Kings of Retribution MC: Blind Deception

Ori­gi­nal­ti­tel: Un­bre­a­ka­ble (Kings of Re­tri­bu­ti­on MC Book 8)
Über­set­zer: Sven­ja Ohl­sen

Er­schie­nen: 03/2024
Serie: Kings of Re­tri­bu­ti­on MC
Teil der Serie: 9

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Motor­cy­cle Club Ro­mance
Zu­sätz­lich: Krimi

Lo­ca­ti­on: Mon­ta­na, New Or­leans


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-674-4
ebook: 978-3-86495-675-1

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Kings of Retribution MC: Blind Deception

,

In­halts­an­ga­be

Aus­tin Blacks­to­ne lebt und atmet für sei­nen Club - seine Fa­mi­lie. Mit sieb­zehn Jah­ren brach­te eine Tra­gö­die Aus­tin und seine Schwes­ter nach Pol­son, Mon­ta­na, zu einem Groß­va­ter, den sie noch nie zuvor ge­se­hen hat­ten. Die­ser le­bens­ver­än­dern­de Umzug führ­te Aus­tin auch zum Kings of Re­tri­bu­ti­on MC, der für Fa­mi­lie und Brü­der­lich­keit steht. Immer wie­der be­wies Aus­tin als Pro­s­pect seine Loya­li­tät, und heute, Jahre spä­ter, trägt Aus­tin vol­ler Stolz das Ab­zei­chen sei­nes Clubs.

In New Or­leans trifft er auf Le­la­ni. Sie wird von sei­nem Club ge­ret­tet und Aus­tin will sie be­schüt­zen - sie als sein Ei­gen­tum be­an­spru­chen. Der Mo­ment, in dem Aus­tin sie küsst, wird ihm zum Ver­häng­nis.

Im Alter von drei­zehn Jah­ren gerät Le­la­ni Man­ci­nis Welt aus den Fugen, als sie bei einem tra­gi­schen Un­fall nicht nur ihre El­tern, son­dern auch ihr Au­gen­licht ver­liert. Le­la­nis Bru­der gibt ihr für alles die Schuld. Der Tod ihrer El­tern hin­ter­lässt eine klaf­fen­de Lücke in der Fa­mi­lie Man­ci­ni. Le­la­ni fühlt sich ver­lo­ren und hat damit zu kämp­fen, sich an ein Leben in der Dun­kel­heit zu ge­wöh­nen. Trotz ihrer Angst vor dem Un­be­kann­ten fin­det sie die Kraft und den Mut, wei­ter­zu­ma­chen. 

Jahre spä­ter kommt Le­la­ni einem Ge­heim­nis auf die Spur und er­fährt, dass sie ihr Ver­trau­en in die fal­schen Hände ge­legt hat. Die Men­schen, die sie be­schüt­zen sol­len, sind die­je­ni­gen, die Le­la­nis Tod wün­schen. Alles, was ihr ver­traut war, ist über Nacht ver­schwun­den.
Die Dun­kel­heit, in der Le­la­ni lebt, ist er­sti­ckend. Bis sie das Licht in einem über­für­sorg­li­chen, tä­to­wier­ten Mit­glied des Kings of Re­tri­bu­ti­on MC fin­det.

Aus­tin zu lie­ben ist ge­fähr­lich. Um ihr neues Leben zu schüt­zen, ist Le­la­ni nun die­je­ni­ge, die ein Ge­heim­nis hüten muss.

Über die Au­to­rin

Crys­tal Da­ni­els und Sandy Al­va­rez sind ein Schwes­tern-Duo und die USA To­day-Best­sel­ler­au­to­rin­nen der be­lieb­ten "Kings of Re­tri­bu­ti­on MC"-Se­rie.
Seit 2017 hat das Duo zahl­rei­che Ro­ma­ne ver­öf­fent­licht. Ihre ge­mein­sa­me Lei­den­schaft für Bü­cher und das Ge­schich­ten­er­zäh­len führ­te sie auf eine auf­re­gen­de Reise,...

Crys­tal Da­ni­els und Sandy Al­va­rez sind ein Schwes­tern-Duo und die USA To­day-Best­sel­ler­au­to­rin­nen der be­lieb­ten "Kings of Re­tri­bu­ti­on MC"-Se­rie.
Seit 2017 hat das Duo zahl­rei­che Ro­ma­ne ver­öf­fent­licht. Ihre ge­mein­sa­me Lei­den­schaft für Bü­cher und das Ge­schich­ten­er­zäh­len führ­te sie auf eine auf­re­gen­de Reise,...

Wei­te­re Teile der Kings of Re­tri­bu­ti­on MC Serie

Le­se­pro­be

Le­la­ni

„Weißt du, wo wir sind, Le­la­ni?“, fragt mich Piper.
„Nein, aber die Wände und die Tür sind aus Me­tall, also bin ich mir fast si­cher, dass wir nicht in einem Haus sind. Und du hast ge­sagt, es sei dun­kel und du könn­test nichts sehen. Als du mit dei­ner Freun­din ge­bracht wur­dest, hörte sich die Tür au­ßer­dem schwer an. Ich ver­mu­te, dass wir uns in einem Me­tall­schup­pen oder einer Art La­ger­con­tai­ner be­fin­den.“
Ge­ra­de als ich Piper meine Theo­rie er­läu­tert habe, öff­net sich die Tür er­neut und eine Frau kreischt: „Lasst mich los!“ Ge­folgt von dem un­ver­kenn­ba­ren Ge­räusch von Schlä­gen.
„Halt’s Maul,...

...​du Schlam­pe“, bellt ein Mann und ich er­ken­ne ihn als den Typen, der mich vor­hin ge­schubst hat. Kurz dar­auf sto­ßen meh­re­re schluch­zen­de Frau­en zu uns.
„Zeit zum Auf­bruch“, kom­men­tiert ein Mann. „Was ma­chen wir mit der blin­den Schlam­pe?“ Bei sei­ner Frage dreht sich mir der Magen um.
„Die­ses Arsch­loch Der­rick hat ge­sagt, er würde uns eine Be­loh­nung brin­gen.“
Sie reden über mei­nen Bru­der.
„Er hat nicht er­wähnt, dass das Mäd­chen blind ist. Wir wer­den den Boss ent­schei­den las­sen, was er mit ihr ma­chen will. In der Zwi­schen­zeit möch­te ich, dass du Der­rick ver­pfeifst. Wenn der Wich­ser denkt, dass wir damit quitt sind, soll­te er noch mal scharf nach­den­ken. Eine ein­zi­ge Frau tilgt seine Schuld nicht.“
Es kos­tet mich alles, den Mund zu hal­ten, wäh­rend diese Män­ner über mich reden. Ihre bei­läu­fi­ge Kon­ver­sa­ti­on lässt mich ver­mu­ten, dass das Ent­füh­ren von Frau­en für sie zum Ta­ges­ge­schäft ge­hört.
Wie aus dem Nichts er­greift Piper das Wort. „Du hast keine Ah­nung, was du getan hast.“ In ihrer stren­gen Stim­me schwingt eine War­nung mit.
„Ach ja,“ sagt ein Mann in einem her­ab­las­sen­den Ton. „Und was willst du schon un­ter­neh­men?“
„Ich werde gar nichts un­ter­neh­men müs­sen, Arsch­loch“, fährt Piper fort.
„Was zum Teu­fel soll das hei­ßen, du Mist­stück?“
Ich fange an, mir Sor­gen um Piper zu ma­chen, als sie sich wei­ter mit die­sen Män­nern an­legt.
„Das wirst du noch früh genug her­aus­fin­den.“
Die Luft um mich herum wirkt er­drü­ckend. Ich halte den Atem an und warte dar­auf, was als Nächs­tes pas­siert.
„Lass es gut sein, Boz. Die Alte will uns bloß pro­vo­zie­ren. Wir müs­sen uns auf den Weg ma­chen.“
Es ver­ge­hen ei­ni­ge Se­kun­den, bis die Tür er­neut zu­schlägt. „Piper?“, krächzt Jia.
„Ja?“
„Was glaubst du, was mit uns pas­sie­ren wird?“
Jias Frage er­zeugt einen Kno­ten in mei­ner Ma­gen­gru­be und die an­de­ren Frau­en wim­mern.
„Meine Fa­mi­lie wird mich holen kom­men“, sagt Piper mit Über­zeu­gung. Die Art und Weise, wie sie das sagt, ver­an­lasst mich, zu über­le­gen, wer ihre Fa­mi­lie wohl sein mag und wie sie uns fin­den könn­te. Ge­ra­de als mir diese Ge­dan­ken durch den Kopf gehen, heult ein Lkw-Mo­tor auf und die Stahl­bö­den unter mir be­gin­nen zu vi­brie­ren. Wir ru­ckeln vor­wärts. In die­sem Mo­ment wird mir klar, dass wir uns in Be­we­gung ge­setzt haben.
Ich weiß nicht, wie lange wir schon un­ter­wegs sind, aber es kommt mir wie Stun­den vor. Meine Blase pro­tes­tiert und in un­se­rem Ge­fäng­nis ist es so heiß und schwül, dass meine Klei­dung durch­ge­schwitzt ist. Ge­ra­de als mir die Stil­le zu viel wird, er­tönt Pi­pers Stim­me. „Le­la­ni?“
„Ja?“, kräch­ze ich.
„Der Typ, von dem die Män­ner ge­spro­chen haben, Der­rick. Wer ist er?“
„Der­rick ist mein Bru­der.“
„Dein Bru­der hat dir das an­ge­tan?“, fragt Piper und ich kann die Trau­rig­keit in ihrer Stim­me spü­ren.
„Ja“, mur­me­le ich. Ich möch­te glau­ben, dass das alles ein Irr­tum ist und mein Bru­der so etwas nicht mit mir ma­chen würde. Aber egal, wie sehr ich es mir wün­sche, die Wahr­heit ist, dass er es getan hat.
„Mach dir keine Sor­gen, Le­la­ni. Wir wer­den bald hier raus­kom­men.“
„Warum bist du dir da so si­cher?“, fragt eine der an­de­ren Frau­en.
Jia, Pi­pers Freun­din, ist die­je­ni­ge, die ant­wor­tet. „Weil Pi­pers knall­har­te Bi­ker­fa­mi­lie uns fin­den wird. Stimmt’s, Piper?“
„Das wer­den sie. Ich weiß, dass sie es wer­den“, be­ru­higt Piper ihre Freun­din. „Woher sol­len sie wis­sen, wo sie euch fin­den kön­nen?“, schal­te ich mich ein.
„Das wer­den sie ein­fach. Ver­trau mir.“
„Ich bete, dass du Recht hast“, sage ich und meine Stim­me klingt leise. Wenn es stimmt, was Piper sagt, dass ihre Fa­mi­lie sie ir­gend­wie fin­den wird, ist das viel­leicht un­se­re ein­zi­ge Hoff­nung, hier raus­zu­kom­men. Au­ßer­dem bin ich neu­gie­rig, wer diese Biker sind.
Ich bin mir nicht si­cher, wann ich es ge­schafft habe, ein­zu­schla­fen, aber das nächs­te, was ich weiß, ist, dass der Truck mit einem lau­ten Knall zum Ste­hen kommt und uns auf­schre­cken lässt. Eine Mi­nu­te spä­ter schwingt die Tür auf. Ich atme die fri­sche Brise ein, die her­ein­strömt.
„Ihr habt fünf Mi­nu­ten Zeit“, sagt ein Mann, ge­folgt von einem kra­chen­den Auf­prall neben mei­nen Füßen. Ich lehne mich wei­ter an die Wand, ohne zu wis­sen, was los ist.
„Für was?“, zischt Piper.
„Um zu pis­sen“, ent­geg­net das Arsch­loch.
Wovon redet er ei­gent­lich?
„Wir pin­keln nicht in einen Eimer“, knurrt Piper.
Hat die­ser Mann uns einen Eimer zu­ge­wor­fen, damit wir uns darin er­leich­tern?
„Wie du willst“, ant­wor­tet er. „Was ist mit dir?“ Eine Se­kun­de spä­ter spüre ich eine Hand auf mei­nem Ober­schen­kel. „Da du nichts sehen kannst, wäre ich be­reit, für dich eine Aus­nah­me zu ma­chen und dir zu hel­fen.“ Ich er­schau­de­re bei den Wor­ten des Wi­der­lings und schla­ge seine Hand weg. Blitz­schnell gibt es eine Be­we­gung zu mei­ner Lin­ken.
„Lass deine ek­li­gen Hände von ihr.“ Piper kommt zu mei­ner Ver­tei­di­gung.
„Hör mal zu, du klei­ne Hure!“
„Ich bin keine Hure!“, schreit Piper.
„Du wirst eine sein. Viel­leicht bin ich sogar der­je­ni­ge, der dich ein­weiht.“ Ich schnap­pe nach Luft bei der plum­pen Dro­hung, die aus dem Mund des Man­nes kommt. „Nur über meine Lei­che, Arsch­loch“, sagt Piper mit Über­zeu­gung, und plötz­lich brüllt der Mann, der sie ver­höhnt hat. „Ahh! Du ver­damm­te Schlam­pe!“ Der Mann hört sich an, als hätte er Schmer­zen und ich habe Mühe, bei dem gan­zen Tru­bel den Über­blick zu be­hal­ten, bis ein Kör­per in mei­nem Schoß lan­det. Ich weiß so­fort, dass es Piper ist. Ich schlin­ge meine Arme um sie und tue mein Bes­tes, um sie zu schüt­zen.
„Das nächs­te Mal, wenn du so eine Num­mer ab­ziehst, brin­ge ich deine Freun­din um.“ Piper, die ich immer noch fest­hal­te, er­starrt in mei­nen Armen an­ge­sichts der Mord­dro­hung gegen eine von uns Ge­fan­ge­nen. Mit die­sen Wor­ten fällt die Tür wie­der zu.
„Was ist ge­ra­de pas­siert?“
„Ich habe dem Mist­kerl, der dich an­ge­fasst hat, eine ver­passt“, ant­wor­tet Piper.

Eine lange Zeit ver­geht und dann hält der Last­wa­gen an. Ich warte mit an­ge­hal­te­nem Atem dar­auf, dass sich die Tür wie­der öff­net, aber das tut sie nicht. Wir Frau­en sind alle still, wäh­rend wir dem Zu­schla­gen der Türen und den Ge­sprä­chen der Män­ner lau­schen. „Glaubst du immer noch, dass deine Fa­mi­lie uns fin­den wird?“, frage ich Piper und meine Hoff­nung schwin­det mit jeder Se­kun­de, die ver­streicht.
„Ich weiß, dass sie kom­men.“ Piper er­greift meine Hand und drückt sie. „Man legt sich nicht mit den Kings of Re­tri­bu­ti­on an. Diese Arsch­lö­cher wer­den ein böses Er­wa­chen er­le­ben. Ich wette, sie sind schon hier. Ich kann es spü­ren.“ In die­sem Mo­ment bricht die Hölle los und hin­ter den Stahl­wän­den, die uns ge­fan­gen hal­ten, er­tö­nen Schüs­se.
„Ich hab’s euch ge­sagt“, ver­kün­det Piper.


Aus­tin

Die Nacht ist her­ein­ge­bro­chen, wäh­rend wir uns zu acht auf den Weg nach Süden ma­chen, zu un­se­rem Ziel. Cow­boy, Riggs’ Part­ner aus Texas, hat sich vor mehr als einer Stun­de ge­mel­det. Die Män­ner, die Piper fest­hal­ten, sind etwa seit drei Stun­den un­ter­wegs, was uns ein klei­nes Zeit­fens­ter ver­schafft, in dem wir uns hof­fent­lich vor ihrer An­kunft auf dem Ge­län­de ver­ste­cken und sie in einen Hin­ter­halt lo­cken kön­nen. Mein Mo­tor­rad dröhnt, als ich mein Tempo er­hö­he. Schon bald len­ken uns Riggs und seine Män­ner auf Ne­ben­stra­ßen, damit wir nicht die Auf­merk­sam­keit auf uns zie­hen, wenn meh­re­re MC-Mit­glie­der wie wild durch die Ge­gend rasen. Ad­re­na­lin fließt durch meine Adern. Es ist schon eine Weile her, dass wir Mon­ta­na-Män­ner in Ak­ti­on waren. Als wir in länd­li­che­re Ge­gen­den kom­men, leuch­ten die Stra­ßen­la­ter­nen in grö­ße­ren Ab­stän­den.
Nach der An­zahl der Häu­ser zu ur­tei­len, an denen wir vor­bei­ge­fah­ren sind, leben nicht viele Men­schen in die­ser Um­ge­bung. Schließ­lich ver­schluckt uns die Dun­kel­heit voll­stän­dig. Die Luft ist feucht und klebt auf mei­ner Haut, ein schwe­res, quä­len­des Ge­fühl macht sich in mei­nen Kno­chen breit, als ob der Tod selbst hin­ter mir her wäre.
Heute Nacht wird hier Blut flie­ßen. Die Män­ner, die einen von uns ge­tö­tet haben, wer­den ihre ge­rech­te Stra­fe von den Kings of Re­tri­bu­ti­on er­hal­ten. Vor ein paar Tagen ist mein Club von Mon­ta­na nach Loui­sia­na ge­reist, um un­se­rem New Or­leans Chap­ter zu hel­fen, die Er­öff­nung eines zwei­ten Kings Cust­om zu fei­ern. An dem Tag, an dem wir die Heim­rei­se an­tre­ten woll­ten, er­reich­te uns die Nach­richt, dass Novas Toch­ter Piper und ihre Freun­din wäh­rend eines Aus­flugs nach Vegas ent­führt wor­den waren, wes­halb wir nun hier sind.
Vor uns fah­ren Riggs und Jake lang­sa­mer und bie­gen rechts auf eine un­be­fes­tig­te Stra­ße ab, die auf bei­den Sei­ten mit hohem Gras be­wach­sen ist. Nach we­ni­ger als zehn Ki­lo­me­tern kom­men wir zum Ste­hen. Der Ge­ruch von ver­rot­ten­der Ve­ge­ta­ti­on und Kuh­mist steigt mir in die Nase, zu­sam­men mit dem un­ver­kenn­ba­ren Ge­stank von fau­li­gem Sumpf­was­ser. Riggs stellt sein Mo­tor­rad ab und geht die Reihe der Har­leys ent­lang. „Wir las­sen die Ma­schi­nen hier ste­hen“, be­fiehlt er. Hin­ter uns kommt Cow­boy mit dem Trans­por­ter an. Er klet­tert her­aus und ge­sellt sich zu uns. „Das Ziel­ge­län­de liegt am Ende der nächs­ten Stra­ße, ein­ge­bet­tet in die Fluss­mün­dung. Von hier aus gehen wir zu Fuß wei­ter.“
Alle Män­ner über­prü­fen syn­chron ihre Waf­fen. Ich ste­cke meine Hand­feu­er­waf­fe zu­rück ins Hols­ter, dann hole ich die ab­ge­säg­te Schrot­flin­te, die an der Seite mei­nes Mo­tor­rads be­fes­tigt ist. Habe immer eine Re­ser­ve dabei. Das hat mir mein Groß­va­ter, ein ehe­ma­li­ger Sol­dat, stets ein­ge­bläut. Er hat mir bei­ge­bracht, wie man eine Waffe be­dient. Bevor ich mich je­doch in Er­in­ne­run­gen ver­lie­re, schie­be ich meine Ge­dan­ken bei­sei­te und reihe mich hin­ter Ga­bri­el und Logan ein. Wir be­gin­nen, uns einen Weg durch das hohe Gras zu bah­nen und stap­fen durch den Schlamm, in den un­se­re Stie­fel ein­sin­ken.
Vor uns tau­chen schumm­ri­ge Lich­ter auf, als wir einen klei­nen Hügel er­klim­men. Riggs hält seine Faust in die Luft und be­deu­tet uns an­zu­hal­ten. Von hier aus kann ich die Con­tai­ner am an­de­ren Ende des Ge­län­des er­ken­nen und ein paar be­waff­ne­te Män­ner, die sich auf dem Hof her­um­trei­ben.
Das Rum­peln eines her­an­na­hen­den Fahr­zeugs ver­an­lasst die meis­ten von uns, den Kopf zu dre­hen. Die Brem­sen des Trucks zi­schen, als er lang­sam zum Still­stand kommt. Män­ner klet­tern aus dem Füh­rer­haus und schlen­dern auf zwei Kerle zu, die in ihre Rich­tung lau­fen. Sie hal­ten einen Mo­ment inne, un­ter­hal­ten sich kurz und gehen dann zum hin­te­ren Ende des An­hän­gers.
Ich höre mei­nen Herz­schlag in mei­nen Ohren po­chen, wäh­rend wir uns im hohen Gras ver­steckt hal­ten. Mit ge­zo­ge­nen Waf­fen be­feh­len sie den Frau­en, den Con­tai­ner zu ver­las­sen. Zu mei­ner Rech­ten ver­krampft sich Kiwi, als sein Blick auf Piper fällt, die als Letz­te auf den Boden springt. Ein Mann schubst sie hart, so­dass Piper den Halt ver­liert. Kiwi macht eine Be­we­gung, aber Logan packt ihn am Arm und hält ihn zu­rück. So­bald sie wie­der auf den Bei­nen ist, um­klam­mert Piper zwei an­de­re Frau­en, aber es ist so dun­kel, dass ich keine Ein­zel­hei­ten aus­ma­chen kann.
Riggs blickt in die Runde und er­teilt Kom­man­dos. „Logan und Reid, ihr hal­tet euch be­deckt und geht zum Nor­den­de des La­gers. Dort habt ihr den bes­ten Aus­sichts­punkt, um eure Scharf­schüt­zen­ge­weh­re ein­zu­set­zen.“ Riggs blickt nach links und be­fiehlt Nova und Fen­der, sich am süd­li­chen Rand des La­gers zu po­si­tio­nie­ren. Nach­dem er seine An­wei­sun­gen an die üb­ri­gen Brü­der ge­ge­ben hat, wen­det sich Riggs an mich. „Bleib bei Jake und mir.“ Er sieht sich um, bevor sich alle ent­fer­nen. „Sie sind uns zah­len­mä­ßig über­le­gen. Ti­ming ist alles. Wenn ihr mein Si­gnal hört, geht ihr rein. Die­ser Über­fall muss schnell gehen. Wir las­sen nicht eher ab, bis alle tot sind und Piper in Si­cher­heit ist.“
Jake, Riggs und ich ma­chen uns auf den Weg zur Mitte des Ge­län­des, in Rich­tung eines Wohn­wa­gens, der an der Ost­sei­te des Grund­stücks steht, iso­liert von den Con­tai­nern. Das Ge­mur­mel an­de­rer Män­ner, die sich in der Nähe un­se­rer Po­si­ti­on un­ter­hal­ten, lässt uns in­ne­hal­ten.
Das Gras in die­sem Ge­biet ist spär­lich. Wir drü­cken uns auf den nas­sen Boden und krie­chen auf dem Bauch ein paar Meter wei­ter, um so nah wie mög­lich an den Rand des of­fe­nen Hofes zu ge­lan­gen. Jake, Riggs und ich be­ob­ach­ten, wie sich Män­ner auf dem Ge­län­de be­we­gen. Die­sel­ben Typen, die die Frau­en ge­lie­fert haben, schlen­dern über das Areal in Rich­tung des Wohn­wa­gens. Die Tür öff­net sich und ein Mann im Anzug tritt her­aus. Er zün­det sich eine Zi­gar­re an und bläst eine Rauch­wol­ke aus, wäh­rend er spricht. „Macht die Boote für den Trans­port der Frau­en be­reit.“ Ein paar Meter ent­fernt, mit ge­schul­ter­ten Waf­fen, lau­fen zwei Män­ner in Rich­tung der Süd­sei­te des Grund­stücks in der Nähe des Was­sers. Der Mann im Anzug schlen­dert zu einer dun­kel­grau­en Li­mou­si­ne mit ver­dun­kel­ten Schei­ben, die in der Nähe ge­parkt ist. Kurz dar­auf schwingt die Tür des Wohn­wa­gens wie­der auf und ein zwei­ter Mann steigt her­aus. Ganz in Schwarz ge­klei­det und schwer be­waff­net geht der Kerl auf das Auto zu. Er öff­net die Hin­ter­tür für den An­zug­trä­ger. Mit dem Er­schei­nen des Man­nes nimmt die Ak­ti­vi­tät auf dem Hof zu.
Riggs hält sei­nen Blick nach vorne ge­rich­tet und flüs­tert: „Jake, zwei Uhr.“ Prez hebt seine Lang­stre­cken­pis­to­le und zielt auf die Per­son, die am Kof­fer­raum des Wa­gens steht. „Aus­tin, schal­te den Leib­wäch­ter aus“, be­fiehlt Riggs dann mir, ich lege die Schrot­flin­te an meine Seite und ziehe meine Pis­to­le aus dem Hols­ter in mei­ner Kutte.
Ein Ad­re­na­lin­stoß schießt durch meine Adern, als ich den gro­ßen Mist­kerl im Fa­den­kreuz habe. Ein paar Meter ent­fernt steht ein be­waff­ne­ter Mann und pisst. Riggs zielt auf ihn, dann drückt er ab. Die Kugel durch­schlägt den Kopf des Wich­sers und sein schlaf­fer Kör­per fällt zu Boden. Gleich­zei­tig schie­ßen Prez und ich auf un­se­re Ziele. Die Kugel von Jake trifft den Mann im Anzug. Er greift sich an den Hals und ver­sucht, auf den Rück­sitz des Autos zu ge­lan­gen. Mein Schuss trifft den Leib­wäch­ter in die Brust. Er geht hin­ter der Li­mou­si­ne zu Boden. Un­se­re Schüs­se lösen eine Ket­ten­re­ak­ti­on aus und um uns herum bricht ein Höl­len­sturm von Ku­geln los.
Ich schnap­pe mir meine Schrot­flin­te, wir drei tau­chen aus dem Gras auf und stür­men das Ge­län­de. Ge­schos­se schwir­ren an mei­nem Kopf vor­bei, als ich auf die Schie­ße­rei zu­lau­fe. Ich ziele und stre­cke einen wei­te­ren Mann nie­der, der auf uns zu­stürmt.
„Durch­sucht den Wohn­wa­gen!“, brüllt Jake über das Chaos hin­weg.
Ich drü­cke mich mit dem Rü­cken an die Seite des Bau­wa­gens, um nicht von Ku­geln ge­trof­fen zu wer­den. Dann klet­te­re ich die wa­cke­li­ge Holz­trep­pe hin­auf. Die Schreie der Män­ner und die Schüs­se tre­ten in den Hin­ter­grund, als ich die Tür des Wohn­wa­gens ein­tre­te und in­stän­dig bete, dass ich nicht di­rekt in den Lauf einer Waffe stol­pe­re. Der Ge­ruch von Gras und Al­ko­hol schlägt mir ent­ge­gen, als ich den Raum be­tre­te und mich um­schaue. Der Wohn­be­reich gleicht einem Crack­haus. Ge­brauch­te Na­deln lie­gen offen auf dem Couch­tisch herum. Ich durch­su­che den Wohn­wa­gen. Leere Whis­key­fla­schen ste­hen auf der Kü­chen­the­ke und ich gehe wei­ter in Rich­tung Rück­sei­te. Eine Kugel durch­schlägt das Fens­ter über der Kü­chen­spü­le und Glas­split­ter strei­fen mein Ho­sen­bein. Mein Herz häm­mert gegen mei­nen Brust­korb, als ich den dunk­len Durch­gang be­tre­te, der zum hin­te­ren Schlaf­zim­mer führt. Ich trete die Tür auf. „Schei­ße.“ In der Mitte des klei­nen Raums liegt eine be­wusst­lo­se Frau auf einer schmut­zi­gen Ma­trat­ze. Mit er­ho­be­ner Pis­to­le über­prü­fe ich den Raum, bevor ich mich hin­knie. Bei dem schwa­chen Licht kann ich nicht er­ken­nen, ob sie atmet. Also drü­cke ich meine Fin­ger an ihren Hals und fühle ihren Puls. Er ist schwach, aber sie lebt. Der er­bärm­li­che Scheiß­kerl hat sie zum Ster­ben zu­rück­ge­las­sen. Da ich weiß, dass ich ihr Leben und mein ei­ge­nes ris­kie­re, wenn ich sie mit­ten in einer Schie­ße­rei hin­aus trage, lasse ich die junge Frau zu­rück. Sie ist si­che­rer auf der Ma­trat­ze, bis das alles vor­bei ist. Bevor ich den Wohn­wa­gen ver­las­se, ver­stummt der Schuss­wech­sel drau­ßen.
Die Stil­le ver­stärkt meine Wach­sam­keit noch mehr. Vor­sich­tig trete ich hin­aus und biege um die Ecke des Wa­gens. Wie aus dem Nichts schleu­dert mich eine ge­wal­ti­ge Wucht auf den Boden. Die Flin­te wird mir aus der Hand ge­schleu­dert. Ich liege mit dem Ge­sicht im Dreck und auch meine Hand­feu­er­waf­fe ist unter mir ein­ge­klemmt. Ein Schlag auf mei­nen Hin­ter­kopf lässt meine Sicht ver­schwim­men. Wei­te­re Hiebe fol­gen auf meine Nie­ren­ge­gend und der Schmerz strahlt über mei­nen un­te­ren Rü­cken.
Ich habe Mühe, unter dem Ge­wicht des Man­nes, der mich fest­hält, die Kon­trol­le zu be­hal­ten, aber schließ­lich kann ich mei­nen Kör­per so weit be­we­gen, dass ich das Jagd­mes­ser an mei­ner Hüfte er­rei­che. Ich stoße nach hin­ten und spüre den an­fäng­li­chen Wi­der­stand, bevor sich meine Klin­ge in sein Fleisch bohrt und der Mann vor Schmerz auf­stöhnt. Ich rolle mich auf den Rü­cken und schaue zu dem Kerl auf, der über mir steht. Es ist der ver­damm­te bul­li­ge Leib­wäch­ter.
„Hat dir nie­mand bei­ge­bracht, dass du dafür sor­gen soll­test, dass die Toten auch wirk­lich tot blei­ben?“ Er packt mich mit sei­nen mas­si­ven Hän­den an der Kehle, meine Klin­ge steckt noch immer in sei­ner Seite. „Jetzt wirst du der­je­ni­ge sein, der stirbt.“ Er drückt zu und schnei­det mir die Luft­zu­fuhr ab. Ge­blen­det von sei­ner Mord­lust sieht er nicht, wie ich nach mei­ner Waffe grei­fe, die ich in mei­ner Kutte ver­steckt halte. Ich pres­se das Ende des Laufs unter sein Kinn und drü­cke den Abzug. Der Mann sackt gegen mich und seine Hände wer­den schlaff. Sau­er­stoff strömt in meine Lun­gen zu­rück, als ich rö­chelnd ein­at­me. Ein Schwall sei­nes war­men Blu­tes tropft auf mein Ge­sicht. Ich schie­be sei­nen leb­lo­sen Kör­per zur Seite, stehe auf, ori­en­tie­re mich und bli­cke auf seine lee­ren Augen hin­un­ter, die in den Nacht­him­mel star­ren. „Wer ist jetzt tot, du Arsch­loch?“ Noch immer atme ich schwer von dem Kampf, der zwi­schen uns statt­ge­fun­den hat. Ich hebe den Saum mei­nes Hem­des an und wi­sche mir sein Blut aus dem Ge­sicht. Dann grei­fe ich nach unten, ziehe mein Mes­ser aus sei­ner Seite und wi­sche das Blut an mei­ner Jeans ab. Ich ent­de­cke meine Schrot­flin­te zwei Meter ent­fernt und hole sie aus dem Schlamm, in dem sie liegt.
Von dort aus laufe ich zu den an­de­ren Kings, die auf die bei­den Fracht­con­tai­ner mit den Frau­en zu­steu­ern. Logan blickt in meine Rich­tung und be­trach­tet mein ge­schun­de­nes Äu­ße­res. „Ist das dein Blut?“
„Nein“, er­wi­de­re ich. „Im Wohn­wa­gen ist eine junge Frau, die kaum noch lebt“, er­wäh­ne ich, wäh­rend wir dar­auf war­ten, dass Kiwi das Schloss des Con­tai­ners auf­bricht.
In dem Mo­ment, in dem die schwe­ren Me­tall­tü­ren auf­schwin­gen, stür­men meine Brü­der und ich hin­ein. Die Luft ist heiß und es riecht nach Mo­schus und Schweiß. Ich habe keine Zeit zum Nach­den­ken oder um die vie­len Ge­sich­ter zu be­trach­ten, die uns wild an­star­ren und sich zu fra­gen schei­nen, was wohl als Nächs­tes mit ihnen ge­sche­hen wird, und so knie ich nie­der und grei­fe nach einem der Opfer, um zu hel­fen.
„Wer sind Sie? Fas­sen Sie mich nicht an!“, schreit die junge Frau und ent­zieht sich mei­ner Be­rüh­rung so hef­tig, dass ihr Hin­ter­kopf gegen die Me­tall­wand schlägt.
„Ich bin nicht hier, um dir weh­zu­tun.“ Meine Worte klin­gen ein wenig schär­fer als be­ab­sich­tigt und die Frau zuckt zu­sam­men. Im In­ne­ren des Con­tai­ners scheint nicht viel Licht, aber es reicht aus, um die blaue Farbe ihres Klei­des und das lo­cki­ge, feu­er­ro­te Haar zu er­ken­nen, das ihr be­drück­tes Ge­sicht ver­deckt.
Piper er­scheint zu mei­ner Lin­ken und lässt sich neben der ver­ängs­tig­ten Frau nie­der. „Pst. Ist ja gut. Diese Män­ner sind meine Fa­mi­lie und sie sind hier, um zu hel­fen“, trös­tet Piper sie, dann sieht sie mich an.
„Ihr Name ist Le­la­ni. Sie ist blind.“
Ver­dammt. Es er­gibt Sinn, dass sie ganz an­ders re­agiert als die an­de­ren Frau­en, die die Män­ner an die fri­sche Nacht­luft be­glei­ten. Ich werfe Piper einen Blick zu, um ihr zu ver­si­chern, dass ich alles im Griff habe. „Le­la­ni, mein Name ist Aus­tin“, sage ich, in der Hoff­nung, dass eine kurze Vor­stel­lung ihr die Si­tua­ti­on er­leich­tern wird. Sie hebt den Kopf, wen­det sich mei­ner Stim­me zu und ein Licht­schim­mer fällt auf ihr Ge­sicht. Auf ihrer Wange ist ein gro­ßer Blut­er­guss zu sehen und Trä­nen­spu­ren zie­ren ihre Por­zel­lan­haut. Mein Blick trifft ihren. Für den Bruch­teil einer Se­kun­de ver­ges­se ich, dass sie mich nicht sehen kann. Ich ver­scheu­che den Nebel aus mei­nem Kopf. Jetzt ist nicht der rich­ti­ge Zeit­punkt, um sich von ihrer Schön­heit be­ein­dru­cken zu las­sen. „Ich werde dich jetzt be­rüh­ren“, warne ich sie, bevor ich meine Hände unter sie schie­be. Sie wiegt nicht mehr als ein klei­nes Kind und ist fe­der­leicht in mei­nen Armen, als ich sie an­he­be und auf­rich­te, dann drü­cke ich ihre zier­li­che Ge­stalt an meine Brust. Le­la­ni zit­tert am gan­zen Kör­per, wäh­rend sie sich an mei­nen Arm klam­mert. „Bei mir bist du si­cher“, sage ich ihr und ver­spü­re ein über­wäl­ti­gen­des Be­dürf­nis, sie zu be­schüt­zen. Ihr Atem ist warm an mei­nem Hals, als sie ihren Kopf an meine Schul­ter legt.
Le­la­ni ist die letz­te Frau, die den Con­tai­ner ver­lässt, als ich sie hin­aus­tra­ge. Nie­mand hält mich auf, als ich an ihnen vor­bei­ge­he. Ich halte Le­la­ni wei­ter fest, bis Cow­boy kurze Zeit spä­ter mit dem Trans­por­ter ein­trifft. Logan kommt heran, nach­dem er die junge Frau aus dem An­hän­ger ge­holt hat, und trägt sie in den Klein­bus. Die üb­ri­gen Brü­der be­ei­len sich, die ver­blei­ben­den Frau­en ein­zu­la­den. „Sie kommt mit uns zu­rück, zu­sam­men mit Pi­pers Freun­din Jia“, in­for­miert mich Logan, bevor ich Le­la­ni zu­sam­men mit den an­de­ren in den Trans­por­ter trage, wäh­rend er eine letz­te Zäh­lung vor­nimmt.
Die Club­mit­glie­der be­ei­len sich und hel­fen Piper, Le­la­ni und Jia in ein an­de­res Fahr­zeug, das uns zu­rück zu un­se­ren Mo­tor­rä­dern bringt. Wir haben we­ni­ger als zwan­zig Mi­nu­ten, um un­se­re Är­sche die Stra­ße hin­un­ter­zu­be­we­gen, bevor der Spreng­stoff, den Cow­boy in meh­re­ren Ge­bäu­den de­po­niert hat, hoch­geht. „Lasst uns ab­hau­en“, bellt Jake und klopft an die Sei­ten­tür des Trans­por­ters, bevor er in das Fah­rer­haus klet­tert. Wäh­rend die Frau­en sich an­ein­an­der­drän­gen, schlin­gert das Fahr­zeug vor­wärts und wir las­sen das Ge­län­de und die Lei­chen hin­ter uns.
Einen Mo­ment spä­ter stei­gen wir vom Wagen auf un­se­re Bikes um.
Jake weist Jia an, hin­ter ihm auf­zu­sit­zen und sich gut fest­zu­hal­ten, was sie auch tut. Ohne zu zö­gern, grei­fe ich nach Le­la­ni und führe sie zu mei­ner Har­ley. Be­schüt­zend hilft Piper ihr, sich hin­ter mir nie­der­zu­las­sen. Ich be­rüh­re ihre Hand, die auf mei­ner Seite ruht. „Du musst dich fes­ter an mich schmie­gen“, be­feh­le ich mit ru­hi­ger Stim­me. Sie rückt näher an mich heran und ich spüre, wie sich ihre Brüs­te gegen mei­nen Rü­cken drü­cken. Mit bei­den Hän­den glei­tet sie an mei­nen Bauch­mus­keln ent­lang und ihr Griff um mich wird fes­ter. Ich muss zu­ge­ben, ich mag die Wärme ihrer Haut an mei­ner ver­dammt gerne. Die Rei­fen un­se­rer Mo­tor­rä­der wir­beln Schmutz und Schot­ter auf, als wir los­fah­ren. Das Grol­len un­se­rer Har­leys er­füllt die Nacht mit Leben, wäh­rend wir die Stra­ße ent­lang­brau­sen.
Eine schwe­re Stil­le bricht her­ein, als die Rei­fen den Asphalt er­rei­chen. Ich be­schleu­ni­ge das Tempo, um die Zer­stö­rung schnellst­mög­lich hin­ter uns zu las­sen. In mei­nem Sei­ten­spie­gel be­ob­ach­te ich, wie sich der Nacht­him­mel leuch­tend oran­ge färbt. Don­ner durch­bricht die Stil­le. Er kracht wie eine Peit­sche in un­se­rem Rü­cken nie­der, als eine der Bom­ben ex­plo­diert. Ein wei­te­rer lau­ter Knall folgt. Weiß-graue Rauch­schwa­den wa­bern durch die Luft. Le­la­ni um­klam­mert meine Tail­le und sucht Schutz bei der ein­zi­gen Per­son, die in die­sem Mo­ment in ihrer Nähe ist – bei mir.
Die Fahrt zu­rück zum An­we­sen der Kings war nicht ge­ra­de kurz, aber ich wünsch­te mir, sie hätte noch län­ger ge­dau­ert. Ob­wohl ich noch nicht ein­mal ihren Namen kenne, möch­te ich mich nicht von die­ser Frau tren­nen.
Das Tor öff­net sich und un­se­re Mo­tor­rä­der rol­len in den Hof. Ich parke neben Jake. Le­la­ni hält mich immer noch fest um­klam­mert, als ich den Motor ab­stel­le. Ich be­rüh­re ihre Hand. „Du bist in Si­cher­heit“, be­teue­re ich und sie lässt lang­sam los. Ich klet­te­re von mei­ner Ma­schi­ne, lege meine Hände um Le­la­nis schlan­ke Tail­le, hebe sie vom Rück­sitz und ver­su­che, sie hin­ein­zu­tra­gen.
„Du kannst mich jetzt ab­set­zen.“ Ihre Stim­me ist sanft und süß.
Zö­gernd lasse ich ihre nack­ten Füße auf den Boden sin­ken. Le­la­ni legt ihre Hand in meine und lässt sich von mir in das Club­haus füh­ren, wo die Old La­dies schon un­ge­dul­dig war­ten. Kiwi lässt Piper los, die auf mich zu­geht. „Danke, Aus­tin“, sagt sie und ihr Blick fällt auf meine Hand, die immer noch die von Le­la­ni fest­hält. „Le­la­ni, komm mit mir, wir brin­gen dich in ein Zim­mer und ma­chen dich frisch.“
Ich drehe mich zu Le­la­ni und gucke sie an. „Ich werde spä­ter nach dir sehen“, sage ich und lasse ihre Hand aus mei­ner glei­ten. Wie an­ge­wur­zelt be­ob­ach­te ich, wie die Frau­en Le­la­ni die Trep­pe hin­auf­füh­ren.
Eine Hand legt sich auf meine Schul­ter. „Bist du okay, Bru­der?“, fragt Reid.
„Ja“, sage ich und ver­schrän­ke meine Arme vor der Brust. Er folgt mei­nem Blick und schaut die Trep­pe hin­auf, wo die Frau­en be­reits ver­schwun­den sind. „Ich werde mir ein Bier holen und mich aus­ru­hen.“ Damit ver­ab­schie­det sich Reid.
„Mor­gen früh tref­fen wir uns zur Church, Män­ner. Es war ein höl­li­scher Tag. Piper und die Frau­en sind in Si­cher­heit. Um die Nach­wir­kun­gen küm­mern wir uns mor­gen. Auf­trag er­füllt. Geht schla­fen“, ver­kün­det Riggs.
Wäh­rend die an­de­ren ein Bier trin­ken und auf ihre Frau­en war­ten, gehe ich hin­ter die Bar, schnap­pe mir eine halb leere Fla­sche Whis­key und mache mich dann aus dem Staub, um etwas Ein­sam­keit zu fin­den.
Die schwü­le Luft von New Or­leans schlägt mir ins Ge­sicht, so­bald ich aus der Tür des Club­hau­ses trete. Vor ein paar Tagen habe ich an der Seite des Ge­bäu­des eine Lei­ter für den Zu­gang zum Dach ent­deckt. Ich laufe um die Ecke, um nach­zu­se­hen, ob sie noch dort steht. Sie ist ver­ros­tet und es feh­len ei­ni­ge Spros­sen, aber ich be­schlie­ße, sie trotz­dem zu be­stei­gen.
Auf dem Dach des Club­hau­ses an­ge­kom­men, knirscht der lose Kies unter mei­nen Füßen, als ich auf die dem Was­ser zu­ge­wand­te Seite schlen­de­re. Ich setze mich auf den Vor­sprung und schwin­ge meine Beine über die Kante. Der schwe­re Ge­ruch der Loui­sia­na-Luft dringt tief in meine Lun­gen ein. Es gibt kei­nen ver­gleich­ba­ren Ort wie den Big Easy, New Or­leans ist ein­zig­ar­tig. Ich lege meine Lip­pen an die Fla­sche in mei­ner Hand, lehne mei­nen Kopf zu­rück und trin­ke einen Schluck Whis­key.
Meine Ge­dan­ken schwei­fen zu Le­la­ni, wäh­rend ich auf den Mis­sis­sip­pi hin­aus­bli­cke. Ich trin­ke noch einen Schluck, dann stel­le ich die Fla­sche neben mir ab. Ich ziehe eine Zi­ga­ret­te aus mei­ner Ta­sche, hole ein Streich­holz­heft­chen her­vor, das in der Zi­ga­ret­ten­schach­tel steckt, und ziehe die Streich­holz­spit­ze an dem schwar­zen Strei­fen ent­lang. Unten am Boden, etwa zwan­zig Meter ent­fernt, sehe ich Kiwi und Fen­der am Ufer sit­zen und eine Kippe un­ter­ein­an­der wei­ter­rei­chen. Ich nehme einen Zug und blase ihn dann aus.
Ich weiß nicht genau, wie lange ich auf dem Dach des Club­hau­ses sitze, aber es ist lang genug, dass ich die Wir­kung des Al­ko­hols spüre. Nach­dem ich auf­ge­stan­den bin, über­que­re ich das Dach und klet­te­re wie­der auf den Boden hin­un­ter.
Drin­nen an­ge­kom­men, mache ich mich auf den Weg zu mei­nem Zim­mer. Bella tritt aus dem Raum zwei Türen wei­ter her­aus und schließt leise die Tür. Sie sieht mich an. „Geht es dir gut?“
Ich strei­che mir mit der Hand über das Ge­sicht. „Ja.“ Meine Ge­dan­ken wan­dern wie­der zu Le­la­ni zu­rück.
Als ob sie meine Ge­dan­ken lesen könn­te, sagt Bella: „Le­la­ni schläft. Tea­gan hat ihr etwas ge­ge­ben, damit sie sich aus­ru­hen kann.“ Da Bella sich immer um an­de­re sorgt, fügt sie hinzu: „Du soll­test dich auch frisch ma­chen und etwas schla­fen.“ Ich nicke und sie lä­chelt. „Gute Nacht, Aus­tin.“ Bella geht durch den Flur in ihr und Lo­gans Zim­mer. Ich be­we­ge mich erst, als sie die Tür schließt.
An­statt in mein Zim­mer zu gehen, blei­be ich vor der Tür des Rau­mes ste­hen, in dem Le­la­ni schläft. Meine Hand schwebt über der Klin­ke und ich über­le­ge, ob ich ein­tre­ten soll­te. Das Be­dürf­nis, sie zu sehen, über­wiegt, und ich gehe leise in ihr Zim­mer. Als ich den Stuhl neben ihr ent­de­cke, durch­que­re ich den Raum und star­re sie an, wäh­rend sie schläft. Ihr rotes Haar ist zu einem lo­cke­ren Zopf zu­rück­ge­bun­den. Ein paar lose Lo­cken fal­len ihr auf die ge­prell­te Wange, aber ich traue mich nicht, sie weg­zu­strei­chen. Um sie nicht zu we­cken, blei­be ich eine kurze Zeit sit­zen und be­ob­ach­te sie ein­fach. Ich ent­span­ne mich und meine Augen wer­den schwer, als ich ihrem lei­sen Atmen zu­hö­re.
Schei­ße. Was denke ich mir nur dabei? Ich stehe ab­rupt auf. Das Letz­te, was Le­la­ni nach dem, was sie ge­ra­de durch­ge­macht hat, braucht, ist die An­we­sen­heit eines Man­nes in ihrem Zim­mer. Ich will sie nicht ver­ängs­ti­gen. Ich möch­te, dass Le­la­ni sich si­cher fühlt.
Ich schaue sie ein letz­tes Mal an und ver­las­se dann das Schlaf­zim­mer.