Mermaid's Kiss

Erschienen: 07/2011

Genre: Fantasy Romance, Romantic Comedy
Zusätzlich: Fantasy, Vanilla
Seitenanzahl: 204 (Übergröße)

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paperback & ebook

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Print: 978-3-93828-172-7
ebook: 978-3-93828-194-9

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Mermaid's Kiss


Inhaltsangabe

Der Kuss einer Meerjungfrau ...
Aufruhr im Meereskönigreich Makuun: Die unwissenden Menschen wollen ihnen ein künstliches Riff als Touristenattraktion vor die Haustür bauen. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden. Prinzessin Aylin und ihr Kumpel, der Seevampir Klavius, werden an Land geschickt, um den Bau zu verhindern. Aylin kommt dies gelegen, denn Prinz Damaskus, der sie mit orientalischem Temperament umwirbt (er spekuliert auf den Job als künftiger König), fällt ihr zunehmend lästig.
Aufgetaucht im schicken Urlaubsresort auf den Malediven, genießen die als Umweltaktivisten getarnten Aylin und Klavius erst einmal die Vorzüge der Menschenwelt in vollen Zügen: Sterne- statt Glibberküche, Pornokanal und Wasservergnügungspark.
Doch Aylins eigentlicher Auftrag gestaltet sich schwieriger als gedacht, denn sie erkennt in Marc, dem attraktiven Leiter des Riff-Projekts, den Mann wieder, den sie einst vor dem Ertrinken gerettet hat und nie vergessen konnte. Aber trotz ihrer Verführungskünste macht Marc keinerlei Anstalten, von seinem Projekt abzulassen ...

Über die Autorin

Sarah Schwartz (Jahrgang 1978) wuchs in Frankfurt/M. auf, wo sie nach dem Abitur den Magisterstudiengang Germanistik mit den Nebenfächern Psychologie und Kunstgeschichte absolvierte. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums begann sie zu schreiben und arbeitete nebenher vom Kommissionieren bis zum Dozieren....

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Leseprobe

Szene 1

„Achtung! Kurierdienst!“ Eine Horde Seepferdchen zog durch das Wasser an Aylin vorbei, die neben ihrem Freund Klavian wartete, bis der Trupp vorüberzog. Die Tiere hielten in den zusammengerollten Schwanzenden Nachrichten aus geflochtenem Seegras und wasserfester Marsi-Tinte. Sie sprengten mit ihrem Vorwärtseilen eine Trötfamilie auseinander, die behäbig über die Muschelgasse kroch. Die schildkrötenähnlichen Wesen kugelten in ihren Panzern in alle Richtungen über die Muschelgasse davon. Das jüngste Trötkind prallte gegen einen großen Stein, landete auf dem Rücken und paddelte mit den Flossenfüßen hilflos umher. Es dauerte vier Versuche, bis es sich wieder gefangen hatte und richtigherum schwamm.
Die Tröts waren...

...für ihre Toleranz und ihre Ausgeglichenheit bekannt. Obwohl sie sprechen und sogar geringfügig Magie wirken konnten, riefen sie den Seepferden keine wütenden Rufe oder Rachezauber nach. Die älteste Tröt sah sich lediglich nach ihren fünf Kindern um, nickte mit dem langen Kopf, als sie sah, dass alles in Ordnung war, und setzte ihren Weg unbeirrt fort. Ihr Panzer schillerte perlmuttfarben und sandte beruhigende Signale an den Nachwuchs, der langsam die Hälse aus dem Panzer streckte und ihr folgte.
„Es heißt Kurierdienst, nicht Terrortruppe!“ Klavian schüttelte den Kopf mit den schütteren, blauschwarzen Haaren und zeigte seine spitzen Zähne, wie er es immer tat, wenn er sich ärgerte. „Was bilden sich diese Seeteufel eigentlich ein? Sie meinen wohl, ihnen gehört die ganze Stadt. Die armen Tröts.“ Er starrte hinter dem Kurierdienst her zu einer größeren Villa aus roten Korallen, die im Schatten des goldenen Meerespalastes mit seinen sieben gewundenen Türmen lag und wie Granat schimmerte. Darin wohnte eine Seejungfrau, die Klavian schon länger begehrte, die sich als Tochter eines Obersten des Rates aber niemals mit ihm einlassen würde. Zum Glück verkörperte es keine ernsthafte Liebschaft. Klavian begehrte jede freie Seejungfrau außer Aylin. Sie war für ihn eher eine Ziehtochter und Freundin.
Sie stieß ihm mit dem Ellbogen in den fülligen Bauch über dem rötlichen Fischschwanz. „Vergiss die Seepferdchen, Klavian, und sag mir lieber, wohin du mit mir möchtest.“
„Das kann ich nicht sagen. Es ist eine Überraschung. Und wenn ich es sage, ist es keine Überraschung mehr, also ...“
Aylin strich sich durch das lapislazuliblaue Haar und kicherte, noch ehe er ausredete. „Du willst zu den Liebespalästen.“
Der dickleibige Seevampir ließ den Kopf sinken und schloss seine dunklen Augen. Er gehörte einer höchst seltenen Meeresgattung an und es gab einige Bewohner im Palast, die nie müde wurden zu erwähnen, wie degeneriert Klavian sei. Er war zwar ein Seevampir und sollte sich eigentlich gemäß seiner Natur und dem Vorbild seiner Vorfahren vom Blut der Meeresbewohner ernähren, aber er mochte nicht einmal Fischblut. Alles Glitschige und Blutige widerte ihn an. Deshalb wurde er auch von der Gemeinschaft akzeptiert und hatte es bis zur Rolle von Aylins persönlichem Begleiter gebracht. Als er sprach, blitzten seine spitzen Eckzähne auf. „Okay, will ich. Wer hat es dir verraten? Bestimmt dieser geschwätzige Doktorfisch, der sich für einen Psychiater hält! Der sollte sich echt mal selbst einweisen. Oder die fette Qualle, die mit ihren Diäten nie nachkommt? Nein, warte, ich weiß schon. Tritoria hat dich gewarnt.“
Aylin lachte. „Nein, niemand hat es verraten. Ich bin von selbst darauf gekommen.“ Klavian wollte sehr oft zu den Liebespalästen, die Aylin kaum interessierten. „Aber nun, wo ich es weiß, kann ich etwas Sinnvolleres machen. Muschelhäuser suchen zum Beispiel. Oder Algen zählen. Oder schlafen.“
Sie wollte sich abwenden, und er packte eilig ihren Arm. „Nein, nein, nein!“, brachte er rasch hervor. „Du musst mitkommen.“ Er zerrte sie in die Richtung der Liebespaläste, und mit seinen großen Kräften gelang es ihm tatsächlich, sie mit sich zu ziehen, auch wenn sie mit voller Kraft dagegen hielt. Er überragte sie um einen Kopf, und wenn er sich etwas vorgenommen hatte, war er schwer aufzuhalten.
Sie machte einen Schmollmund. „Was soll ich denn da? Da machen sich alle Beine. Das ist ekelhaft.“
Er grinste und zerrte sie unbeirrt weiter. „Du machst dir auch ganz gern Beine, Prinzessin. Spiel bloß nicht die Kostverächterin.“
Aylin wurde an einer Kette aus niedrigen Muschelhäusern vorbeizogen, die ganz in der Nähe der steinernen Stadtmauern lagen, und in denen hauptsächlich Wachpersonal samt Familie lebte. Da sie einen Moment über seine Worte nachdachte, ließ ihre Gegenwehr nach und sie kamen schneller voran. Ja, es stimmte. Sie machte sich oft Beine, und das sogar, obwohl sie in diesem Fall ein Verbot brach. Sie ging fast jeden Abend an Land zu den Menschen in die andere Welt. Es schien ihr, als könnte sie den Geschmack eines scharfen Chili auf der Zunge spüren, als sie daran dachte, wie sie mit Klavian heimlich hinaufging, um sich an den Resten des Hotel-Buffets zu laben. Es gab nichts Besseres in ihrem Leben als stundenlang die verschiedensten Gerichte aus aller Welt zu probieren. Für ein gutes Curry war sie bereit, ihre gesamte magische Kraft einzusetzen. Oft schlemmten sie die halbe Nacht hindurch in dem verlassenen Küchentrakt. Ihr absoluter Höhepunkt bestand aus einem selbst zusammengestellten Siebzehngänge-Menü. Danach war es ihr unmöglich gewesen zu schwimmen, und sie hatte sich im Palast fast um einen halben Tag verspätet. Ihre Mutter hatte wenig amüsiert reagiert.
„Aber da geht es um Essen, nicht um Sex“, brachte sie hervor, als die Liebespaläste bereits vor ihnen lagen. Fünf goldene Kuppeln blinkten im Licht der einfallenden Sonne. Die gesamten Liebespaläste waren wie der Palast der Makuuna in Miniatur aufgebaut. Sie konnten gut fünfzig Seemenschen gleichzeitig einen ruhigen Ort ohne Wasser bescheren, an dem sie sich ganz dem Zeugen von Nachwuchs oder schlicht dem Vergnügen hingeben konnten. „Wer kann sich schon ewig von Algen ernähren? Menschen sind eben viel einfallsreicher und die besseren Köche. Das Dinner auf der Insel ist einfach unwiderstehlich.“ Sie dachte an die fünf Gänge, die es manchmal an sogenannten Gala-Abenden gab. Aber auch das Buffet mit den über zehn verschiedenen Gerichten schmeckte herrlich.
„Meine Rede“, stimme Klavian zu. „Trotzdem solltest du die unterseeische Deluxe-Kost nicht verpassen. Meine Güte, Mädchen, du wirst bald verbunden! Reizt es dich denn gar nicht, die Freuden der Liebe kennenzulernen, ehe du an nur einen Meermann gekettet bist? Noch hast du alle Freiheiten.“
„Ein Lammsteak mit Kräutern, Kroketten und Knoblauchsoße, das reizt mich.“
Klavian verdrehte die Augen und zog sie über die Schwelle. Eine dicke Schildkröte sah sie mit argwöhnischem Blick an. Sie war schwer kurzsichtig und misstraute zunächst jedem Ankömmling. Als sie Aylin erkannte, nickte sie majestätisch mit dem langen Hals und winkte sie mit einer Flosse durch. Sie schwammen ins Innere des Gebäudes, das sich in zahlreiche Kammern aufteilte. Die meisten davon waren magisch geschützt und vollkommen wasserfrei.
Klavian führte sie in eine mit Wasser gefüllte Kammer, in der bereits ein blauer Meerschönling mit knielangen Haaren wartete. Der Seevampir grinste. „Das ist Ungvar. Er hat einen Spitznamen, aber den verrate ich dir nicht. Du musst ihn schon selbst herausfinden.“
Aylin musterte Ungvar, der sich stotternd vorstellte, und fragte sich, was ihre Mutter wohl sagen würde, wenn sie wüsste, was sie gerade tat. Sie würde wahrscheinlich missbilligend den Kopf schütteln und ihr einen Vortrag darüber halten, wie sich zukünftige Herrscherinnen im Allgemeinen und sie im Besonderen zu verhalten hatten. Sie hatte zu lernen, zu lernen, und wieder zu lernen, sich auf die Krönung vorzubereiten, und so weiter und so weiter. Zum Glück hatte sie in ihrem Aufpasser Klavian einen Verbündeten gefunden, der es in erster Linie als seine Aufgabe ansah, ihr das Leben zu zeigen, aber da Aylin alt genug war, und Klavian ihr dank seiner Lebenserfahrung tatsächlich viel beigebracht hatte, sah ihre Mutter über diese – aus ihrer Sicht unglückliche – Entwicklung hinweg.
„Ungvar, der Stotterer?“, fragte sie ungnädig und sah, wie sich Ungvars hellblaue Haut dunkelblau verfärbte vor Scham.
Der Meermann hob den Kopf. „Nicht ... ni-icht ganz, Prinz... essin“, brachte er haspelnd hervor.
Aylin schrie auf, als sechs Fangarme aus seinem Oberkörper schossen, nach ihr griffen, sich um ihre Arme und den Rumpf schlangen, und sie zu sich in die Reichweite seiner Arme und Hände zogen.
Klavian lachte dröhnend. „Nein, Ungvar der Vielarmige!“ Er brüllte vor Lachen, und sie warf ihm einen bitterbösen Blick zu.
Gleichzeitig versuchte sie, einen der Fangarme von ihrem Bauch zu lösen. Er hatte sich mit über hundert Saugnäpfchen an ihr festgesaugt.
„Klavian! Was soll das?“ Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihr Freund gemächlich davonschwamm. Anscheinend war die Vorstellungsrunde beendet, und er wollte sie bei den anstehenden Aktivitäten nicht mehr stören. „Klavian!“
Typisch Klavian! Er brachte sie in eine furchtbare Situation und fand es auch noch komisch. Wenn sie das nächste Mal gemeinsam an Land gingen, würde sie sich Abführmittel besorgen und es in sein Essen kippen.
Ungvar presste sie dicht an sich und gab ihr im Wasser Küsse auf das Schlüsselbein. Vier seiner Tentakelarme hoben sie an. „Wir sollten ins Trockene schwimmen, Prinzessin“, schlug er vor und trug sie wie ein Paket mit sich durch eine Muschelschleuse in einen der mit Luft gefüllten Vergnügungsräume. Aylin versuchte die Tentakel zu lösen, aber sie klebten fest. Ungvar verdrehte bei ihren Versuchen stöhnend die Augen, als würde ihn schon diese unwillige Berührung in einen siebten Himmel versetzen. Es schien ihn nicht zu interessieren, ob sie sich mit seiner Behandlung einverstanden gab oder nicht. Seine Tentakel lagen inzwischen allesamt auf ihrer Haut und pressten sich so fest darauf, als wollte er die Bindung nie wieder lösen. Dabei gab er wollüstige Laute von sich.
Aylin spürte ein angenehmes Kribbeln im Unterleib. Klavian hatte immer wieder versucht, sie zu ausschweifenden Orgien zu animieren, oder zumindest zu einer einzigen Stunde mit einem Mann, aber bisher hatte sie widerstanden. Dieses Mal allerdings hatte er sie überrascht, und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen wollte. Ungvar war ein Krakling und würde sie so leicht nicht aus seinen Fängen lassen. Außerdem musste sie zugeben, dass sie seinen Oberkörper mochte. Zumindest alles, was keine Tentakel darstellte. Er hatte prächtig gewölbte Muskeln und einen für einen Meermann eher breiten Körperbau. Dennoch ging Klavians Handlungsweise zu weit. Er hätte sie nicht auf diese Weise überfallen sollen.
Sie musste an einen Spruch der Menschen denken: Wer Freunde wie Klavian hatte, der brauchte keine Feinde mehr. Trotzig biss sie die blauen Lippen aufeinander. Natürlich stand sie nicht hilflos da. Ihre Magie als älteste Tochter der Makuuna wäre fähig, Ungvar in handliche Stücke zu zerlegen. Aber wollte sie sich wirklich wehren? Klavian hatte ja recht. Sie hatte nur noch wenige Tage bis zu ihrem Bündnis mit Damis..., Damu..., diesem Meerprinzen, dessen Namen sie sich nicht merken konnte, obwohl sie ihn schon hundert Mal gehört hatte. Vielleicht sollte sie einmal etwas ausprobieren, bevor es zu spät war, und diese ganzen Arme hatten durchaus Vorteile. Sie berührten sie überall zugleich und gaben ihr das Gefühl, von mehr als einem Mann angefasst zu werden. Sie erreichten mühelos völlig verschiedene Bereiche ihres Körpers und drückten behutsam in ihr Fleisch, als wollte Ungvar sie durch Streicheln und Kneten lockern. Das Kribbeln, das sie auslösten, wurde rasch zu einem angenehmen Brennen.
Sie entspannte sich und konzentrierte sich auf ihren Unterkörper. Ungvar gab ein triumphierendes Glucksen von sich, als sich aus ihrem schuppigen Unterleib zwei dunkelblaue Beine samt ihrem Geschlecht ausformten. Auch er ging in Umwandlung, wobei seine Arme und seine Tentakel nach wie vor gemeinsam aus seinem Oberkörper ragten. Einzig sein Unterleib veränderte sich und zwei kräftige Beine bildeten sich aus. Aylin atmete auf, als sie sein Geschlecht sah, das zwar groß war, aber keinen Tentakel bildete. Es schimmerte türkis im Wasser und richtete sich ihr freudig entgegen.
Sie genoss das Gefühl der glatten Tentakel auf ihrer Haut und besonders am Nacken, als sich Ungvar – nun sehr behutsam – von ihrem Oberkörper in Richtung Hüfte vorarbeitete. Zwei seiner Tentakel berührten mit den Spitzen ihre Beine. Kühle Fangarme umschlossen ihre Schenkel und schoben sie auseinander, während ein dritter Tentakel zielstrebig den empfindlichen Spalt zwischen ihren Schamlippen betastete und ihre Klitoris leicht anhob.
Die Lust prickelte. Der Krakling massierte und presste ihren Körper und ihre empfindliche Knospe. Er zeigte sich darin weit unverfrorener und gewandter als in dem Versuch, sie anzusprechen. Schon glitt der dritte Tentakel ein Stück in sie hinein.
„Ich kann das nicht.“ Aylin wich ein Stück zurück. Sie wusste nicht warum, aber sie wollte nicht länger von den Tentakeln berührt werden, auch wenn sein Oberkörper wunderschön aussah und die Lust in ihr wuchs.
„Was hast du?“ Er ließ seine Arme höhergleiten, setzte aber seine Berührungen fort.
„Ich …“ Wie sollte sie etwas für Meermenschen Unübliches Erklären, das sie selbst kaum verstand: Sie sehnte sich nach warmen Händen, die zart wie Federn über ihre Haut strichen. Nach einer dunklen, menschlichen Stimme, die mit ihr sprach, während sie sich auf rauem Sand wälzten, und nach dem Geruch von Haut, der herb und belebend in ihre Nase drang.
Ungvar hielt verwirrt inne, doch noch ehe sie ihm die Chance gegeben hatte, sich von selbst zu lösen, wurde er schon von ihrer leichten, magischen Attacke zurückgeworfen, während Aylin zurückwich. Durch ihren Angriff überrascht, peitschten seine Saugarme unkontrolliert durch die Gegend und umschlangen einander. Ungvar fluchte und quietschte verzweifelt, da sich mehrere Saugnäpfe ineinander gesaugt hatten, und er im Trockenen Probleme hatte, sie zu lösen. Immer wieder riss er heftig an seinen Armen. Er hatte sich selbst gefesselt und ruckte mit dem Oberkörper hin und her, ohne sich befreien zu können.
„Prin... Prinz...essin ...“, stotterte er. „Könn...nntet ihr ...“
Aylin dachte gar nicht daran, ihm zu helfen und suchte das Weite. Sie floh aus dem Luftraum durch die Schleuse, formte ihre Beine um und schwamm mit kräftigen Flossenschlägen durch den Gang, von dem zahlreiche weitere Räume abzweigten. Hinter sich hörte sie, wie Ungvar sie rief. Es gab ein lautes, klatschendes Geräusch, gefolgt von einem Schmerzschrei. Offenbar hatte er sich mit Gewalt befreit. Ob er sie verfolgen würde? Aylin schwamm schneller. Noch lag eine Gangbiegung zwischen ihnen, und sie sah ihn nicht. Hastig tauchte sie in eine weitere Schleuse und merkte verwundert, dass sie nicht mit Luft gefüllt wurde, sondern voll Wasser blieb. Mit einem schnellen Blick durch das transparente Material sah sie, dass Ungvar sie fast erreicht hatte und sie entdecken würde, wenn sie an Ort und Stelle blieb. Ein Teil seiner Arme schillerte rötlich und sah deutlich mitgenommen aus. Er sah sich suchend um, hatte sie aber noch nicht entdeckt. Hastig stieß sie in die Kammer vor und blieb wie erstarrt im Wasser schweben. Vor ihr liebten sich eine Nymphe und ein Wassermann. An der schimmernd graublauen Haut war die Nymphe leicht als Sturmnymphe zu erkennen. Schwarze Pigmentwirbel drehten sich über ihren Körper. Ihr fein modelliertes Gesicht wirkte schön wie ein Sonnenaufgang über dem Meer. Aylin bewegte ihre Kiemen nicht, um kein Geräusch zu machen, und starrte auf das sich innig liebende Paar, das sich langsam, wie in Zeitlupe bewegte. Die schwerelosen Bewegungen im Wasser wirkten so ganz und gar anders als die überstürzte Art von Ungvar. Diese beiden schienen wie unhörbare Musik, und der Anblick ließ sie den Vorfall mit dem Krakling schnell vergessen. Die Nymphe hatte die orangefarbenen Augen weit aufgerissen. Die Farbe ihrer Iris füllte die gesamte Augenfläche, ihre grauschwarzen Haare trieben schwerelos durch die leichten Wellen, als wären sie ein eigenes Wesen. Die Beine hatte sie um den mitten im Raum schwebenden Wassermann geklammert, der ihren Po festhielt und sie an sich zog. Beide legten die Oberkörper erregt klackend zurück. Aylin hörte leise, zärtliche Worte, die sie schaudern ließen. Ob es mit ihrem Meeresprinzen auch so sein würde? Soweit sie gehört hatte, sollte er ganz in Ordnung sein, und wenn er nicht lieben konnte, würde er es noch lernen. Sie wünschte sich, so geliebt zu werden wie diese Sturmnymphe, die völlig losgelöst von allem wirkte und doch ganz eins war mit dem Mann, der sie hielt.
Funkelndes Plankton wirbelte wie ein Silberschleier durch das Halbdunkel. Rhythmisch begannen die beiden, sich zu bewegen. Es sah so einfach aus, als wäre es für diese beiden das Selbstverständlichste der Welt, sich mitten im Wasser zu lieben. Während der Meermann sich ein Stück unter sie sinken ließ, hob und senkte sich die Nymphe, die ihn aufgenommen hatte. Sie hielt die Augen geschlossen und redete nun nicht mehr. Kleine, spitze Laute verließen ihren Mund, die ihre Geilheit und ihre Freude zeigten. Der Mann unter ihr stöhnte lauter als sie, und es wirkte, als würde das gemeinsame Stöhnen in Aylin eine Mauer einreißen. Das Brennen, das sie gefühlt hatte, als Ungvar sie gepackt hielt, kehrte vehement zurück. Sie wünschte sich, wieder Beine auszuformen, um Hand an sich zu legen, und ihre Knospe in die Finger zu nehmen und zu reiben, aber sie wagte es nicht. Auch für sie als Prinzessin waren ihre Untertanen nicht ihr Besitz. Sie musste die beiden erst fragen, ob sie diesen Moment intim mit ihnen teilen durfte, und auch wenn sie das Recht besaß, wollte sie es tief in ihrem Inneren nicht. Sie wollte so geliebt werden wie die Nymphe. Aber dieser Liebhaber war es nicht, den sie sich vorstellte.
Das Wasser schwappte im Raum. Gebannt betrachtete sie das Spiel vor sich, als eine Stimme neben ihr erklang und sie zusammenzucken ließ.
„Sturmnymphen sind die Besten“, sagte Klavian überzeugt.
Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, dass er sie fand. Als ihr Aufpasser würde ihn nur eine Ohnmacht oder der Tod abhalten, nicht zu wissen, wo sie sich befand. Er spürte sie, wie andere eine Wärmequelle fühlten.
Sie sah ihn an und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Denk nicht mal daran, du weißt, was dann passiert.“
Das Paar ließ sich von ihrem Dialog ebenso wenig stören, wie zuvor von Aylins Eindringen. Sie taten nichts, was ihnen peinlich oder unangenehm vorkam. Trotzdem schämte sich Aylin ein wenig, in die Kammer geschwommen zu sein und den Blick nicht abwenden zu können.
Die Bewegungen der beiden Meermenschen wurden konvulsiv. Die Nymphe zuckte in Ekstase. Es war ein Zustand, in dem sie mehrere Stunden verharren würde.
„Sie ist wunderschön“, flüsterte Aylin andächtig.
Klavian sah sie mitleidig an. „Wann wirst du begreifen, dass du noch schöner bist?“
Sie blinzelte und hob leicht die Schultern. „Ich? Ich bin eben ich. Aber so schön wie sie bin ich nicht. Niemand ist so schön wie eine Sturmnymphe. Sie tragen das Meer und den Wind in sich.“
Das brachte ihn zum Lachen. „Wie du meinst, Prinzessin. Die Seedamen, die es nicht begreifen, sind ohnehin die Angenehmsten. Sie sind weniger überheblich und vergeuden nicht die Hälfte ihres Lebens vorm Spiegel.“
„Gehen wir“, sagte sie leise. „Dieser Raum sollte nur ihnen gehören.“
Klavian verzog bedauernd das Gesicht. „Du bist die Majestät“, sagte er und folgte ihr hinaus. „Ich nehme an, zu Ungvar möchtest du nicht zurück? Oder hat er dich doch beeindruckt?“
Sie sah ihn böse an. „Du hättest ihn nicht auf mich hetzen dürfen. Vermutlich hat er sich ein paar seiner Saugnäpfe ausgerissen, als ich ihn magisch von mir stieß.“
Er grinste. „Das war es ihm sicher wert. Und du kannst ruhig zugeben, dass er dich auch beeindruckt hat. Zumindest ein ganz kleines bisschen.“
Sie seufzte. „Er … ist sehr vielseitig. Trotzdem ist er nicht ganz mein Fall.“
Klavian schüttelte den Kopf. „Manchmal kann ich nicht glauben, dass ich an deiner Erziehung mitgewirkt habe. Du weißt einfach nicht, was gut ist. Kraklinge sind in dieser Gegend selten und kostbar. Aber bitte. Gehen wir lieber, bevor er dich findet.“
Draußen auf dem Gang sahen sie zwei Seejungfrauen, die ihnen entgegenschwammen. Sie musterten Klavian mit großen Augen und kicherten albern. Er versperrte ihnen mit in die Hüften gestemmten Armen den Weg.
„Meine Damen, Sie hörten schon von mir?“
Aylin verdrehte die Augen. Klavians Flirtereien waren sein liebstes Hobby. Es verstieß gegen seine Natur, eine interessierte Seejungfrau an sich vorbeischwimmen lassen, obwohl er nur zu genau wusste, wohin das führte. Würde er dieses Mal klüger sein?
Die Größere der beiden nickte grinsend. Ihre spitzen Lippen verfärbten sich violett vor Aufregung. „Oh ja. Du sollst der beste Küsser im Umkreis von hundert Seemeilen sein.“
Aylin spürte ein ungutes Gefühl im Magen. „Klavian ...“, sagte sie warnend, aber er beachtete sie nicht. Dabei zeigte sich nur zu deutlich, dass die Fremde genau wusste, was sie tat. Ihre violetten Lippen konnten nicht nur andeuten, dass sie aufgeregt war, sondern auch, dass sie etwas im Schilde führte.
Klavian reckte die breite Brust vor und zog den Bauch ein. „Aber ja! Das ist korrekt. Mein Ruf wird mir voll und ganz gerecht. Welche von euch soll ich zuerst beehren?“
„Klavian!“, sagte Aylin lauter, „tu das nicht. Du weißt genau, was dann passiert!“
Die Kleinere schwamm vor und strich sich durch die grünen Haare. Sie missachtete Aylin ebenso wie ihre Begleiterin. „Mich. Küss mich, Seevampir. Ich hatte schon viele, die mich küssten. Wenn du besser als sie alle bist, werde ich es in die Meere hinaustragen und deinen Ruhm mehren.“ Mit gespitzten Lippen streckte sie ihm den Kopf entgegen.
Aylin verschränkte verärgert die Arme vor der Brust. Klavian würde schon sehen, was er davon hatte.
Der Seevampir zog die Grünhaarige an sich und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund. Es dauerte nur Sekunden, bis beide Seejungfrauen hell aufschrien. Sie wichen zurück, warfen sich im Wasser herum und flohen vor dem, was mit Klavian geschah.
Klavian schwoll an. Es geschah schlagartig, nachdem seine Lippen die der Nixe berührt hatten. Er wurde dicker und dicker, bis er ein kugelartiges Gebilde aus Haut und Schuppen darstellte, das hilflos im Wasser trieb, kaum fähig, sich aus eigener Kraft zu bewegen. Sein Bauch war zu einem Wasserball geworden, in den Hals, Schwanz und Beine einsanken. Nur die Schwanzenden und Arme ragten noch heraus und paddelten hilflos im Nassen wie ein Boot mit ausgefallenem Ruder.
„Dasselbe wie immer“, sagte Aylin kopfschüttelnd. „Du willst einfach nicht auf mich hören.“
Während die beiden Seejungfrauen flohen, stieß Aylin den Klavian-Ball vor sich her zum Ausgang des Liebespalastes. Die Schildkröte mit dem langen Hals warf ihr einen verständnisvollen Blick zu. Den dicken Ball erkannte sie trotz ihrer Sehschwierigkeiten auf Anhieb.
„Hat er es schon wieder gemacht?“
„Ja, hat er.“
„Das ist das zweiunddreißigste Mal dieses Jahr.“
„Ich weiß. Sein Gehirn besteht aus verfaultem Plankton, wenn es um Frauen geht.“
Klavian sagte irgendetwas Unfreundliches, aber durch seinen dicken Leib, der teils über seinen Mund quoll, war nicht deutlich zu verstehen, was er wollte. Sie schubste ihn weiter vor sich her, in eine Felshöhle ganz in der Nähe der Paläste. Zum Glück hatten nur wenige Städter den Vorgang beobachtet. Trotzdem würde es wieder einmal die Runde machen, dass der Fluch noch immer auf Klavian dem Fünften lastete.
Aylin trieb im Wasser und wartete, bis ihr Freund wieder auf seine normale Größe schrumpfte.
„Verdammte Meerhexe“, brachte er hervor, kaum dass er sich wieder fähig fand, vernünftig zu sprechen.
Sie nickte zustimmend, auch wenn sie die Meerhexe nicht einmal kannte, die Klavian das angetan hatte.
„Verdammter Fluch“, schimpfte ihr Freund weiter. „Verdammter Schatz. Letztlich läuft alles auf den Schatz hinaus. Wenn der nicht gewesen wäre, hätte ich Selianda nie herausgefordert und ihren Zorn beschworen.“
Vor über dreißig Jahren hatte Klavian der Fünfte die Meerhexe Selianda verführt, um ihr ihren Schatz zu stehlen. Laut seiner Aussage handelte es sich um den größten Schatz des Indischen Ozeans. Leider erwies sich die Hexe als nachtragend und hatte ihn verflucht. Nicht nur, dass er bei jedem Kuss oder sexuellem Kontakt auf das Doppelte seines Umfangs anschwoll, er hatte dank des Fluchs auch vergessen, wo er den gestohlenen Schatz versteckt hatte, und er entsann sich einfach nicht. Ihm fehlten ganze Monate seiner Erinnerung und egal, was er versucht hatte, bislang waren sie nicht zurückgekommen. Außerdem hatte er durch den Fluch Probleme mit seinen Umwandlungen. Zurücknehmen würde Selianda den Fluch jedoch nicht, denn sie starb kurz nach der Verwünschung an Kraftlosigkeit und hatte sich im Tod in eine Felsformation umgewandelt, die seitdem als Mahnmal am Ostrand des Reiches aufragte.
„Aber ein hübsches Ding“, sagte Klavian mit verträumtem Blick, und Aylin wusste sofort, dass er die grünhaarige Meerjungfrau meinte, für die er sich ein Mal mehr zum Gespött der Hauptstadt des Reiches gemacht hatte. „Es hat sich gelohnt. Jeder Zentimeter Schwellung. Ihr Kuss schmeckte so süß wie Wildschweinbraten mit Preiselbeersoße.“
„Sie wusste es sicher“, sagte sie nachdenklich. „Sie wollte es sehen, aber es hat sie doch sehr erschreckt.“ Hexische Flüche kamen seltener vor als faustgroße Perlen. Vielleicht war Selianda für viele Jahrhunderte die letzte große Meerhexe gewesen.
Er ließ den Kopf hängen. „Ich würde so gerne mal wieder eine Meerjungfrau besteigen, aber es ist jedes Mal dasselbe. Immer werde ich zu einer kugelförmigen Volksbelustigung.“
Aylin schloss die Augen und dachte an die gelöste Sturmnymphe zurück. „Ich möchte mit einem Menschen schlafen.“
Klavian schreckte hoch. „Was? Bist du pervers? Was willst du denn von den Trockenschwämmen?“
Sie seufzte. „Seitdem ich damals diesen Jungen küsste, kann ich ihn nicht vergessen. Er hat mich tief in meiner Seele berührt. Ich frage mich, was er heute macht. Als er mich küsste, wusste ich, er will Pilot werden. Wie ein Vogel durch die Wolken gleiten. Ist das nicht wundervoll? Einfach durch die Lüfte fliegen und alle Sorgen unter sich zurücklassen ...“
„Es ist bescheuert.“ Klavian schüttelte den Kopf. „Willst du etwa abstürzen und auf dem Land zerschellen? Fische gehören nicht in die Luft. Ihr Element ist nun einmal das Wasser.“
„Ich bin kein Fisch.“
Er streckte seine Glieder und winkte ab. „Vergiss diesen Jungen endlich. Das ist über zwei Jahrzehnte her. Menschen sind vergesslich und sie sehen und glauben nur das, was ihre Welt ihnen erlaubt. Das Erlebnis mit dir hält er bestenfalls noch für einen Traum, wenn er sich überhaupt daran erinnert. Sicher hat er längst geheiratet, ein Rudel Kinder und den Kopf voller Geld und Leistung, wie das bei den Menschen so ist. Also schlag ihn dir aus dem Kopf. Wir sollten lieber meinen Schatz suchen gehen. Wenn wir ihn finden, können wir uns unser eigenes Restaurant kaufen und die Speisekarte bestimmen. Ich hätte da einige Ideen ...“
Sie lachte. „Schön, dass dein Kopf nicht voller Geld ist. Außerdem glaube ich nicht, dass alle Menschen so sind, wie du sagst. Dieser Junge ist anders. Er hat mich nicht vergessen. Tief in seinem Innern sehnt er sich nach mir, wie ich mich nach ihm.“ Sie schwieg und dachte an das Gefühl zurück, das sie hatte, als sie ihm begegnete. In diesem einen Moment hatte sie gespürt, für diesen Jungen bestimmt zu sein. Sie gehörten zusammen, gegen alle Widrigkeiten. Das Schicksal selbst hatte sich damals mit ihnen verbündet und sie mit einer warmen Strömung gestreift, die von fremden Meeren und dem Aufbruch in eine neue Welt erzählte.
Klavian kniff die bogenförmigen Pigmente über seinen Augen zusammen. „Hör auf, über ihn nachzudenken. Du siehst ja aus, als wolltest du es mit den Meergöttinnen selbst aufnehmen.“
Ein scharfer Pfiff klang durch das Wasser und Klavian wie Aylin zuckten zusammen.
„Mutter“, sagte Aylin niedergeschlagen. Der Pfiff der Verkünder beorderte sie zurück in den Palast. Es gab Regierungsdinge zu tun und ihre Anwesenheit wurde erwünscht. Sie ließ den Kopf sinken. „Dieser nervtötende Pfiff. Ich hasse es jetzt schon, Regentin zu werden. Diese ganzen Pflichten verschließen mir die Kiemen.“
Vielleicht bedeutete der Pfiff, dass ihr zukünftiger Verbundener angekommen war? Der Prinz wurde seit zwei Tagen erwartet. Wenn sie sich mit ihm verband, würde sie das Königreich übernehmen und die Makuuna werden, während ihre Mutter zurücktrat und nur noch als Beraterin tätig sein würde. Trotz aller Vorbereitungen auf dieses Amt wusste sie nicht, ob sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlte und sie drückte sich vor ihren Pflichten, wo sie nur konnte. Leider lief ihre Frist ab. Ihr blieben nur noch sieben Tage in Freiheit, dann wurde sie Makuuna und damit die erste Gefangene ihres Reiches.
Klavian stieß ihr auffordernd in die Seite. „Worauf wartest du? Schwimm schon hin, bevor sie eine Flutwelle losschickt und Panik ausbricht.“
Zusammen machten sie sich auf den Weg zum Palast.

Szene 2

„Willkommen zurück.“ Die Frau namens Helen lächelte sie an und Aylin hätte nicht empathisch begabt sein müssen, um zu verstehen, wie glücklich sich Helen zeigte, weil sie und Marc so verstritten waren. Ihre Gefühle standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie wollte etwas von Marc. Das sollte sie besser vergessen. Aylin hegte nicht die Absicht, ihn kampflos aufzugeben, auch wenn sie nicht wusste, wie sie an ihn herankam.
„Danke“, sagte sie steif und musterte Helen mit einem abschätzigen Blick, unter dem die Frau leicht zusammenzuckte. Ob sie die außergewöhnliche Aura spürte, die Aylin umgab? „Ich würde mich gern ausruhen. Können Sie mir die Nummer sagen?“
„Wir haben wohl Ihre Reservierung verlegt, deshalb wusste ich vorhin noch nichts davon“, sagte Helen eine Spur kühler. „Es wurde tatsächlich eine Beach Villa für Aylin Ozeanis vorbestellt. Soll ich Sie dorthin führen?“
Aylin nickte und achtete nicht auf Marcs Protest. Sie fühlte sich nicht in der Stimmung, sofort mit ihm zu reden. Das alles entwickelte sich vollkommen falsch, und sie brauchte eine Weile, um zur Ruhe zu kommen und zu überlegen, was sie tat. Ansonsten würde sie impulsiv handeln, und sie wusste aus Erfahrung, dass dieses Handeln keineswegs immer zu den besten Ergebnissen führte.
Sie ließ Marc stehen und folgte Helen. Klavian krächzte auf ihrer Schulter. Der Weg war nicht lang, aber Aylin fiel sofort auf, dass die Beach Villa, die Helen ihr zuwies, am weitmöglichsten entfernt von der Villa Marcs lag. Sie vermutete Absicht.
Klavian zupfte mit dem Schnabel an ihrem Ohrläppchen.
„Lass das“, fuhr sie ihn an. „Ich bin kein Essen.“
Helen gab ihr eine kleine Plastikkarte. Nachdem sie Marc verlassen hatten, geriet ihr Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske. Nun veränderten sich ihre Züge und sie starrte Aylin feindlich an. Ihre Stimme klang drohend. „Es wäre schön, wenn Ihr Aufenthalt auf dieser Insel nur von kurzer Dauer wäre.“
„Warum?“, fragte Aylin zurück.
„Ich denke, das wäre besser für sie.“
„Besser für mich?“, echote Aylin verständnislos. Drohte Helen ihr? Würde sie ihr etwas antun, wenn sie länger blieb? Klavian schien das so zu sehen, denn er plusterte sich auf ihrer Schulter auf, legte den Kopf schief und krächzte angriffslustig.
„Wir werden sehen“, sagte sie unverbindlich, konnte es jedoch nicht lassen, einen Teil ihrer seeischen Natur hervorzukehren. Ein Windhauch streifte durch die Palmen und wehte ihr Haar zurück. Sie wusste, dass ihre violetten Augen schimmerten, als wären es Reflektoren. Ihre Haare erwärmten sich spürbar und ein goldener Glanz umgab sie, der sie schön, aber auch fremd und übermächtig wirken ließ.
Helen blinzelte. In ihrem Gesicht zeigte sich Erstaunen, aber auch Angst. „Ich ... einen angenehmen Aufenthalt ...“ Sie wandte sich ab und ging so eilig davon, als würde sie fliehen.
Aylin drehte sich zur Tür. „Und wie geht das jetzt auf?“
„Nimm die Karte“, krächzte Klavian. „Und beeil dich, ich habe Hunger.“
Sie benutzte die Karte, die Helen ihr gegeben hatte, und gelangte damit tatsächlich in das großzügige Zimmer mit angeschlossenem Marmorbad und Terrasse. Sie ging sofort an das Terrassenfenster und starrte hinaus auf die Wellen, während Klavian sich auf den Präsentkorb mit Obst stürzte und seinen Schnabel tief in einen Apfel schlug.
„Ich will zurück“, flüsterte sie leise und legte die Hand gegen die Scheibe. „Ich will zurück in die Wellen.“
Klavian zog den Schnabel aus dem festen Fruchtfleisch, dass es nur so spritzte. „Das geht nicht“, krähte er und gierte die Apfelreste hinunter, die er noch im Schnabel gehabt hatte. „Du darfst erst zurück, wenn du diesen Marc überzeugt hast. Vorher brauchst du dich im Reich nicht blicken zu lassen.“
Aylin fuhr zornig herum. „Was soll ich denn noch tun? Ich habe sogar mit ihm geschlafen, und er hat gespürt ...“ Sie stockte. Sollte sie Klavian wirklich von dem magischen Band erzählen, das sich zwischen ihnen knüpfte? Es gab viele Legenden über Meerwesen und Elfen in der Menschenwelt. Oft hieß es, sie besäßen keine Seelen, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Aylin besaß nicht nur eine Seele, sie spürte sie weit deutlicher als jeder Mensch und sie wusste, dass sie einen Teil dieser Seele Marc geschenkt hatte, als sie ihn beatmete und ihm anschließend die Muschel gab. Wahrscheinlich hatte sie damit sogar ihre Langlebigkeit verkürzt, denn die meisten Meeresbewohner wurden bis zu vierhundert Jahren alt. Die Mächtigsten konnten sogar an die tausend Jahre werden. Bisher erschien ihr das nicht wichtig erschienen. Sie war noch jung, was kümmerte es sie, was in zweihundert Jahren geschah. Nun fragte sie sich, ob sie ihre Entscheidung vielleicht doch vorschnell getroffen hatte. Sie presste die Stirn an das Fensterglas, das sich wärmer anfühlte als ihre Haut.
Klavian sah vom Tisch mit dem Präsentkorb zu ihr. „Du hast nicht mit ihm geschlafen, um ihn zu überzeugen, oder? Du wolltest es, nur deshalb hast du es gemacht. Mit dem Auftrag hatte es nichts zu tun.“
Aylin verließ bei diesen Worten alle Kraft. Ihre Seele brannte im kalten Feuer der Unterwelt, tief unter dem Meer, in der die Verlorenen dahinvegetierten. Sie stieß sich vom Fenster ab und ließ sich auf das weiche Bett fallen, das sich trocken und rau anfühlte und so ganz und gar anders als ihr Lager im Meer auf den zarten Knollen.
„Ich wollte es“, flüsterte sie. „Es war schön. Alles an ihm ist schön. Und nun weiß ich nicht, was ich tun soll.“
Klavian flatterte zu ihr und hüpfte auf das freie Kissen neben ihrem Kopf. „Na was wohl. Du erfüllst deinen Auftrag, so einfach ist das. Wenn es nicht anders geht, musst du eben Magie anwenden. Ein kleiner Zauber und er wird das Projekt vergessen.“
Sie wandte ihm den Kopf zu. „Und Marc? Was wird aus Marc?“
„Vertrau den Göttern der Meere. Es wird alles so kommen, wie es kommen soll.“
Argwöhnisch zog sie die Augenbrauen zusammen. „Seit wann glaubst du an die Götter der Meere? Bislang hast du Neptun immer einen grünen Sack genannt, und für die Göttinnen nutzt du so lästerliche Namen, dass ich sie nicht einmal laut wiederholen möchte. Du kannst froh sein, dass sie in einem fort schlafen und es nicht mitbekommen.“
Er krächzte leise, antwortete aber nicht. Aylin strich über sein Federkleid. „Ich verstehe schon. Du lügst mich an, weil du mich aufheitern willst. Es gibt keine Hoffnung für Marc und mich. Zumindest denkst du das.“
Klavian flatterte davon. „Hast du schon mal Fernsehen probiert?“
Obwohl der Ablenkungsversuch Aylin mehr als alles andere zeigte, dass sie richtig lag, ging sie darauf ein. „Fernsehen?“ Es gab so viele Dinge in der Menschenwelt, die sie faszinierten. Fernsehen zählte unbedingt dazu. „Ist das nicht dieses Kaminfeuer, das in dem Kasten über der Poolbar läuft und nicht warm ist?“
„Nein, nein“, versicherte Klavian schnell. „Fernsehen ist noch viel mehr als das. Ich zeige es dir. Mach mal den Schrank da auf.“
Sie stand auf und öffnete die beiden Türen. Im Inneren kam ein flacher, silbern blitzender Kasten mit einer matten Oberfläche zum Vorschein. Klavian hatte mit den Krallen ein kleines Kästchen gepackt, das auf dem Schrank lag, und flatterte damit zum Bett zurück. „Ich habe es durch Zufall entdeckt, bei einem Streifzug, den ich allein unternahm. Sie haben das schon seit Jahren.“ Er legte das Kästchen ab und stieß mit dem Schnabel auf einen roten Knopf.
Aylin fuhr zusammen, als laute Musik durch das Zimmer drang und auf der matten Oberfläche ein Bild von einem Garten erschien, in dem eine blütenbedeckte Frau mit Öl begossen wurde. Sie erkannte den Spabereich des Hotels.
„Was ist das?“
Klavians Vogelaugen flackerten vor Aufregung. „Sie nennen es Werbung. Es ist toll, aber es kommt noch viel besser. Es gibt ganz viele verschiedene Bilder und Geschichten, die der Kasten erzählen kann. Es gibt sogar Kochsendungen!“
Aylin spürte, wie der dumpfe Schmerz über Marcs Zurückweisung in den Hintergrund gedrängt wurde. Sie setzte sich interessiert auf. „Kochsendungen?“
Klavian drückte erneut einen Knopf und vor ihr erschienen halb nackte Mädchen, die sich zum Klang einer fremden Musik bewegten, indem sie wild hin- und hersprangen. Bunte Lichter blitzten und zuckten über ihre Körper.
„Wow“, flüsterte sie. „Das ist so ähnlich wie die große Kristallkugel im höchsten Palastturm, mit der wir Januur und die anderen Städte rufen. Kann man damit auch an weit entfernte Orte sehen?“
Klavian nickte begeistert. „Ja. Nun bräuchten wir nur noch was Leckeres zu essen und könnten es uns gemütlich machen. Dein Auftrag kann doch noch ein paar Stunden warten, und außerdem musst du zu Kräften kommen. Dein Goldton macht mir Sorgen. Du schillerst noch immer leicht nach.“
Aylin hob ihre Hand und betrachtete den goldenen Schein, der so schwach ausfiel, dass nur ein Bewohner Makuuns ihn sah. „Ich habe die Menschen schon mit Essen in ihren Villen beobachtet. Hier muss irgendwo was sein.“
Sie stand auf und öffnete alle Schränke. In einem wurde sie fündig. Eine silbern blitzende Tür ragte vor ihr auf, und als sie die Tür am Griff aufzog, kam ihr Kälte entgegen. Sie blickte auf bereits vertraute Schokolade und glänzende Verpackungen, die verheißungsvoll knisterten, als sie sie in die Hände nahm.
„Chips!“, freute sich Klavian, der noch öfter an Land ging als sie. Er glaubte sogar, irgendwann in einer Phase, zu der ihm die Erinnerungen fehlten, auf der Insel gelebt zu haben. Zumindest hatte er das Aylin erzählt. „Reiß sie auf! Reiß sie auf!“ Er flatterte aufgeregt mit den Flügeln.
Aylin kam zum Bett zurück und brachte alles mit, was in dem kalten silbernen Kasten gelegen hatte. Kurz darauf waren die süßen Köstlichkeiten aufgerissen und lagen auf ihren bunten Hüllen im Bett verteilt.
Aylin griff nach dem Kästchen mit den vielen Knöpfen und betrachtete es von allen Seiten.
„Das ist eine Fernbedienung“, erklärte Klavian. „Und das Ding im Schrank heißt Fernseher.“
Sie nickte. Ihr schwirrte der Kopf von der neuen Entdeckung. Eine Weile drückte sie alle Knöpfe, bis sie heraushatte, wie es funktionierte. Klavian wurde nicht müde, ihr Tipps zu geben. Sie machte schließlich etwas an, das Klavian „Film“ nannte. Ein Mann und eine Frau liebten sich ganz heftig, trotzdem schafften sie es nicht, zusammenzukommen, und am Ende verließ die Frau den Mann, ohne ein einziges Stück aus der gemeinsamen Wohnung mitzunehmen. Sie ging einfach fort und ließ alles hinter sich. Die Geschichte berührte sie so intensiv, dass es ihr fast zu viel wurde. Wer sich so liebte, durfte sich nicht einfach trennen.
Sie spürte, wie heftig golden sie schillerte. „Das ist so traurig. Warum macht sie das?“
Klavian verdrehte die Augen. „Versteh einer die Menschen. Ich meine, sie suchen sich ihre Partner meistens selbst aus, und das ist schön, aber es gibt auch jede Menge Ärger. Besser ist es doch, verheiratet zu werden oder allein zu bleiben.“
Aylin wiegte den Kopf. Der Film hatte ihr einiges über die Mentalität der Menschen gezeigt. Es gab keine Königin bei ihnen, deren Wort Gesetz sprach. Zumindest nicht in dem Reich, in dem der Film gespielt hatte und das Amerika hieß. Die Menschen dort schienen sehr frei in ihren Entscheidungen zu sein, aber auch sehr einsam. Bedeutete es nicht eine ganze Menge Verantwortung, wenn man selbst über sein Leben bestimmte, wie die Frau, die den hübschen Zweibeiner verließ, weil Liebe für sie nicht genug war?
Es klopfte an der Tür.
Klavian flatterte in die Höhe. „Wenn das ein Roomboy ist, sag ihm, ich will ein Angus-Rumpsteak mit viel Kräuterbutter. Ein großes mit diesen länglichen gedrehten Kartoffelstücken.“
„Kroketten“, sagte Aylin geistesgegenwärtig und stand vom Bett auf. Sie atmete tief durch und blickte auf ihre Hände. Die goldene Färbung hatte sich abgeschwächt, sodass ein Mensch sie nicht sehen würde. Beherzt riss sie die Tür auf. „Wurde auch Zeit, dass Sie kommen, wir haben ...“ Sie hielt inne und starrte in Marcs Gesicht über einem großen Blumenstrauß. Die Gewächse sahen aus wie die, die manchmal auf den Tischen im Restaurant standen, aber es waren sehr viele davon. Sie streckte die Hände aus und berührte die samtigen Blätter. „Rosen“, flüsterte sie, weil ihr der Name wieder einfiel.
Marc lächelte. „Ich wollte noch einmal mit dir über alles reden, Aylin. Es hat mir leidgetan, wie du ...“ Er verstummte, als sie die Hand mit dem Rosenstrauß am Arm zur Seite schob und näher kam. Sie küsste ihn. Sie konnte nicht anders. Er verhielt sich so zauberhaft und roch noch süßer als die Blumen. Im Meer gab es für sie auch Gerüche, aber ganz anders. Marc roch vertraut und aufregend zugleich, wie eine Verheißung. Er küsste sie zurück, und hinter sich hörte sie Klavian krächzend protestieren. Sie drehte sich blitzschnell um und packte ihn, ehe er davonflatterte. Mit einer schwungvollen Bewegung setzte sie ihn an die Luft. „Such dir ein Steak!“, rief sie, und schloss die Tür. Klavian krächzte zornig.
Marc lachte. „Such dir ein Steak? Wie soll sich eine Krähe ein Steak suchen?“
„Das ... habe ich nur so gesagt.“ Sie zog ihn zum Bett. Gerade hatte ein neuer Film angefangen, der von einer Frau handelte, die mehrere Männer liebte und der es schwerfiel, sich zu entscheiden, wen sie am meisten mochte. „Setz dich doch.“
Er öffnete eine Schranktür und holte eine Vase hervor. Aylin hatte selbst zwei der Hotelvasen in ihrer Kammer im Meerespalast stehen. Sie hatte sie mit Steinen gefüllt, damit sie im Wasser nicht umfielen oder davontrieben.
„Oh“, sagte sie nur, als er ins Bad ging, um die Vase mit Wasser zu füllen. Sie erinnerte sich, dass Vasen eigentlich für Blumen gedacht waren. Gemeinsam stellten sie die Rosen hinein, und sie spürte eine Vertrautheit zwischen ihnen, die ihr Mut machte.
„Willst du mit mir den Film sehen?“, fragte sie lächelnd. Er sah verwirrt aus, setzte sich aber neben ihr auf das Bett. „Okay“, sagte er langsam. Aylin kuschelte sich an seine Brust. Sie überlegte, ihn erneut nach dem Riff zu fragen, entschied sich aber vorerst dagegen. Ihr Blick huschte von den satten roten Farben der Rosen zu dem Film. Die Frau hatte inzwischen ein paar Freundinnen getroffen und lernte weitere Männer kennen. Es faszinierte sie, ihr dabei zuzusehen.

Marc starrte fassungslos auf den englischen Pornokanal.
„Was genau siehst du da?“
Die vollbusige rothaarige Schönheit auf dem Bildschirm spreizte gerade die Beine ihrer blonden Begleiterin, um ihren Kopf in deren Schoß sinken zu lassen. Eine rosafarbene Zunge schnellte hervor, die wie eingefärbt wirkte, als sie über die Klitoris der Blonden fuhr, die sich stöhnend unter der Bewegung aufbäumte.
Aylin sah ihn arglos an. „Einen Liebesfilm. Die Frau kann sich nicht zwischen den Männern entscheiden, aber sie scheint auch die Frau da sehr gern zu haben. So genau blicke ich noch nicht durch. Was meinst du, wen sie lieber hat?“
„Äh …“, für einen Moment fand sich Marc Tiemann, Geschäftsmann und souverän in jeder Situation, einfach nur sprachlos. Er versuchte etwas zu sagen, doch stattdessen kam nur ein heiseres Krächzen aus seinem Hals, das dem von Aylins Krähe nicht unähnlich klang. Sein Kinn sackte ein Stück herab, als wäre die Schwerkraft plötzlich unüberwindlich, und es ließ sich nicht mehr anheben.
Wollte Aylin ihn auf diese Art verführen? Sie sah so unschuldig aus, als wäre Sex für sie so normal wie einem anderen Menschen die Hand zu geben. Er musste an Felicité denken, die Pornos als roh und hirnlos verabscheute, obwohl sie davon erregt wurde, wenn sie widerwillig zusah, wie ein Mann eine Frau nahm. Aber das gab sie nicht zu und musste die Filme schnell wieder ausschalten und ganz furchtbar über sie herziehen, um ihr Gewissen zu beruhigen.
Die Schwerkraft entließ ihn endlich wieder aus ihren Klauen und Marc sammelte sich. „Du magst Pornos?“
„Was ist ein Porno?“
„Das da.“
Sie nickte. „Das ist doch sehr nett. Ich sehe gern Liebenden zu.“
Marc spürte einen Anflug von Atemnot. Er hatte noch nie eine Frau getroffen, die offen zugab, voyeuristisch veranlagt zu sein.
Aylin sah ihn fragend an. „Du wirst so rot. Magst du Pornos nicht?“
„Doch, schon. Hin und wieder sehe ich sie sehr gern.“
Aylin legte den Kopf schief. „Sie hat hübsche Haare“, sagte sie über die Blondine, die unter der Rothaarigen zuckte.
Marc nickte irritiert und legte den Arm zögernd um sie. Sie schien es zu genießen, denn sie schmiegte sich mit einer Bewegung an ihn, dass ihn abwechselnd heiße und kalte Schauder überliefen. Er spürte die feinen Härchen auf seiner Haut, als sie sich aufstellten.
Der Film ging weiter, und er war alles andere als soft zu nennen. Eben steckte sich die Rothaarige einen Dildo auf den Absatz ihres Stiefels und befahl der Blondine, sich damit beglücken zu lassen. Es handelte sich um Filmszenen, wie Marc sie in seiner Studentenzeit durchaus gesehen hatte und sie auch hin und wieder noch heimlich sah, ohne dass er es jemals zugegeben hätte. Seinen Körper schien der Film jedenfalls anzusprechen. Er spürte, wie sich seine Durchblutung anregte.
Aylin rutschte ein Stück vor. „Das sieht interessant aus. Hast du so was schon mal gemacht?“
Er schluckte. Ihr Körper fühlte sich noch immer angenehm kühl an, obwohl sie dicht nebeneinandersaßen, und ihre Hand lag auf seinem Bein und ließ es prickeln. Gleichzeitig wurde in seiner Hose fest, was zuvor weich und entspannt darin ruhte. „Also ... nein. Das eher nicht.“
„Ich auch nicht. Ich hatte ohnehin nur wenig Sex. Einmal hat mich Kenuus mit Algen gefesselt, bevor er in mich drang. Das fand ich ganz nett, aber ...“ Sie hielt inne, als hätte sie etwas sagen wollen, was sich nicht gehörte. „Das ... ist schwer zu erklären ...“
„Mit Algen?“, echote Marc. „Stinkt das nicht?“ Der Gedanke faszinierte ihn. Gleichzeitig verspürte er Neid auf diesen Mann. Ob sie noch mit ihm Kontakt hatte? Er musste unbedingt herausfinden, ob sie Single war, und wie sie es mit der Treue hielt.
„Nicht unter Wasser. Ich mag es im Wasser, auch wenn ja die meisten an die Luft gehen. Aber das Wasser lässt mich schweben, weißt du?“
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sie ihn verzauberte, und dass er sie wollte, egal ob im Wasser oder an Land. Für sie wäre er auch ins All geflogen, um sie auf dem Mond zu lieben. Seine Hände krochen höher, streichelten ihren Nacken und ihre Seite. Erst zögernd und verschämt, doch als er merkte, wie sie sich weiter an ihn drängte, beugte er sich vor und küsste ihren Hals mit all der Leidenschaft, die er sich nie zuvor gewagt hatte, auszuleben. Seine Kuppen strichen über ihre Rundungen, und sie ließ es sich glücklich seufzend gefallen. Ihr Stöhnen drang leiser und schwächer aus ihr hinaus als das der Frauen im Film. Es erschien ihm schöner und natürlicher. Er spürte, dass er mehr wollte als nur Küsse. Er wollte sie ganz in Besitz nehmen und ein Mal mehr den Zauber ihres unvergleichlichen Körpers erleben. Obwohl sie einander erst vor wenigen Stunden geliebt hatten, fühlte er sich so begierig, als hätte er seit Monaten mit keiner Frau mehr geschlafen.
„Du machst mich verrückt“, flüsterte er und zog sie noch enger an sich.
Sie lächelte. „Ich will dich.“ Mit einem Schwung löste sie sich von ihm und trat an das Terrassenfenster. Dass sie von außen gesehen werden konnte, schien sie nicht zu interessieren. Nacheinander zog sie ihre Kleidungsstücke aus und sah ihm unverwandt in die Augen. „Worauf wartest du? Ich will deinen Körper sehen.“
Er stand auf und fühlte sich gefangen von dem Verlangen im Blick dieser Augen. Sie würde nicht lange warten müssen.

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