Safe Harbor: Sweetest Poison: Es gibt nur dich

Er­schie­nen: 03/2019
Serie: Safe Har­bor
Teil der Serie: 3

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance
Zu­sätz­lich: Se­cond Chan­ce, Se­cret Baby / Un­wan­ted Pregnan­cy, Va­nil­la

Lo­ca­ti­on: New York, USA

Sei­ten­an­zahl: 424


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-393-4
ebook: 978-3-86495-394-1

Preis:
Print: 14,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Er­hält­lich bei u.a.:

und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Safe Harbor: Sweetest Poison: Es gibt nur dich


In­halts­an­ga­be

Der Mensch, den du am meis­ten liebst, ist gleich­zei­tig die Per­son, die dich am meis­ten zu has­sen scheint.

Naomi Grey hat viele Spitz­na­men: Cho­le­ra, Eis­kö­ni­gin oder auch kran­ke Bitch. Be­schimp­fun­gen, über denen sie ste­hen könn­te, würde zu­min­dest der Mensch, den sie am meis­ten liebt, an­ders über sie den­ken.

Es gab eine Zeit, in der hätte Asher Knight alles für Naomi getan, doch dann ließ sie ihn vol­ler Zwei­fel und mit einem ge­bro­che­nen Her­zen sit­zen, um mit einem an­de­ren Mann schein­bar glück­lich zu wer­den.

Jahre vol­ler Schmerz und Sehn­sucht ver­ge­hen, in denen sie ein­an­der nie ver­ges­sen konn­ten.
Als sie dann ge­mein­sam mit ihren Freun­den einen Kurz­trip un­ter­neh­men, kommt es, wie es kom­men muss: Sie geben in einem Mo­ment der Schwä­che end­lich ihren lang un­ter­drück­ten Ge­füh­len nach und ver­brin­gen eine lei­den­schaft­li­che Nacht mit­ein­an­der.

Eine Nacht, die ihr Leben in meh­rer­lei Hin­sicht dra­ma­tisch auf den Kopf stel­len soll, denn plötz­lich ist Naomi schwan­ger und Asher sich ganz si­cher – er kann nie­mals der Vater ihres Kin­des sein ...

Über die Au­to­rin

Che­ryl Kings­ton wurde 1990 ge­bo­ren und lebt ge­mein­sam mit ihrem Mann und drei Hun­den in einer klei­nen nord­rhein-west­fä­li­schen Stadt. Groß­stadt Luft hat sie wäh­rend ihres Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Mul­ti­me­dia­ma­nage­ment­stu­di­um schnup­pern kön­nen, ist aber eher der Typ für ro­man­ti­sche Idyl­le. Be­reits in ihrer frü­hen Kind­heit hat...

Wei­te­re Teile der Safe Har­bor Serie

Le­se­pro­be

 

XXL-Le­se­pro­be bei Boo­k2­Look

Naomi

Cho­le­ra, Elsa, Eis­kö­ni­gin … Jede die­ser Be­zeich­nun­gen tut mir weh. Hat sich über­haupt ir­gend­je­mand je­mals Ge­dan­ken dar­über ge­macht, wes­halb je­mand so ist, wie er ist? Warum ich zu­rück­hal­tend und meist ver­schlos­sen bin? Dass ich nicht ar­ro­gant oder hoch­nä­sig, son­dern ein­fach nur ein­sam bin - mich aus Angst, ver­letzt und wie­der ab­ge­wie­sen zu wer­den, schüt­zen will? Kayla ist meine äl­tes­te und ein­zig wahre Freun­din. Mit ihr habe ich die ge­sam­ten Höhen und Tie­fen mei­nes Le­bens durch­lebt. Für eine Weile habe ich ge­dacht, dass Asher eben­falls ein wich­ti­ger Mensch in mei­nem Leben wer­den würde, aber das wurde er nicht....

...​Letztlich hat mich mein Vater John wohl am meis­ten ge­liebt, doch er ist ge­stor­ben, bevor wir all die ver­lo­re­nen Jahre nach­ho­len und meine Wun­den hei­len konn­ten. Ich kann also die Men­schen, denen ich wirk­lich etwas be­deu­te, an einer Hand ab­zäh­len. Bin ich er­bärm­lich, weil ich mich al­lein fühle und nach Liebe sehne? Aus Angst davor, wie­der weg­ge­sto­ßen zu wer­den, aber lie­ber ein­sam blei­be? Mög­lich, doch was spielt das für eine Rolle? Jeder denkt doch so­wie­so über mich, was er will.
Wir essen in einem der bes­ten Re­stau­rants des Ortes zu Abend und den­noch sto­che­re ich ohne Ap­pe­tit in mei­nen Ofen­kar­tof­feln herum. Selbst der köst­li­che Duft des Rin­der­fi­lets mit den scharf an­ge­bra­te­nen Pil­zen und den Zwie­beln kann mich nicht davon über­zeu­gen, zu essen.
»Mor­gen kommst du aber mit auf die Piste?«, fragt mich Wade. Er hält be­reits den gan­zen Abend das Ge­spräch mit mir auf­recht. Er ist nett zu mir, und das tut gut.
»Ich fahre ehr­lich ge­sagt nicht so gerne Ski. Ro­deln ist eher mein Ding oder Schnee­mo­bil fah­ren.«
»Das geht mir ähn­lich, ich be­vor­zu­ge auch eher das Snow­board. Ski­fah­ren kommt mir so schi­cki­mi­cki vor.«
»Schi­cki­mi­cki? Die­ses Wort habe ich ewig nicht mehr ge­hört.« Zu mei­ner Über­ra­schung bringt er mich damit zum La­chen.
»In wel­cher Welt lebst du?«, neckt er mich.
»Schein­bar in einer, in der das Wort schi­cki­mi­cki außer Mode ist und wo man nur schi­cki­mi­cki ist.«
»Die Haupt­sa­che ist, dass du dich nicht wie eine Schi­cki­mi­cki-Tan­te ver­hältst.« Lä­chelnd schiebt er sich ein blu­ti­ges Stück Steak in den Mund. »Er­zähl mir ein biss­chen über dich. Was machst du außer Ro­deln und Schnee­mo­bil­fah­ren sonst noch gerne?«
Er zeigt In­ter­es­se an mir, ehr­li­ches In­ter­es­se, und das freut mich. Die Frage ist je­doch, will ich ihm sagen, was mich glück­lich macht?
»Ich reise viel«, ant­wor­te ich ein wenig aus­wei­chend. »An­sons­ten eben die üb­li­chen Sa­chen.«
»Falls du die Ge­heim­nis­vol­le spie­len willst, um meine Neu­gier zu we­cken – das hast du be­reits«, wit­zelt Wade. »Aber gut, dann fange ich an. Ich zeich­ne gerne, bin - wie nicht an­ders zu er­war­ten – Gamer und Co­mic-Fan. Ich bin viel und gerne un­ter­wegs, mache auf mei­nen Rei­sen Fotos und lasse mich vom Leben in­spi­rie­ren.«
»Der ty­pi­sche Her­um­trei­ber also. Wir sind uns schein­bar gar nicht so un­ähn­lich.« Mit nun doch ein wenig Ap­pe­tit schnei­de ich ein Stück Filet ab und esse, wäh­rend Wade fort­fährt, mir seine Le­bens­ge­schich­te zu er­zäh­len. Ich bin ihm dank­bar, denn er ist lie­bens­wert, aber eher wie ein klei­ner Bru­der. Un­auf­fäl­lig lasse ich mei­nen Blick schwei­fen. Alle an­de­ren schei­nen eben­falls in Ge­sprä­che ver­wi­ckelt zu sein, wobei Kayla und Ethan eher bal­zen als mit­ein­an­der zu reden. Mein Ge­sicht be­ginnt plötz­lich zu pri­ckeln und ich schaue auf. Asher starrt mich mit bit­ter­bö­ser Miene an, und ich weiß wie­der mal nicht, wes­halb. Ei­gent­lich müss­te ich ihn mit Bli­cken er­dol­chen, im­mer­hin hat er mich vor­hin be­lei­digt und nicht ich ihn. Ei­ni­ge Se­kun­den er­wi­de­re ich sein Star­ren, doch dann kon­zen­trie­re ich mich wie­der auf Wade.
»Sag Be­scheid, wenn du das nächs­te Mal Lust auf Sur­fen hast, ich bin gerne am Meer«, ant­wor­te ich, aber ei­gent­lich nur, um Asher eins aus­zu­wi­schen. Ich weiß, mein Ver­hal­ten ist kin­disch, aber es ist eben­so kin­disch von Asher, uns zu be­lau­schen. »Was wohl auch gleich­zei­tig einen Teil dei­ner Frage be­ant­wor­tet. Ich mag das Meer und Was­ser­sport, ob­wohl ich ei­gent­lich eher ein Schnee­mensch bin.«
»Weißt du, was du am drin­gends­ten über un­se­re Eis­prin­zes­sin wis­sen soll­test? Sie ver­dient ihr Geld mit der Pro­duk­ti­on von Por­nos. Die Firma hat sie von einem alten Sack ge­erbt und sie stand des­halb sogar unter Mord­ver­dacht. An dei­ner Stel­le würde ich also auf­pas­sen, wen du dir da ins Bett holen willst«, er­öff­net Asher und lä­chelt Wade dabei ge­häs­sig an.
Seine Worte sind wie ein Mes­ser, das er mir mit jedem Satz tie­fer in mein Herz stößt. Selbst für As­hers Ver­hält­nis­se ist das ein Schlag unter die Gür­tel­li­nie ge­we­sen. Plötz­lich nehme ich alles um mich herum nur noch durch einen Nebel wahr und rea­li­sie­re nur ver­schwom­men, wie mein Stuhl knal­lend zu Boden fällt und ich auf den Aus­gang zu­lau­fe. Trä­nen ver­schlei­ern mir die Sicht, und ich stoße mit dem Arm schmerz­haft gegen den Tür­rah­men, aber das hin­ter mich nicht daran wei­ter­zu­ge­hen. Wich­tig ist bloß, dass ich hier raus­kom­me - weg, ganz weit weg.
Erst ei­ni­ge Meter vom Steak­haus ent­fernt, komme ich zum Ste­hen. Mein Atem geht keu­chend und meine Lunge brennt, aber es ist mein Herz, das schmerzt. Zu ahnen, dass Asher mich ver­ab­scheut, ist das eine, aber zu hören, wie wenig er wirk­lich von mir hält, ist noch um vie­les schlim­mer. Müss­te er mich nicht bes­ser ken­nen? Wis­sen, dass ich mehr bin als ein net­tes An­häng­sel, vor allem mehr als eine Erb­schlei­che­rin und Mör­de­rin? Ich woll­te das Erbe nicht, auch wenn es mir recht­lich zu­stand. Was also hätte ich ma­chen sol­len? Das Ge­schenk des Man­nes mit Füßen tre­ten, der mich be­din­gungs­los und von Her­zen ge­liebt hat? Ihm so dan­ken, dass er mir nach all den Jah­ren den Halt ge­ge­ben hat, den ich so vor­her nie ge­kannt habe?
»Naomi, komm zu­rück! Es ist schei­ße kalt hier drau­ßen, du holst dir noch den Tod!«, flucht Asher un­ge­hal­ten hin­ter mir und stampft durch den Schnee auf mich zu.
Er kommt mir nach? Doch selbst wenn, mitt­ler­wei­le ist sogar meine selbst­zer­stö­re­ri­sche Schmerz­gren­ze er­reicht. »Willst du das denn nicht? Wünschst du dir nicht genau das? In dei­nen Augen bin ich doch so­wie­so nichts wert. Noch nicht mal einen Fun­ken To­le­ranz ver­die­ne ich dei­nem Ver­hal­ten nach. Ge­schwei­ge denn, dass du Re­spekt mir ge­gen­über hast. Macht es dir Spaß, mich immer wie­der vor allen und jedem so nie­der­zu­ma­chen? Was zum Teu­fel habe ich dir getan?« Ich drehe mich zu ihm um, mir ist egal, dass er sieht, wie sehr er mich ver­letzt hat.
Ge­ra­de mahlt er noch mit den Zäh­nen, doch im nächs­ten Mo­ment über­zieht tiefe Trau­er sein Ge­sicht. »Fuck!«, schreit er. »Es gab Zei­ten, da hast du das Beste aus mir her­aus­ge­holt. Mitt­ler­wei­le zerrst du immer wie­der das Mons­ter in mir her­vor!«
Sprach­los star­re ich ihn an. Was will er mir damit zu ver­ste­hen geben?
»Es tut mir leid, ich hätte das nicht sagen sol­len«, gibt er leise, aber deut­lich zu.
»Warum tust du es dann?« Es be­ginnt zu schnei­en und ein Schau­er über­kommt mich.
»Ich weiß es nicht, zum Teu­fel. Ich kann ein­fach nicht an­ders.« Er weicht mei­nem Blick aus und den­noch ist mir klar, dass Asher nicht die volle Wahr­heit sagt; er ver­birgt etwas vor mir. »Kön­nen wir es nicht ein­fach dabei be­las­sen? Ich sage es noch mal, es tut mir ehr­lich leid, ich hätte das nicht sagen sol­len. Bitte komm mit mir zu­rück ins Warme.«
»Hey, ist alles okay bei euch?« Wade kommt auf uns zu und reicht mir mei­nen Man­tel und meine Ta­sche.
Er­neut sehe ich, wie Asher mit dem Kie­fer mahlt. Was ist bloß los mit ihm?
»Alles okay, ich möch­te bloß zu­rück auf die Hütte und ins Bett«, ant­wor­te ich matt.
»Dann lass uns fah­ren, ich brin­ge dich«, bie­tet Wade so­fort an und klingt ernst­haft be­sorgt.
»Küm­me­re dich um dei­nen ei­ge­nen Scheiß, ich brin­ge Naomi zu­rück«, mischt sich Asher wie­der ein.
»Ich lasse Naomi ganz si­cher nicht mit dir Arsch­loch al­lein.«
»Ich sag’s dir noch mal: Naomi geht dich einen Scheiß an!«
Wie zwei auf­ge­bla­se­ne Go­ckel ste­hen sie vor­ein­an­der und fech­ten einen Kampf mit Bli­cken aus. Es würde mich nicht wun­dern, wenn sie sich als Nächs­tes sogar prü­geln wür­den.
»Es wäre sehr nett, wenn du mich zu­rück zur Lodge bringst, Wade«, be­en­de ich letzt­end­lich die Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen ihnen und igno­rie­re Asher. Ich weiß auch ohne zu hin­zu­schau­en, dass er vor Wut re­gel­recht schäumt, aber das ist sein Pro­blem, ich habe im Mo­ment für wei­te­re Strei­te­rei­en mit ihm keine Kraft mehr. Ohne zu­rück­zu­schau­en, gehe ich zum Park­platz und stei­ge in Wades Pick-up.
Wir haben die halbe Stre­cke zu­rück­ge­legt, als Wade das Wort er­greift: »Was war das vor­hin? Bin ich ihm ins Ge­he­ge ge­kom­men? Seid ihr ir­gend­wie zu­sam­men oder so?«
Ich stoße ein bit­te­res La­chen aus. »Nein, wie du ge­hört hast, sind wir weit davon ent­fernt.«
Wie­der schweigt er eine Weile. »Wenn er ge­konnt hätte, hätte Asher dich an­ge­pin­kelt und als die Seine mar­kiert. Das, was er ge­sagt hat, war wirk­lich häss­lich und si­cher auch sehr ver­let­zend, aber ich habe ihn be­ob­ach­tet. Ihm hat es nicht ge­fal­len, dass wir uns gut ver­ste­hen. Er ist re­gel­recht vor Ei­fer­sucht ex­plo­diert.«
»Sol­len wir die Plät­ze tau­schen? Muss ich den rest­li­chen Weg zu­rück­fah­ren? Du scheinst näm­lich zu viel Bier ge­trun­ken und nun Hal­lu­zi­na­tio­nen zu haben, an­ders kann ich mir nicht er­klä­ren, wie du auf so einen Un­sinn kommst - Asher hasst mich!«
»Selbst wenn er das woll­te, er kann es nicht. Ich er­ken­ne, wenn Män­ner An­spruch auf eine Frau er­he­ben, und das hat er. Seine Art, das um­zu­set­zen, ist da­ne­ben, aber er hat mich in meine Schran­ken ver­wie­sen. Was auch immer also zwi­schen euch ab­geht und ganz egal, wie krank der Scheiß ist, das mit euch ist noch lange nicht vor­bei.«
Wades Worte brin­gen mich zum Grü­beln. Er muss sich irren. Asher ist weder ei­fer­süch­tig noch er­hebt er in ir­gend­ei­ner Art und Weise An­spruch auf mich - wie däm­lich ist der Aus­druck über­haupt?

 

Asher

Ich schäu­me vor Wut. Sie lässt mich ste­hen? Schon wie­der, ist das ihr Ernst? Fuck! So ein ver­damm­ter Drecks­scheiß!
Wäre ich nicht so stink­sau­er dar­über, dass sie mit die­sem Wich­ser ab­ge­hau­en ist, würde ich mir ein­ge­ste­hen, dass nichts an­de­res zu er­war­ten ge­we­sen ist. Im­mer­hin habe ich sie zu­tiefst ge­de­mü­tigt. Ich könn­te mir dafür in den Arsch bei­ßen. Was ist bloß in mich ge­fah­ren? Ich wuss­te nicht mal, dass ich so etwas über­haupt denke. Ich meine, na­tür­lich denke ich so nicht über sie. Naomi kann tau­sen­de Be­weg­grün­de ge­habt haben, die­sen alten Sack mir vor­zu­zie­hen, aber nicht, um ihn zu er­mor­den und sein Geld zu kas­sie­ren. Das hat sie nicht getan und das würde sie auch nie­mals ma­chen … ganz egal, was ich von der Sache halte. Naomi hat die­sen Kerl so sehr ge­liebt, dass sie sich nach sei­nem Tod um­brin­gen woll­te. Al­lein der Ge­dan­ke, dass ihr je­man­den so viel be­deu­tet hat und die­ser Mensch nicht ich ge­we­sen bin, zer­frisst mein Herz.
Schei­ße! Schei­ße! Schei­ße! Ich bin so ein ver­damm­tes Arsch­loch! Voll­kom­men außer mir raufe ich mir die Haare. Naomi und Wade sind seit einer Vier­tel­stun­de weg, und trotz­dem stehe ich immer noch in der Kälte und kann nicht zu­rück zu un­se­ren Freun­den. Nicht weil ich Angst vor ihrem Unmut habe, son­dern weil ich mein Ver­hal­ten be­reue und mich schä­me. Statt sie bloß­zu­stel­len, hätte ich die Chan­ce nut­zen und be­reits heute Mit­tag mit ihr reden und end­lich alles klä­ren sol­len. So hätte ich die Ver­gan­gen­heit viel­leicht ruhen las­sen kön­nen, und es wäre nicht zu der häss­li­chen Si­tua­ti­on ge­ra­de ge­kom­men. Hof­fent­lich ent­schließt sie sich nicht wegen mir, früh­zei­tig ab­zu­rei­sen. Ich wün­sche mir wirk­lich, dass wir an die­sem Wo­chen­en­de doch noch dazu kom­men, uns aus­zu­spre­chen. An­de­rer­seits ist es mög­li­cher­wei­se keine so gute Idee, vier Jahre ge­reif­te Pro­ble­me im Bei­sein von sechs an­de­ren Men­schen aus dem Weg zu räu­men.
Der Schnee­fall wird stär­ker und die Kälte durch­dringt mei­nen di­cken Pull­over. Seuf­zend schaue ich in den Him­mel. Ich soll­te ihr hin­ter­her­fah­ren, letzt­lich gehe ich je­doch wie­der zu­rück ins Re­stau­rant. Als ich mich an den Tisch setze, sehen mich alle wü­tend an. Kayla scheint sogar ihr Steak­mes­ser ge­wetzt zu haben und be­reit zu sein, mich von oben bis unten auf­zu­schlit­zen.
»Ich habe es ver­saut, ich weiß!«, gebe ich zu und lasse mich mit er­ho­be­nen Hän­den auf mei­nen Stuhl fal­len.
Kayla legt mir die Hand auf den Arm und drückt so fest zu, dass ich mich frage, woher sie so ver­dammt viel Kraft hat. »Wo ist sie?«
Ohne mit der Wim­per zu zu­cken, sehe ich sie an. Ich wäre ent­täuscht, wenn Kayla nicht für sie ein­ste­hen würde. »Wade bringt sie zu­rück zur Hütte.«
Sie beugt sich noch näher zu mir und zischt, so­dass nur ich sie hören kann: »Wenn das hier nicht Oli­via und Blairs Wo­chen­en­de wäre, würde ich dir die Eier ab­schnei­den und sie dir in dein dre­cki­ges Maul stop­fen. Asher Knight, du bist das Al­ler­al­ler­letz­te.«
»Es tut mir leid«, er­wi­de­re ich le­dig­lich und mache mir wei­ter Selbst­vor­wür­fe. Wie ist es nur so weit ge­kom­men?
»Soll­te es auch, Asher. Ernst­haft, du weißt gar nicht, was du an­ge­rich­tet hast.«
Zum ers­ten Mal frage ich mich, ob hin­ter der Sache mit dem alten Sack mehr steckt. Dinge, von denen ich nichts weiß und die wo­mög­lich jeg­li­chen Ho­ri­zont mei­ner Vor­stel­lungs­kraft über­schrei­ten.
Ich sehe auf und be­geg­ne Kanes Blick. Er sieht nicht nur wü­tend aus, son­dern mords­wü­tend. Wir hat­ten vor ei­ni­ger Zeit schon mal ein Ge­spräch die­ser Art, wir hat­ten ja sogar vor zwei Wo­chen einen Dis­put über genau das, was ich heute an­ge­rich­tet habe. Ich hätte es bes­ser wis­sen, aber vor allem bes­ser ma­chen müs­sen. Was mich aber wirk­lich trifft, ist sein ent­täusch­tes Kopf­schüt­teln.
Zor­nig ramme ich die Gabel in mein mitt­ler­wei­le kal­tes Steak und schnei­de ein gro­ßes Stück ab. Warum bin ich bloß immer so ver­bit­tert, wenn ich auf Naomi tref­fe? Kenne ich in Ver­bin­dung mit ihr über­haupt ein an­de­res Ge­fühl? Auch wenn ich mich selbst be­mit­lei­de, rea­li­sie­re ich die un­ter­kühl­te Stim­mung am Tisch, aber zum Glück fin­den die an­de­ren nach ei­ni­ger Zeit wie­der in ihre Ge­sprä­che und ich kann schwei­gend da­sit­zen und mei­nen Ge­dan­ken nach­hän­gen. Als wir letzt­end­lich eine Stun­de spä­ter auf­bre­chen und zur Hütte zu­rück­kom­men, sitzt Wade al­lein im Wohn­zim­mer und schaut ir­gend­ei­nen Film. Ich würde mir nie­mals die Blöße geben und ihn fra­gen, wo Naomi ist, oder sie su­chen gehen, daher ist es gut, dass Kayla nach­fragt. Die kom­plet­te Ant­wort be­kom­me ich nicht mit, nur das Es­sen­zi­el­le, und zwar, dass Naomi zu Bett ge­gan­gen sei. Ich fühle mich ein wenig nutz­los, weiß zu­min­dest nicht, was ich mit mir an­fan­gen soll, und gehe in die Küche. Auf dem Tre­sen steht immer noch die Schach­tel mit den Coo­kies, und mein schlech­tes Ge­wis­sen wächst.
»Zu­frie­den?«, schnaubt mein bes­ter Freund und knallt die Wein­fla­sche, die er öff­nen will, etwas zu fest auf die Theke. »Stim­mungs­kil­ler Asher hat ge­wü­tet, und das im wahrs­ten Sinne des Wor­tes. Was hat dir ei­gent­lich das Hirn so ver­ne­belt? Dein Ver­hal­ten war ein­fach ge­schmack­los!«
»Ich fühle mich schon schlecht genug, spar dir deine Vor­wür­fe also, okay?«
Kane muss ir­gend­et­was in mei­nem Blick ge­se­hen haben, denn er rei­tet nicht wei­ter auf mei­nen ver­ba­len Ent­glei­sun­gen herum, lässt das Thema aber auch nicht fal­len. »Du und Naomi, ganz egal, was zwi­schen euch ist, du soll­test end­lich die Arsch­ba­cken zu­sam­menknei­fen und das klä­ren, statt dich ihr ge­gen­über wie ein elen­der Bas­tard zu be­neh­men!«
Nun ver­lie­re ich doch die Fas­sung. »Habe ich dich je so von oben herab be­han­delt, als du es mit Oli­via ver­saut hast? Habe ich dir Vor­hal­tun­gen ge­macht oder dich als Bas­tard be­zeich­net? Ich weiß, dass ich Schei­ße ge­baut habe. Ich habe mich im­mer­hin ent­schul­digt.«
Über­rascht von mei­nem Aus­bruch schaut Kane von der Fla­sche auf. »Du hast recht, ich bin zu weit ge­gan­gen. Mein Pro­blem ist ein­fach, dass ich nicht ver­ste­he, was los ist. Jedes Mal, wenn ihr auf­ein­an­der­trefft, endet es so. Du bist Feuer und sie ist Ben­zin. Naomi muss bloß in deine Nähe kom­men und du legst quasi das ganz Dorf in Schutt und Asche.«
»Das Leben ist nun mal kein Po­ny­hof, und nicht jeder be­kommt das, was er will.«
»Du willst also Nao…«
»Ich werde jetzt ins Bett gehen, macht ihr euch ein­fach noch einen schö­nen Abend. Wie du schon sag­test, ich bin heute der Stim­mungs­kil­ler«, un­ter­bre­che ich Kane, bevor er die Wahr­heit laut aus­spre­chen kann. Ohne seine Ant­wort ab­zu­war­ten, stür­me ich die Trep­pe hoch.
Kurz stehe ich im Flur und frage mich, ob Naomi eben­falls hier oben schläft oder einen von den un­te­ren Räu­men be­zo­gen hat. Im End­ef­fekt spielt es keine Rolle, ich würde so­wie­so nicht an ihrer Tür klop­fen. Was hätte ich auch ma­chen sol­len? Mich noch mal ent­schul­di­gen? Wenn ich wüss­te, dass es hel­fen und sie mit mir reden oder mir we­nigs­tens zu­hö­ren würde, dann wäre das Ganze eine zwei­te Über­le­gung wert, aber so? Nach­denk­lich gehe ich auf mein Zim­mer und schlie­ße die Tür. Dann tue ich etwas, das ich schon ewig nicht mehr ge­macht habe. Ich grei­fe nach mei­nem Smart­pho­ne und öffne die Cloud. In einem Ord­ner ganz weit unten finde ich sie – Bil­der von Naomi und mir.
Weh­mü­tig fahre ich mit dem Fin­ger ihren Mund mit dem strah­len­den Lä­cheln nach. Wie konn­te es bloß so weit kom­men, dass wir uns fremd ge­wor­den sind und jedes Auf­ein­an­der­tref­fen mit ihr Freu­de, aber vor allem Leid bei mir aus­löst?