar­ben lei­det.

Nach dem Tod mei­ner Ti­tans-Brü­der durch­leb­te ich ein Wech­sel­bad der Ge­füh­le. Ich war am Boden zer­stört, aber auch dank­bar, über­lebt zu haben. Ja, das mag ein paar - okay, sehr viele - Schuld­ge­füh­le her­vor­ru­fen, aber ich will jeden Tag so leben, als wäre es mein letz­ter.

Bei einem Abend mit Freun­den ge­ra­te ich ins Fa­den­kreuz von Stevie Kis­ner, einer um­wer­fend schö­nen Bar­be­sit­ze­rin mit schar­fer Zunge und feu­ri­gem Blick. Bis­lang habe ich jede Her­aus­for­de­rung an­ge­nom­men, also lasse ich mich weder von Stevie noch von ihrem gro­ßen Bi­ker-Va­ter ab­schre­cken, der so aus­sieht, als wolle er mich um­brin­gen. An­ge­trie­ben von zu viel Al­ko­hol und dem laut­star­ken Drän­gen mei­ner Team­ka­me­ra­den will ich Stevie zei­gen, dass ich nicht nur auf dem Eis etwas drauf habe.

Ob­wohl ich zu Be­ginn nur Spaß haben will, fas­zi­niert Stevie mich. Sie ist höl­lisch cool und zu­sam­men bren­nen wir lich­ter­loh. Aber je näher ich sie ken­nen­ler­ne, desto auf­fäl­li­ger wird, dass sie etwas vor mir ver­birgt. Da ich nach mei­ner letz­ten ge­schei­ter­ten Be­zie­hung Pro­ble­me habe, an­de­ren zu ver­trau­en, muss ich ent­schei­den, ob ich mir von der Ver­gan­gen­heit die Zu­kunft dik­tie­ren lasse, oder ob ich mein Herz aufs Spiel setze, um her­aus­zu­fin­den, ob Stevie das ist, was ich glau­be - mein Ein und Alles.

 

 

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Pitts­burgh Ti­tans Serie

Le­se­pro­be

Hen­d­rix

Auf dem Ta­blett, das sie mit einer Hand über ihre Schul­ter stemmt, ste­hen sechs Glä­ser Bour­bon und eine Fla­sche Was­ser. Sie zwin­kert Har­low zu, die auf Sto­nes Knien ba­lan­ciert, wäh­rend er mit uns an einem Tisch im hin­te­ren Teil der Knei­pe sitzt.
Sie streckt das Ta­blett zu­erst Har­low ent­ge­gen, die die Fla­sche Was­ser nimmt, da sie kei­nen Al­ko­hol trinkt. „Danke, Stevie.“
Stevie. Der Name ge­fällt mir. Er passt per­fekt zu ihr.
„Hoch die Tas­sen“, ruft sie, als sie das Ta­blett in ihren Hän­den dreht und es vor uns ab­stellt, ohne einen Trop­fen zu ver­schüt­ten. Ihre Stim­me klingt...

...​rauchig, als hätte sie die ganze Nacht lang ge­sun­gen.
Die Jungs grei­fen nach ihren Drinks, bis nur noch mein Glas übrig ist. Stevie legt den Kopf schief und zeigt mit einem Ni­cken dar­auf. „Ich habe ge­hört, du fei­erst das Ende dei­ner to­xi­schen Be­zie­hung. Gra­tu­lie­re.“
Ki­rill schnaubt, da er mir am nächs­ten ist, nehme ich ihm das Glas aus der Hand und biete es Stevie an. „Du soll­test mit mir fei­ern.“
Mit ihren sturm­blau­en Augen wirft sie einen Blick auf das Glas und sieht dann wie­der mich an. Dann ver­zieht sie ihre vol­len, wei­chen und un­ge­schmink­ten Lip­pen zu einem Lä­cheln. „Kein In­ter­es­se.“
Sie klemmt das Ta­blett unter ihren Arm und wen­det sich ab. Ich drän­ge mich vor sie und stel­le mich ihr in den Weg. „Ich heiße üb­ri­gens Hen­d­rix.“
Ich stre­cke ihr meine Hand ent­ge­gen und bin über­rascht, als sie sie er­greift. „Stevie.“
Sie ver­sucht, sich mei­nem Griff zu ent­zie­hen, doch ich halte sie fest. „Das ist ein in­ter­es­san­ter Name.“
„Mein Vater ist ein in­ter­es­san­ter Typ“, er­wi­dert sie, wäh­rend ich immer noch ihre Hand fest­hal­te. „Er hat mir den Namen ge­ge­ben.“
„Ach wirk­lich?“
Sie nickt, dann wen­det sie sich der Bar zu. „Siehst du den gro­ßen Kerl, der am Ende des Tre­sens sitzt?“
„Du meinst den Typen, der uns an­starrt?“ Er ist rie­sig und scheint mich mit sei­nem Blick zu durch­boh­ren.
„Er starrt nicht uns an, son­dern dich.“
Hm … wahr­schein­lich könn­te ich es mit ihm auf­neh­men, aber ich bin viel zu ent­spannt, um mich jetzt auf eine Knei­pen­schlä­ge­rei ein­zu­las­sen. Au­ßer­dem reden wir hier von ihrem Dad, und wenn ich sie be­ein­dru­cken will, kann ich den Kerl nicht ein­fach k. o. schla­gen.
Also lasse ich ihre Hand los. „Ich nehme an, er ist ein Stevie-Nicks-Fan.“
„Ich bin be­ein­druckt, dass du über­haupt weißt, wer das ist.“ Stevie steckt eine Hand in die Ge­säß­ta­sche ihrer Jeans und be­gut­ach­tet mich. „Du siehst aus, als wäre Jus­tin Tim­ber­la­ke eher dein Ding.“
Ich lege mir eine Hand aufs Herz und zucke ge­kränkt zu­sam­men. „Das tut weh. Meine Tante Rory ist ein gro­ßer Stevie-Nicks-Fan, also kann ich dir ver­si­chern, dass ich alles über ihre Musik weiß.“
Sie zieht eine per­fekt ge­wölb­te Au­gen­braue in die Höhe. „Das sagst du doch nicht nur so, oder?“
Mit dem Zei­ge­fin­ger zeich­ne ich ein un­sicht­ba­res Kreuz über mei­nem Her­zen. „Ganz ehr­lich, sie ist ein wasch­ech­ter Fan. Sie hat keine Kin­der und recht­fer­tigt diese Tat­sa­che immer mit Stevie Nicks’ Ent­schei­dung, eben­falls keine Kin­der zur Welt zu brin­gen und ein­fach die ver­rück­te Tante zu sein, die ihre Nich­te ver­wöhnt.“
„Das klingt plau­si­bel“, räumt Stevie ein, ob­wohl sie immer noch arg­wöh­nisch drein­blickt.
„Willst du denn nicht doch etwas mit mir trin­ken, damit wir uns wei­ter dar­über un­ter­hal­ten kön­nen?“, drän­ge ich.
Sie sieht zur Decke auf, als müss­te sie dar­über nach­den­ken, dann be­geg­net sie wie­der mei­nem Blick. In ihren Augen liegt ein un­ter­kühl­ter Aus­druck, der alle meine Hoff­nun­gen zu­nich­te­macht. „Immer noch kein In­ter­es­se.“
Als sie sich ge­ra­de ab­wen­den will, sage ich has­tig: „Gib mir nur zehn Mi­nu­ten dei­ner Zeit. Das ist alles, was ich will.“
„Wozu brauchst du zehn Mi­nu­ten?“
„Um dich zu über­re­den, mit mir aus­zu­ge­hen.“ Ich schen­ke ihr ein über­aus char­man­tes Lä­cheln, doch sie starrt mich wei­ter ver­bis­sen an.
„Du bräuch­test weit mehr als zehn Mi­nu­ten und wahr­schein­lich li­ter­wei­se Al­ko­hol, um mich zu einem Date zu über­re­den.“
„Nur zehn Mi­nu­ten“, ver­si­che­re ich ihr. „Unter vier Augen.“
In ihren Augen leuch­tet ein Fun­keln auf, und wenn ich raten müss­te, hätte ich ge­sagt, dass darin ein An­flug von In­ter­es­se zu sehen ist. Nichts­des­to­trotz lässt sie mich er­neut ab­blit­zen. „Tut mir leid. Meine Zeit ist viel zu kost­bar.“
„Dann lass uns eine Wette ab­schlie­ßen.“
„Wor­auf willst du denn wet­ten?“
„Wie wäre es mit einer Par­tie Bil­lard oder Darts? Du kannst es dir aus­su­chen. Falls ich ge­win­ne, darf ich zehn Mi­nu­ten mit dir al­lein ver­brin­gen, um dich zu über­zeu­gen.“
„Und falls ich ge­win­ne?“, fragt sie und macht einen Schritt auf mich zu.
„Was hät­test du denn gern?“
Sie lässt ihren Blick durch die Knei­pe schwei­fen, die sich mitt­ler­wei­le etwas ge­leert hat. Wir alle haben uns mit den Fans ab­lich­ten las­sen und uns mit ihnen un­ter­hal­ten. „Du wirst am Ende mei­ner Schicht den Putz­dienst über­neh­men.“
„Ab­ge­macht“, stim­me ich ohne zu zö­gern zu. Ich scheue mich nicht davor, einen Putz­lap­pen in die Hand zu neh­men. Selbst wenn ich ver­lie­ren würde, könn­te ich auf diese Weise immer noch Zeit mit ihr al­lein ver­brin­gen, um sie für mich zu ge­win­nen.
„Bin gleich wie­der da“, sagt sie nur.
Ich drehe mich zu mei­nen Freun­den um, gebe Ki­rill sein Glas zu­rück und hebe mein ei­ge­nes. „Prost.“
Sie fol­gen mei­nem Bei­spiel und trin­ken ihren Whis­key in einem Zug.
Ich gehe hin­über zu Stone und Har­low und zeige mit dem Dau­men über die Schul­ter. „Was hat es mit die­ser Kell­ne­rin auf sich? Stevie?“
Har­low lacht. „Ihr ge­hört die Knei­pe. Wir sind zu­sam­men zur High­school ge­gan­gen.“
Das macht sie noch viel in­ter­es­san­ter. „Leg ein gutes Wort für mich ein, in Ord­nung?“
„Ein gutes Wort? Warum?“, will Har­low wis­sen.
„Ich ver­su­che, sie dazu zu über­re­den, mit mir aus­zu­ge­hen.“
„Alter“, wirft Stone ein und schüt­telt amü­siert den Kopf. „Du hast doch ge­ra­de erst mit dei­ner Freun­din Schluss ge­macht.“
„Was er­war­test du denn?“, frage ich und grei­fe nach mei­nem Glas Fass­bier auf dem Tisch. „Ihr habt mir doch alle wo­chen­lang damit in den Ohren ge­le­gen, dass ich Tracy den Lauf­pass geben soll.“
„Du brauchst wohl je­man­den, der dir über die Tren­nung hin­weg­hilft“, sti­chelt Stone.
„Das ist nicht wahr. Nie­mand muss mir über die Tren­nung hin­weg­hel­fen, denn ich leide nicht an einem ge­bro­che­nen Her­zen.“
„Er hat nicht un­recht“, mel­det sich Har­low zu Wort und legt einen Arm um Sto­nes Schul­ter, bevor sie mich mit ihren grü­nen Augen mus­tert. „Aber Stevie ist ganz si­cher nicht dein Typ, also ver­schwen­dest du nur deine Zeit.“
„Woher willst du wis­sen, ob sie mein Typ ist oder nicht?“ Kaum ist mir die Frage über die Lip­pen ge­kom­men, be­ant­wor­te ich sie selbst. „Also schön, zu­ge­ge­ben … du bist mit ihr be­freun­det und kennst sie bes­ser als ich. Aber ich denke, ich werde diese Ent­schei­dung letzt­lich selbst tref­fen.“
„Hey“, er­wi­dert Har­low und hält be­schwich­ti­gend die Hände in die Höhe. „Tu dir kei­nen Zwang an, Kum­pel.“
„Ich habe mit ihr auf eine Par­tie Bil­lard ge­wet­tet. Wenn ich ge­win­ne, muss sie mir zehn Mi­nu­ten ihrer Zeit schen­ken, die ich auf ma­gi­sche Weise nut­zen werde, um sie davon zu über­zeu­gen, mit mir aus­zu­ge­hen.“
Har­low krümmt sich vor La­chen und Stone gluckst leise vor sich hin.
„Was ist denn?“, frage ich.
Stone bricht in schal­len­des Ge­läch­ter aus und ant­wor­tet: „Alter … ihr ge­hört eine Knei­pe. Und nicht nur das, sie hat sie von ihrem Groß­va­ter ge­erbt und ist in dem Laden auf­ge­wach­sen. Du wirst sie auf kei­nen Fall bei einer Par­tie Bil­lard schla­gen kön­nen.“
Hm … das könn­te tat­säch­lich zu einem Pro­blem wer­den. Al­ler­dings spie­le ich eben­falls schon seit mei­ner Kind­heit Bil­lard. Und dank Tante Rory, die alles liebt, was mit Stevie Nicks zu tun hat, habe ich auch schon ei­ni­ge Knei­pen von innen ge­se­hen.

Stevie

„Was will denn der Schön­ling von dir?“, fragt mein Vater, als ich mich wie­der hin­ter den Tre­sen stel­le und das Ta­blett neben einer Kühl­box ab­le­ge. Er wirft einen Blick über seine Schul­ter auf Har­low, Stone und des­sen Mann­schafts­ka­me­ra­den, die ge­ra­de an ihrem Bier nip­pen, nach­dem sie ihre Schnaps­glä­ser ge­leert haben.
„Er woll­te sich mit mir ver­ab­re­den“, ant­wor­te ich bei­läu­fig, als ich nach mei­nen Queue-Kof­fer grei­fe. „Ich habe ab­ge­lehnt, aber er hat be­haup­tet, wenn ich ihm zehn Mi­nu­ten mei­ner Zeit schen­ke, kann er mich über­re­den, mit ihm aus­zu­ge­hen.“
„Und du gibst ihm zehn Mi­nu­ten, indem du mit ihm eine Par­tie Bil­lard spielst?“, will er wis­sen, als er sich mir wie­der zu­wen­det.
„Nein, er hat mit mir darum ge­wet­tet, dass er mich im Bil­lard schla­gen kann. Wenn ich ver­lie­re, be­kommt er zehn Mi­nu­ten.“
Mein Vater lacht leise und führt sein Bier­glas zum Mund. Als er es wie­der ab­stellt, sagt er: „Weiß er, dass du ein Ass bist?“
Ich schen­ke ihm ein ver­schmitz­tes Grin­sen. „Er hat nicht da­nach ge­fragt.“
Nach­dem ich den Kof­fer ge­öff­net habe, schrau­be ich mein Queue zu­sam­men und lasse mei­nen Blick durch die Knei­pe schwei­fen. Es ist bei Wei­tem nicht mehr so viel los wie zu Be­ginn der Ver­an­stal­tung, aber es sind immer noch mehr Gäste da als an einem ge­wöhn­li­chen Abend. Ich habe zwei An­ge­stell­te hin­ter dem Tre­sen und einen, der die Ti­sche be­dient, aber ich zö­ge­re den­noch. Für ge­wöhn­lich mache ich nie eine Pause, wenn ich ar­bei­te.
„Ich werde, wenn nötig, ein­sprin­gen“, er­klärt mein Vater, der sehen kann, wie ich mit mir ha­de­re. „Au­ßer­dem soll­test du ein biss­chen Zeit mit Har­low ver­brin­gen. Du hast den gan­zen Abend ge­ar­bei­tet und konn­test nicht ein­mal den Er­folg ge­nie­ßen.“
Mein Herz schwillt fast über vor Liebe zu mei­nem Vater. Er kennt mich in- und aus­wen­dig und ist immer der Erste, der sich ver­ge­wis­sert, dass ich auf mich selbst achte. Auch wenn das nur be­deu­tet, dass ich mir eine Aus­zeit nehme, um etwas Spaß zu haben.
Und es wird durch­aus Spaß ma­chen, dem gut aus­se­hen­den Eis­ho­ckey­spie­ler eine Lek­ti­on zu er­tei­len, denn er glaubt wirk­lich, dass er viel zu char­mant ist, als dass ich ihm sei­nen Wunsch ver­wei­gern könn­te.
„Ruf mich, falls es zu hek­tisch wird“, sage ich, als ich hin­ter dem Tre­sen her­vor­tre­te und ihm einen Stoß mit der Schul­ter ver­set­ze.
„Ich habe alles im Griff“, ant­wor­tet er mit sei­ner für ihn ty­pi­schen rauen Stim­me. Mehr als ein­mal habe ich ge­hört, wie je­mand be­haup­tet hat, er klin­ge wie Sam El­li­ot. „Und sag dem Jun­gen, wenn er deine Hand noch ein­mal so fest­hält wie ge­ra­de eben, schnei­de ich ihm seine ab.“
Mit einem Schnau­ben schütt­le ich den Kopf. Wahr­schein­lich wäre mein Vater tat­säch­lich zu so etwas in der Lage, doch er müss­te mir schon zu­vor­kom­men. Wenn ich nicht ge­wollt hätte, dass Hen­d­rix mich be­rührt, dann hätte ich ihn dazu ge­bracht, los­zu­las­sen. Als weib­li­che Knei­pen­be­sit­ze­rin, die sich immer wie­der mit einer un­ge­ho­bel­ten Kli­en­tel her­um­schla­gen darf, muss man wis­sen, wie man einen Mann in seine Schran­ken weist.
Ich gehe mit mei­nem Queue auf einen der Bil­lard­ti­sche zu und be­geg­ne Hen­d­rix’ Blick. Mit einem Kopf­ni­cken si­gna­li­sie­re ich ihm, dass er mir fol­gen soll, damit ich ihm in den Arsch tre­ten kann.
Er kommt zu mir an den Tisch, ge­folgt von Har­low, Stone und den an­de­ren Spie­lern, die ich bis­her noch nicht ken­nen­ge­lernt habe. Heute Abend war viel los, daher hat Har­low sich um die Spiel­zeug­samm­lung und die Fotos ge­küm­mert, so­dass ich mich aufs Ge­schäft kon­zen­trie­ren konn­te. Dank des Be­kannt­heits­grads der Ti­tans haben sich mehr Kun­den ein­ge­fun­den, als in den letz­ten drei­ßig Tagen zu­sam­men, und dar­auf war ich nicht vor­be­rei­tet.
Har­low stellt mich den an­de­ren vor. Da ich ein gro­ßer Fan bin, er­ken­ne ich jeden ein­zel­nen von ihnen.
„Was willst du spie­len?“, frag­te ich Hen­d­rix, wäh­rend ich nach der blau­en Krei­de grei­fe.
„9-Ball“, ant­wor­tet er und geht zum Wand­re­gal, um einen Queue zu wäh­len.
Ich zwin­ke­re Har­low zu, die die Lip­pen zu einem Grin­sen ver­zieht. Sie weiß, wie gut ich spie­le, und ich frage mich, ob sie ihn vor­ge­warnt hat. Ich habe fest vor, diese Par­tie zu ge­win­nen und mei­nen Ge­winn ein­zu­for­dern, indem ich Hen­d­rix heute Abend die Bar put­zen lasse. Ir­gend­wann werde ich mich mit mei­ner Freun­din dar­über lus­tig ma­chen, wenn wir uns das nächs­te Mal mit­ein­an­der un­ter­hal­ten.

Mir fällt die Kinn­la­de her­un­ter, als ich dabei zu­se­he, wie die Neun nach Hen­d­rix’ be­ein­dru­cken­dem Ban­den­schuss lang­sam in die Sei­ten­ta­sche rollt. Er stützt sich auf sein Queue und grinst mich über den Bil­lard­tisch hin­weg an. Aus den Au­gen­win­keln sehe ich, wie seine Freun­de sich Geld­schei­ne zu­schie­ben. Ganz of­fen­sicht­lich wuss­ten ei­ni­ge von ihnen, dass er ein ver­dammt guter Spie­ler ist, und haben auf ihn ge­wet­tet.
Dabei ist es nicht ein­mal so, dass ich ihm nichts zu­ge­traut hätte, doch ich bin wirk­lich ein Ass im Bil­lard. Lei­der habe ich heute Abend nicht mein gan­zes Po­ten­zi­al aus­ge­schöpft.
Har­low stellt sich neben mich, lehnt sich zu mir hin­über und flüs­tert: „Es hat fast den An­schein, als hät­test du ver­lie­ren wol­len.“
„Ich woll­te nicht ver­lie­ren“, er­wi­de­re ich mit einem lei­sen Knur­ren. „Ich hasse es.“
„Wenn du es sagst“, mur­melt sie be­lus­tigt und lässt ihren Blick auf die an­de­re Seite des Bil­lard­tischs schwei­fen, als Hen­d­rix’ Freun­de ihm ge­ra­de auf den Rü­cken klop­fen. Er schenkt ihnen je­doch kei­ner­lei Auf­merk­sam­keit, son­dern starrt mich durch­drin­gend an. „Wenn ich raten müss­te, würde ich sagen, du wirst die zehn Mi­nu­ten ge­nie­ßen, die er ge­ra­de ge­won­nen hat.“
Ich wende mich Har­low zu, packe ihr Hand­ge­lenk und ziehe sie ein Stück bei­sei­te. „Was er­war­tet er in die­sen zehn Mi­nu­ten von mir?“
Har­low lacht. „Nicht mehr als das, was du zu geben be­reit bist, also ent­spann dich. Hen­d­rix ist ein net­ter Kerl, das kann ich dir ver­si­chern.“
„Aber er hat ge­ra­de mit sei­ner Freun­din Schluss ge­macht.“ Das klingt nicht ge­ra­de da­nach, als wäre er son­der­lich nett.
„Glaub mir“, er­wi­dert Har­low und beugt sich vor, „es war höchs­te Zeit, dass er sich von ihr ge­trennt hat. Ich habe noch nie zuvor eine der­art un­an­ge­neh­me Per­son ken­nen­ge­lernt.“
„Warum war er dann mit ihr zu­sam­men?“, frage ich neu­gie­rig.
Har­low zuckt mit den Schul­tern. „Du hast zehn Mi­nu­ten mit ihm al­lein. Viel­leicht soll­test du ihn da­nach fra­gen.“ Ich stoße ein Schnau­ben aus, denn ich in­ter­es­sie­re mich nicht für sein Pri­vat­le­ben. „Aber ich würde vor­schla­gen, dass du wei­ter mit ihm flir­test. Es hat Spaß ge­macht, euch bei­den zu­zu­se­hen.“
Dies­mal ver­dre­he ich die Augen, denn man kann mir ge­wiss nicht nach­sa­gen, dass ich zum Flir­ten auf­ge­legt bin. Na­tür­lich lasse ich mei­nen Charme spie­len, wenn ich hin­ter dem Tre­sen stehe, aber das ge­hört zu mei­nem Job – und bringt mehr Trink­geld.
Nichts­des­to­trotz habe ich mit Hen­d­rix ge­schä­kert, als wir um den Bil­lard­tisch her­um­gin­gen, Win­kel ab­schätz­ten und un­se­re Stöße aus­rich­te­ten. Ich weiß, dass der Al­ko­hol wahr­schein­lich sein na­tür­li­ches Cha­ris­ma ver­stärkt hat, aber ver­dammt, es macht Spaß, mit ihm zu­sam­men zu sein. Er hat ein fröh­li­ches Gemüt, ist wit­zig und ei­gent­lich ein rich­ti­ger Gen­tle­man, trotz sei­nes of­fen­sicht­li­chen In­ter­es­ses an mir als Frau.
„Ich hätte jetzt gern meine zehn Mi­nu­ten.“ Als ich Hen­d­rix’ Stim­me höre, drehe ich mich um und sehe, dass er di­rekt hin­ter mir steht, wobei er einen kur­zen Blick auf Har­low wirft. „Und ich will deine un­ge­teil­te Auf­merk­sam­keit, was be­deu­tet, dass wir uns nicht mit­ein­an­der un­ter­hal­ten kön­nen, wäh­rend du hin­ter der Bar ar­bei­test. Wir müs­sen uns also einen ru­hi­ge­ren Ort su­chen.“
Ich lasse mei­nen Blick durch die Knei­pe schwei­fen, in der sich immer noch etwa drei­ßig Gäste be­fin­den, und zeige dann mit einem Ni­cken auf die Juke­box. „Ich kann wohl kaum die Musik ab­stel­len.“
Er schenkt mir ein ver­schmitz­tes Grin­sen, wobei er Har­low sei­nen Queue in die Hand drückt und dann meine Hand er­greift. „Glück­li­cher­wei­se bin ich ein auf­merk­sa­mer Be­ob­ach­ter.“
Zu mei­nem Ent­set­zen führt mich Hen­d­rix quer durch die Knei­pe in den klei­nen Flur, von dem auf der einen Seite die Toi­let­ten und auf der an­de­ren der La­ger­raum ab­ge­hen.
Er öff­net die Tür zum La­ger­raum und zieht mich hin­ein. Ich werfe noch einen Blick zu­rück zum Tre­sen und stel­le fest, dass mein Vater mich wach­sam be­ob­ach­tet, sich aber nicht von der Stel­le rührt. Er weiß, dass ich auf mich selbst auf­pas­sen kann, aber ich bin über­zeugt davon, dass Hen­d­rix sich ge­ra­de einen Mi­nus­punkt ein­ge­han­delt hat, weil er mich un­ge­fragt in den pri­va­ten Be­reich ge­zo­gen hat. Aber das ist nicht mein Pro­blem, vor allem, da ich ihn nach die­sen zehn Mi­nu­ten nie wie­der sehen werde.
Hen­d­rix schließt die Tür und schaut sich in dem klei­nen Raum um. An den Wän­den be­fin­den sich Ein­bau­re­ga­le aus Holz, die mit Vor­rä­ten be­stückt sind, wäh­rend in der Mitte Bier­käs­ten ge­sta­pelt sind. Er hält immer noch meine Hand und zieht mich zu einem Stuhl, der ver­las­sen in einer Ecke steht und in des­sen Sitz­flä­che sich ein klei­ner Riss be­fin­det.
Hen­d­rix lässt meine Hand los und drückt mit einer Hand auf die Sitz­flä­che. Zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen bin ich ent­zückt, dass er zu­erst tes­tet, ob der Stuhl sta­bil ist, bevor er mich an den Schul­tern packt und sanft dar­auf schiebt.
Mit einer Hand stützt er sich an einem der Holz­re­ga­le ab, die an­de­re steckt er läs­sig in die Ta­sche sei­ner Jeans, wobei er die Füße an den Knö­cheln kreuzt. „Also schön … da ich nur zehn Mi­nu­ten habe …“
„Die jetzt be­gin­nen“, un­ter­bre­che ich ihn und werfe einen Blick auf meine Arm­band­uhr.
Er fährt ohne zu zö­gern fort. „Du soll­test wis­sen, dass es vor allem mein Ziel ist, mit dir aus­zu­ge­hen. Daher wäre es hilf­reich, wenn du deine Be­den­ken äu­ßern könn­test, die dich viel­leicht daran hin­dern, einem Date zu­zu­stim­men. Wenn du dich zum Bei­spiel nicht zu mir hin­ge­zo­gen fühlst, kann ich nicht viel da­ge­gen tun und werde un­se­re Zeit nicht wei­ter ver­schwen­den.“
„Ich bin wirk­lich ein­fach viel zu be­schäf­tigt, um …“
„Aha“, ruft er tri­um­phie­rend aus. „Dann fühlst du dich also zu mir hin­ge­zo­gen.“
„Das habe ich nicht ge­sagt“, ent­geg­ne ich und stehe auf, wobei ich ver­su­che, ein Lä­cheln zu un­ter­drü­cken.
„Du hast es aber auch nicht ver­neint“, er­wi­dert er grin­send und löst sich blitz­schnell aus sei­ner läs­si­gen Pose, um einen Schritt auf mich zu­zu­ge­hen. Dabei drängt er mich mit dem Rü­cken gegen die Re­ga­le und stützt seine Hände zu bei­den Sei­ten mei­ner Schul­tern ab. „Ge­ra­de eben hast du den Ein­druck ge­macht, als woll­test du die Flucht er­grei­fen.“

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